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15.12.12 / Die neuen Opern unserer Epoche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Die neuen Opern unserer Epoche

Genau genommen ist auch Wagners „Ring des Nibelungen“ ein einziges Fantasyspektakel. Ein Drache, der einen goldenen Hort beschützt, eine Tarnkappe, die unsichtbar macht, ein Ring, an dem das Schicksal ganzer Völker hängt – alle diese Anleihen aus dem nordischen Mythenschatz der Edda finden sich auch bei Tolkien wieder. Woran liegt es dann, dass viele Opernfreunde wahre Hasser von Fantasy-Filmen? Man schätzt das Nibelungenlied, schwelgt bei Wagner und lässt als Film höchstens Michael Endes „Unendliche Geschichte“ gelten. Doch sind „Harry Potter“, „Avatar“ oder „Herr der Ringe“ wirklich nur Kinderkram? Dabei sind sie die Mo­numentalepen, die auf den Spuren alter Hollywood-Klassiker gehen wie „Vom Winde verweht“, „Ben Hur“ oder „Kleopatra“. Hier wie dort wird gelacht und geweint, gefeiert und gemetzelt. Dass uns die neueren Werke gewalttätiger vorkommen – die meisten „Harry Potter“-Filme, in denen auch viel künstliches Blut fließt, sind wie der „Hobbit“ ab zwölf Jahren freigegeben –, liegt auch am unmittelbareren Kinoerlebnis mit großer Leinwand und Dolby-Surround-System, dass einem jede Schwertklinge scheinbar direkt am Ohr zischen lässt. Die 3-D-Technik, mit der viele Filme neuerdings in die Kinos kommen, tut dabei ein Übriges zum authentischen Erlebnis. Dabei ist die marktwirtschaftliche Rolle solcher Filme nicht zu unterschätzen: Sie sichern durch begleitende Merchandising-Produkte wie Videospiele, Spielzeug oder Kleidung tausende Arbeitsplätze – auch lange, nachdem sie abgedreht wurden. Filme wie „Star Wars“, „Herr der Ringe“ oder der „Hobbit“ sind die neuen Opern unserer Zeit, also Gesamtkunstwerke ganz im Sinne Richard Wagners. Tws

 

Zeitzeugen

John Ronald Reuel Tolkien – Die väterliche Familie des 1892 in Südafrika geborenen Autors und Oxfordprofessors für mittelalterliche Literatur stammt ursprünglich aus Niedersachsen. Vielleicht war das mit ein Grund für seine Vorliebe für nordische Mythen, aus denen sich seine Werke „Der kleine Hobbit“ (1937) und „Der Herr der Ringe“ (1954/55) speisen. Er starb 1973 in Bournemouth, während er am „Silmarillion“ schrieb, das die Mythenwelt des „Hobbits“ schildert.

Peter Jackson – Die Leidenschaft des 51-jährigen Neuseeländers für die Werke Tolkiens geht so weit, dass er wie ein Hobbit stets barfuß unterwegs ist. Seiner kompromisslosen und detailbesessenen Regiearbeit ist es zu verdanken, dass Teil 3 von „Herr der Ringe“, „Die Wiederkehr des Königs“, als erster Fantasy-Film überhaupt den Oscar als bester Film erhielt. Seine „King Kong“-Neuverfilmung von 2005 war hingegen nicht der erwartete Coup.

Donald A. Wollheim – Ohne den US-Verleger wären Tolkiens Werke heute vielleicht vergessen und gäbe es keine Verfilmungen. Als Pionier des Taschenbuchs wollte er „Herr der Ringe“ in den 60er Jahren broschiert herausbringen. Da Tolkien ihm für diese „degenerierte“ Buchform die Erlaubnis verweigerte, stellte Wollheim davon Raubdrucke her. Die billigen Bände verbreiteten sich so schnell, dass Tolkien trotz seiner schwerfälligen Prosa rasch zum Kult unter Studenten wurde.

Der Berggeist – Bei einer Reise durchs Rheinland sah Tolkien dieses Bild des deutschen Malers Josef Madlener (1881–1967). Die Figur des bärtigen Mannes inspirierte ihn zu der Figur des Zauberes Gandalf im „Kleinen Hobbit“. Auch der von Ian McKellen verkörperte Film-Gandalf ähnelt dem „Berggeist“ verblüffend.


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