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08.12.12 / Preußische Herrscher der Neuzeit / Wissenschaftlich fundierte Vorträge beim »Kulturhistorischen Seminar für Frauen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

Preußische Herrscher der Neuzeit
Wissenschaftlich fundierte Vorträge beim »Kulturhistorischen Seminar für Frauen«

Das von der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) organisierte und seit mehr als zwei Jahrzehnten in Bad Pyrmont angebotene „Kulturhistorische Seminar für Frauen“ hat sich zu einem Phänomen entwickelt. Die Zahl jährlich wiederkehrenden Teilnehmerinnen ist hoch. Unter den aus ganz Deutschland angereisten Damen waren auch die Vorsitzenden und Vorstandsmitglieder der Deutschen Vereine aus Polen und Litauen sowie die Vorsitzende der Wolfskinder. Was macht diese Sonderform von Geschichtsunterricht so attraktiv?

Der organisatorische Ablauf hat sich seit Jahren bewährt. Uta Lüttich, die Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise, gibt am Abend des Anreisetages eine Einführung in das Seminarthema. Traditionell folgt die Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen. Großes Ineresse erweckte die Vorstellung von Edyta Gladkowska, der Repräsentatin der LO in Allenstein, die seit 2011 ein eigenes Büro dort unterhält. Gladkowska berichtete offen und kompetent über ihr Aufgabengebiet in Allenstein. Bei der LO in Hamburg war sie beschäftigt, um einen Überblick über die Arbeit der Bundesgeschäftsstelle zu erhalten.

In diesem Jahr lautete das Thema der Seminartage „Brandenburgisch-Preußische Herrschergestalten der Neuzeit – Vom Großen Kurfürsten bis Kaiser Wilhelm II.“. − Vor allem bürgt die ausgewogene Mischung von Referenten, die eingeladen werden und die zu ihren Spezialgebieten sprechen, für Qualität. Umgekehrt ist es gut, wenn die Vortragenden wissen, dass ihnen nicht nur historisch interessierte, sondern geschichtlich überdurchschnittlich gebildete Frauen gegenübersitzen, so dass sich an jeden Vortrag interessante und fundierte Diskussionen anschließen.

Den fesselnden Auftakt bildeten die Referate von Dr. Gerhild Komander, Berlin, und Prof. Dr. habil. Axel Walter, Universität Osnabrück. Die freiberuflich tätige Dr. Komander sprach packend und anschaulich zum Thema „Der Große Kurfürst Friedrich-Wilhelm und der Aufstieg Brandenburgs“. Detailfreudig, ja teilweise unterhaltsam, handelte Prof. Walter, der auch eine Professur für Germanistik an der Universität Memel [Klaipeda] innehat, „Die Königsberger Königskrönung Friedrichs I. im Spiegel der zeitgenössischen Literatur“ ab.

Einen biografischen Blick auf das Leben des Soldatenkönigs

Friedrich-Wilhelm I. richtete mit Eloquenz Edmund Ferner, der Vorsitzende der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen in Schleswig-Holstein. Sehr interessant war der Vortrag von Karin Feuerstein-Praßer, Historikerin aus Köln, „Ich bleibe zurück wie eine Gefangene’: Elisabeth Christine und Friedrich der Große“, der auf einer notwendig komprimierten Fassung eines Kapitels aus ihrem Buch „Die preußischen Königinnen“ (Piper Verlag München, 3. Auflage 2012) basierte.

Dr. Stefan Vöhringer, Akademie Sankelmark, Oeversee nahm die Teilnehmerinnen mit auf einen kulturhistorischen Spaziergang durch Schloss und Parkanlage von Sanssouci in Bild und Wort. Einleitend zitierte er Voltaire: „Ich stelle fest: Der Preußenkönig hält alles und jeden in Bewegung, und ich glaube, das wird so bleiben.“ Vöhringers Fazit: Nicht Pro oder Contra sollte das Interesse an Leben und Werk dieses Mannes sein, sondern eine objektiv-intellektuelle Betrachtung. Einige dieser Facetten wären Friedrich als Freimaurer, als konservativer Mann, als extremer Individualist, als schillernde und ambivalente Persönlichkeit. Friedrich innenpolitisch positiv wirkend, außenpolitisch machtbewusst mit Streben nach Ruhm und Größe. Friedrich als Komponist, Friedrich als Feldherr..

Dr. Jürgen W. Schmidt, Berlin, arbeitete in seinem Vortrag „König Friedrich-Wilhelm III., Zar Alexander I. und die Konvention von Tauroggen“ die Charaktere der beiden Herrscher und der Generale, des Preußen Johann David v. Yorck und des Russen Hans Karl v. Diebitsch, aus, die den Waffenstillstand am 30. Dezember 1812 aushandelten. Yorck rechtfertigte diese Entscheidung mit der vom König vor dem Feldzug gegebenen Vollmacht, in unvorhergesehenen Situationen nach eigenem Ermessen und zum Wohle des Volkes zu handeln. Schmidt spannte den Bogen zum Attentat auf Hitler am 20. Juni 1944, an dem auch ein direkter Nachfahre, Ururenkel Peter Graf Yorck von Wartenburg, aktiv beteiligt war und der am 8. August 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Mit gewohnter Solidität sprach Dr. Enno Eimers, Leer, über „Kaiser Wilhelm II. und seine Zeit“ und zeichnete ein differenziertes Bild des Monarchen.

Den Abschluss bildete die von Prof. Dr. Albert Kotowski, Universität Bromberg, vorgenommene „Analyse des deutsch-polnischen Verhältnisses vor dem Hintergrund des Nachbarschaftsvertrages“. Seine Feststellung: „Die Polen brauchen ein Feindbild von einem Deutschen, früher war es Bismarck, heute ist es Erika Steinbach.“ zog eine ausgiebige Diskussion nach sich. Es wurde deutlich, dass es für das Verstehen von Haltungen und Handlungen hilfreich ist, gelegentlich einen „polnischen Blickwinkel“ einzunehmen. Der Referent forderte auf, Gemeinsamkeiten in der Geschichte hervorzuheben und schwierige Themen „sanft“ zu behandeln.

Mit Singen endeten die Seminartage, deren Erfolgsgeheimnis nicht zuletzt in der guten Atmosphäre besteht, wozu auch der „Ostpreußische Heimatabend“ beiträgt, der kulinarisch maßgeblich von den Damen aus Ostpreußen gestaltet wird. Ostpreußinnen und an Geschichte und Gegenwart der Provinz interessierte Frauen eint eine Gemeinschaft auf Zeit. Fortsetzung erwünscht! Ute Eichler/Uta Lüttich


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