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08.12.12 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Geld und Macht / Wie die EU die Jugendarbeitslosigkeit abschafft, was der Reichstag 1914 versäumt hat, und warum Politiker doch die Wahrheit sagen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Geld und Macht / Wie die EU die Jugendarbeitslosigkeit abschafft, was der Reichstag 1914 versäumt hat, und warum Politiker doch die Wahrheit sagen

Endlich wird gehandelt: EU-Sozialkommissar László Andor will die Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union verbieten. Wer unter 25 Jahre alt und arbeitslos ist, soll spätestens vier Monate nach Ende seiner Ausbildung oder nach der Entlassung aus seiner vorherigen Stelle eine neue Beschäftigung bekommen. Er denkt dabei vor allem an Umschulungen und Weiterbildungsmaßnahmen sowie an Praktika, die vom EU-Sozialfonds bezuschusst werden sollen.

Offenbar hat der Herr Andor noch nicht alles vergessen von seiner Jugend in der Ungarischen Volksrepublik. Sein Muster zur Problembewältigung wurde in den sozialistischen Ländern jahrzehntelang erfolgreich erprobt: Wenn’s Schwierigkeiten gab, kam eine Kommission, plante die Probleme einfach weg und schon waren sie (so gut wie) verschwunden. Zumindest aus der Öffentlichkeit, denn das Ganze war stets begleitet von einer überaus kritischen Presse, die sich gar nicht satt sabbeln konnte vor Begeisterung über die sagenhaften Fortschritte in Folge der Beschlüsse des letzten Parteitags.

Die Jugendlichen werden Andor den Ausflug in den realen EU-Sozialismus danken. Ihnen winkt eine strahlende Karriere als unbezahlter Praktikant, der Akten von A nach B und anschließend wieder von B nach A schleppen darf, wobei er wertvolle Berufserfahrungen sammelt für sein nächstes Praktikum.

Deutschland könnte Vorreiter sein, denn bei uns existiert bereits ein großartiges Netz von Einrichtungen für Andors Vorhaben. Da werden beispielsweise arbeitslose Friseurinnen zu Maurern umgeschult, auch Theatergruppen für Arbeitslose gibt es, wo deren Kreativität befreit wird. Die deutsche Umschulungs- und Weiterbildungsindustrie kommt auf einen Gesamtumsatz, der den Verteidigungshaushalt übertrifft, sagen Schätzungen – zahlt alles der Steuerzahler.

Steuerzahler sind Leute, die das Glück haben, den Fängen der Weiterbildungsindustrie entwischt zu sein. Vor Jahren will ein übler Verräter bei einer Untersuchung nämlich herausgefunden haben, dass Arbeitslose, die einfach nur arbeitslos sind, höhere Chancen auf eine richtige Stelle haben als solche, die die leere Zeit mit Umschulungen und ähnlichen „Wiedereingliederungsmaßnahmen“ gefüllt haben. Für die Weiterbildungskonzerne eine schöne Sache, denn auf diese Weise gehen ihnen die Kunden niemals aus.

Der eigentliche Clou von Andors Arbeitslosigkeitsverbot liegt indes woanders: Nach sehr kurzer Zeit wird sich nämlich herausstellen, dass die Mittel des EU-Sozialfonds für Millionen solcher Maßnahmen viel zu knapp bemessen sind. Schon haben wir wieder einen Grund, den EU-Haushalt kräftig aufzublähen. Da Geld Macht ist, wächst so auch erneut der Einfluss der Brüsseler Zentrale gegenüber den Nationalstaaten: „Mehr Europa!“

Nicht umsonst war EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy so beleidigt, als einige Nordländer jüngst eine Verschlankung des EU-Beamtenapparates verlangten, um Geld zu sparen. Daraus wurde zum Glück nichts, was insbesondere dem gerissenen Ratspräsidenten zu verdanken ist. Mehr noch: Mit feiner Regie hat es Van Rompuy so hingebogen, dass in den Augen der Öffentlichkeit nicht er, sondern London schuld war am Platzen der EU-Haushaltsberatungen. Respekt!

Der Beschluss zum Verbot der Jugendarbeitslosigkeit reiht sich ein in eine lange Kette zukunftsweisender Vereinbarungen auf europäischer Ebene. Erinnern Sie sich noch an den „Lissabon-Prozess“? Im Jahre 2000 hatten die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Lissabon beschlossen, die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten und innovativsten Wirtschaftsregion auf der ganzen Welt zu machen. Fürwahr: Wer auf das Europa des Jahres 2000 blickt und dies mit seinem heutigen Zustand vergleicht, der erkennt den alten Kontinent kaum wieder. Auf den Straßen von Madrid, Lissabon und Athen ist richtig Leben eingekehrt!

Die launige Stimmung in Athen hat einen guten Grund. Aus Berlin kam die frohe Kunde, dass alles Gerede über die Möglichkeit eines griechischen Staatsbankrotts hohles Geschwätz ist. Der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Norbert Barthle, hat nämlich herausgefunden, dass ein Staatsbankrott der Griechen mit dem deutschen Haushaltsrecht gar nicht vereinbar und daher gesetzlich verboten sei. Er meinte das nicht etwa als Witz, sondern vollkommen ernst. Hätten sie auf der „Titanic“ die Unsinkbarkeit doch bloß in die Hausordnung aufgenommen – nichts wäre passiert. Und hätte der Reichstag 1914 die Kriegskredite nur unter der „strengen Auflage“ gewährt, dass Deutschland auch gewinnt, wäre Kaiser Wilhelm 1918 als Sieger durchs Brandenburger Tor geritten, und Hitler wäre der Name einer Familie geblieben, die unter anderem einen durchschnittlichen Künstler des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hat, mehr nicht.

Wie beruhigend, dass wir heute in Europa so viel vorausschauender handeln als diese fahrlässigen Idioten damals. Gut, bleiben wir fair. Nach Eisberg, Marne-Schlacht und Stalingrad ist man immer schlauer. Und so unglaublich es klingt: Einiges spricht dafür, dass wir demnächst sogar noch schlauer sein werden als jetzt.

Woher wir das wissen wollen? Von Angela Merkel höchstpersönlich! Ganz sanft bereitete uns die Großmeisterin der Salamitaktik kurz vor dem CDU-Parteitag auf eine unerwartete Neuigkeit vor: Ein weiterer „Schuldenschnitt“ (von Hetzern Bankrott oder Pleite genannt) für Hellas sei vielleicht doch nicht ganz auszuschließen. Das deutsche Haushaltsrecht? Ach, das legen wir zu den anderen Regeln und Verträgen, die aus dem Mülleimer für gebrochene Gesetze quellen. Auf so eine Krise muss man flexibel reagieren und darf sich „innovativen Lösungen“ (Lissabon-Prozess!) nicht verschließen. Jetzt schimpfen wieder einige: Die Politiker hätten uns nicht die Wahrheit gesagt und so.

Stimmt gar nicht, Politiker drücken sich heute nur anders aus als in früheren Epochen. Wer ihre Worte korrekt deutet, ist immer auf dem Laufenden. Als sie Anfang 2010 sagten, sie seien „zuversichtlich, dass Griechenland seine Probleme ohne fremde Hilfe lösen“ könne, meinten sie: Leute, der Zug ist abgefahren, die schaffen das nie und nimmer. Als Angela Merkel und Wolfgang Schäuble beim ersten Rettungspaket für Athen im Mai 2010 dann versprachen, es werde „kein zweites Rettungspaket geben“, meinten sie bloß „zweites Rettungspaket“. Als sie beim zweiten Rettungspaket versprachen, es werde „keine Dauerrettung geben“, meinten sie bloß „Dauerrettung“. Als sie verkündeten, es werde „keinen Schuldenschnitt für Athen“ geben, meinten sie nur „Schuldenschnitt für Athen“. Und als sie schließlich feierlich schworen, es werde „keinen zweiten Schuldenschnitt ...“ – Sie wissen schon. Wenn uns Angela Merkel also eines Tages verspricht, es werde „keinen Atomkrieg in Europa geben“, sollten wir zusehen, dass wir hier wegkommen.

Das Beste am Schuldenschnitt ist, dass die Schulden dann weg sind. Endlich aufatmen! Die „Gläubiger“ sind ohnehin finstere Gesellen. Oder? Na ja, Gläubiger sind auch die griechischen Pensionsfonds, die gesetzlich verpflichtet waren, 77 Prozent ihrer Anlagen in griechische Staatsanleihen zu stecken. Nach einem weiteren Schnitt wird ihnen nicht viel bleiben.

Daher drängen Europas Linke ja so eilig auf die Einführung „gemeinsamer europäischer Sozialnormen“, von denen, Sie ahnen es, „die Deutschen am meisten profitieren würden“. Irgendeiner muss die griechischen Altersruhegelder schließlich berappen, wenn die dortigen Pensionsfonds skalpiert worden sind. Da ist es doch wie immer das Günstigste, wenn wir das „im Rahmen der europäischen Solidarität alle gemeinsam schultern“. Bis auch Deutschland pleite ist? Aber nein, das verbietet ganz gewiss unser deutsches Haushaltsrecht.


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