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08.12.12 / Die Pyramiden von Berlin / Weihnachtliche Schnitzkunst im Museum Europäischer Kulturen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

Die Pyramiden von Berlin
Weihnachtliche Schnitzkunst im Museum Europäischer Kulturen

Sonst leuchtet sie bei heftigem Schneetreiben in einem erzgebirgischen Dorf, jetzt lässt sie in Berlin viel Vorweihnachtsfreude aufkommen: Die 3,50 Meter hohe Cunersdorfer Ortspyramide steht derzeit vorm Eingang des Museums Europäischer Kulturen in Berlin-Dahlem und ist der Blickfang einer Schau, die nicht nur Kinderaugen zum Strahlen bringt.

Unter dem Titel „Weihnachtspyramiden – Tradition und Moderne“ präsentiert sich hier eine 110 Exponate umfassende Sammlung der Lichtergestelle und ihrer Vorläufer aus über 100 Jahren. Von der einfachen Stabpyramide über Sonderformen wie das Sebnitzer Schattenspiel, den Holdenstedter Engelstock bis hin zur mächtigen Ortspyramide zeigt sich den Besuchern zu Licht und Leben erweckte Kulturhistorie. Neuerwerbungen zeitgenössischer Pyramiden ergänzen die Präsentation. Hintergrundwissen und Informationen über regionale Besonderheiten runden den Ausstellungsbesuch ab.

Die elektrisch betriebene Orts­pyramide wurde 1964 als Ge­meinschaftsarbeit vom Cunersdorfer Schnitzverein geschaffen. Um sie in Berlin aufzustellen, reisten Herbert Volker Krämer und Günter Schubert extra aus dem Erzgebirge an. In breiter erzgebirgischer Mundart erzählt Schubert, dass er 1964 am Bau beteiligt war, und von den Schwierigkeiten, wenn man christliche Figurenmotive schnitzen und in die Pyramide einsetzen wollte.

Religion galt im Sozialismus als Opium fürs Volk. Deshalb schnitzte man Waldarbeiter und Bergleute für die Etagen des Lichtergestells. Augenzwinkernd fügt Krämer hinzu, dass für das obere, schwer einsehbare Stockwerk Schäfer und Schafe gefertigt wurden, um so doch noch etwas Christentum hineinzuschmuggeln. Nach der Wende fertigten die fleißigen Cunersdorfer eine neue Pyramide, nun mit Krippe und für alle sichtbar. Jeweils am 1. Advent erfolgt das feierliche Anschieben der Kunstwerke, um bis Maria Lichtmess am 2. Februar jeden Betrachter zu verzaubern.

„Weihnachtspyramiden, wie wir sie heute kennen, kommen zumeist aus dem Erzgebirge“, sagt die Ausstellungskuratorin Tina Peschel, „es gibt sie schon viel länger als den Weihnachtsbaum.“

Schon im Mittelalter war es in Teilen Europas üblich, sich in der dunklen Jahreszeit zur Abwendung drohenden Unheils grüne Zweige im Wohnbereich aufzuhängen. Die Kraft des Lichtes erschien wiederum anderen dafür geeigneter. In den Weih­nachtspyramiden sieht man beides Brauchtum vereint. Ursprung der Pyramiden sind wohl Lichtergestelle, die in Deutschland im 18. Jahrhundert üblich waren.

Vier mit grünen Zweigen umwundene Stäbe, am oberen Ende zusammengebunden und mit Lichtern versehen, bildeten auch den Vorläufer des noch unbekannten Weihnachtsbaumes. Die handwerklich sehr begabten Erzgebirgler entwickelten daraus die Weihnachtspyramide. An dem in der Mitte angebrachten Stab befestigte man Teller mit Figuren. Das oben montierte Flügelrad nutzte die aufsteigende Warmluft der Kerzen und brachte die Teller dadurch in Bewegung.

Seitdem zieht das Schattenspiel der sich drehenden Figuren jeden in seinen Bann und erzeugt vorweihnachtliche Freude bei Groß und Klein. Silvia Friedrich

Öffnungszeiten: 30. November 2012 bis 3. Februar 2013, jeweils montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, sonnabends und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Der Ausstellungskatalog von Tina Peschel und Dagmar Neuland-Kitzerow ist im Husum Verlag erschienen und kostet 9,95 Euro.


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