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15.12.12 / Nur die Bürokratie aufgebläht / Ausländerpolitik: Berlins neues Integrationsgesetz erweist sich als teurer Fehlschlag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Nur die Bürokratie aufgebläht
Ausländerpolitik: Berlins neues Integrationsgesetz erweist sich als teurer Fehlschlag

Mit seinem neuen „Integrationsgesetz“ wollte Berlin bundesweiter Vorreiter bei der Ausländer-Integration werden. Die erste Praxis-Prüfung zeigt, wie Multikulti-Phrasen an der rauen Wirklichkeit zerschellen.

Berlins Integrationsgesetz sollte nach dem Willen der Politik ein „Meilenstein“ sein. Doch das Partizipationspapier hat bisher kaum etwas erreicht. Das zeigt eine jetzt vorgestellte, 53 Seiten starke Untersuchung. Das Senatsziel, mehr Zuwanderer in den öffentlichen Dienst der Stadt zu bringen, machte sich Berlin demnach selbst mit wenig Neueinstellungen zunichte. In den für das Gesetz zuständigen Bezirken gibt es zudem massive Vorbehalte. Auch ließen sich konkrete Erfolge in der Bilanz nicht erkennen, sagt die Opposition.

„Chancengerechtigkeit und Teilhabe für alle“ seien Voraussetzung einer „gerechten Weiterentwicklung der Einwanderungsstadt Berlin“, schreibt der Senat im offiziellen Hauptstadtportal „Berlin.de“ über das Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz. Es trat Anfang 2011 in Kraft und ist die bundesweit erste Regelung ihrer Art.

Das Berliner Projekt diente im Februar Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen als Vorbild eines noch weitergehenden Integrationsgesetzes. Die Hauptstadt-SPD verweist im Senat daher gern auf Berlins föderale Vorreiterrolle mit seinen weit gesteckten Zielen, die konkret jedoch recht oberflächlich formuliert wurden. Auch die Berliner CDU erklärte mit Koalitionsbeginn die Integration zur „Chefsache“, obwohl Berlins CDU-Chef Frank Henkel das Gesetz 2011 noch als „völlig überflüssig“ bezeichnete.

Das ehrgeizige Papier macht inhaltlich nicht nur den „Bedarf“ Zugewanderter an Integration zum Maßstab verpflichtender staatlicher Bemühungen, es weist auch alle Berliner Einrichtungen an, für „gleichberechtigte Teilhabe und interkulturelle Öffnung zu sorgen“ und fordert die „interkulturelle Kompetenz“ behördlicher Entscheidungsträger. Die haben indes wenig Lust auf entsprechende staatliche Umschulung, wie die neue Untersuchung zeigt. Da der Senat sich selbst im Integrationsgesetz eine umfangreiche Erfolgsmessung auferlegte, wird nun das ganze Ausmaß der Wirkungslosigkeit der Vorschriften bekannt.

Die hochgesteckten „Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund“ wurden beispielsweise längst von Berlins politischem Sparkurs eingeholt. So verweist die aktuelle Bilanz nur auf Propagandamanöver wie die seit 2006 laufende Kampagne „Berlin braucht dich“. Die harten Zahlen ernüchtern indes: Statt der angestrebten 25 Prozent waren vergangenes Jahr nur 17,5 Prozent der Auszubildenden ausländischer Herkunft. Ein nennenswerter Anstieg bleibt aus.

Kritiker mahnten schon zum Gesetzesstart die weitreichenden Ansprüche der Integrationslinie an. Die erste Auswertung zeigt nun: Das Gesetz schuf vor allem viel Bürokratie, so einen 18-köpfigen Landesbeirat, besetzt mit Vertretern vieler Organisationen von den Ausländervereinen bis hin zu Wirtschaftsvertretern, oder den Posten des „Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration“. Jede Landeseinrichtung muss ihn laut Gesetz unterstützen. Doch ob dieser Beauftragte seiner Rolle als Ansprechpartner der Zuwanderer überhaupt gerecht wird, bleibt auch nach dem aktuellen Bericht offen. „Bürokratisches Pillepalle, das uns nicht weiterbringt“, nannte Neuköllns für klare Worte bekannter SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky die Vorschrift schon vor der aktuellen Auswertung.

Zahlreiche Gesetzesänderungen vom Sport- bis zum Landesgleichberechtigungsgesetz überarbeitete der Senat damals, um entsprechend seinem neuen Kurs das passende Vokabular des Integrationsgesetzes durchzupeitschen. Die Mühe hätte sich Rot-Schwarz sparen können: „Wenig Überraschendes“ sei nun in der Auswertung zu lesen, urteilte der integrationspolitische Sprecher der Berliner CDU, Burkhard Dregger. Er bejahte indes, dass mit dem Gesetz „systematisch an den Teilaspekten der Integration gearbeitet wird“. Dabei hatte auch Dregger das Gesetz einst infrage gestellt. Tatsächlich lässt der Bericht kaum erkennen, welche Maßnahmen auch ohne das Gesetz möglich wären. Eine „Analyse der Wirkung“ sei im Bericht nicht enthalten, bemängelte die Piratenpartei.

Bezirke und Senat machten „ebenso gut oder schlecht Integrationspolitik, wie sie es ... immer getan haben, ob mit oder ohne Integrationsgesetz“, urteilte die Grünen-Politikerin Susanne Kahlefeld. Der CDU-regierte Bezirk Reinickendorf gab den Gesetzesprüfern zur geforderten „interkulturellen Kompetenz“ kurz angebunden zu Protokoll: „In Einzelfällen haben sich Mitarbeiter sicherlich derartige Kompetenzen angeeignet.“ Einen laut Gesetz bezirklich anzusiedelnden Integrationsbeauftragten ernannte man dort erst nach gut zwei Jahren, empört sich die Opposition.

Doch auch andere Bezirke erkennen in dem Gesetz kaum Vorteile für ihre Arbeit mit Ausländern, was die schleppende Umsetzung dort erklärt. Unabhängig von aller Empörung bei der dunkelrot-grün-gelben Opposition, der das Gesetz freilich nicht weit genug geht, liefert der Bericht die Erkenntnis, dass dem Senat der Anschluss an die Herausforderungen der Integration in den Bezirken verlorengeht. Selbst in der angeblich ureigensten Herzenssache einer „modernen Hauptstadtpartei“ droht SPD und CDU deshalb das Abseits. Sverre Gutschmidt


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