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15.12.12 / »Eine Million Märtyrer« / Bruderschaftsmilizen greifen in Machtkampf in Ägypten ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

»Eine Million Märtyrer«
Bruderschaftsmilizen greifen in Machtkampf in Ägypten ein

Zum ersten Mal seit Beginn des Machtkampfes in Ägypten sind jetzt Islamisten-Milizen in Erscheinung getreten. Die Mitglieder der Muslimbruderschaft sind neben dem Militär die am besten organisierte Gruppe im Lande, auf Knopfdruck sind sie einsatz- und abrufbereit. Die Islamisten warnen, sie könnten „eine Million Märtyrer“ in den Kampf schicken. Die Bruderschaftsmilizen werden schon seit Monaten in verschiedenen entlegenen Landesteilen trainiert, manchmal sogar in getarnten „Sportclubs“ in den Großstädten. Seit dem Ausbruch der Revolution in Libyen kamen gewaltige Mengen von Waffen über die Grenze, aus denen sie sich versorgt haben. Die Muslimbruderschaft hat immer ihren „Gihaz sirri“ (Geheimer Apparat), eine getarnte Untergrundorganisation, beibehalten, die in den 1990er Jahren straff reorganisiert wurde. Diese könnte zum Anführer eines „Heiligen Krieges” gegen die liberale Opposition werden. Dass die Muslimbruderschaft jetzt dazu übergeht, mehr auf ihre eigenen Milizen zu bauen, als auf die staatlichen Sicherheitsorgane, obwohl sie ja eigentlich an der Regierung ist, lässt darauf schließen, dass sie eigentlich nicht an die Spielregeln der Demokratie glaubt, die eine Machtteilung voraussetzt.

Die Islamisten sind sich sicher, dass sie genügend Menschen zur Zustimmung zur neuen Verfassung treiben können. In den Moscheen lassen sie bereits predigen, dass eine Ablehnung das Paradies kosten könne. Die Opposition ist zerstritten. Obwohl es jetzt Anzeichen eines gemeinsamen Oppositionsbündnisses gibt, genügt die Zeit nicht mehr, um das Volk gegen die islamistische Verfassung zu organisieren. Es gibt eine Absprache zwischen der Bruderschaft und der Armeeführung, die besagt, dass die Bruderschaft freie Hand bekommt und ihr die Truppe nicht in den Arm fällt. Die Armee könnte auch das Verfassungsreferendum überwachen, nicht die zerstrittenen Richter, wie es das Gesetz vorsieht. Die Islamisten haben in ihr Grundgesetz zwar viel über Tugend und Moral geschrieben, aber wenig über die Kontrolle der Armee: Diese Rücksicht soll sich nun auszahlen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Islamisten versuchen, das Militär auszutricksen, das Ägypten fast 60 Jahre lang beherrscht hat. Durch seine wirtschaftliche Macht bildet das Militär einen Staat im Staate und könnte so auch eine Diktatur von Präsident Mohammed Mursi längere Zeit unbeschadet überstehen.

Den Muslimbrüdern genügt die Macht in der Regierung nicht mehr, sie wollen – schneller als erwartet – die Macht im Staate. In dem neuen Verfassungsentwurf heißt es, dass die obersten Religionsgelehrten des Al-Azhar-Instituts zu hören sind, wenn es um Fragen des islamischen Rechts, der Scharia, geht. Die Scharia wiederum wird in der neuen Verfassung als „wichtigste Quelle der Gesetzgebung“ bezeichnet. Der Al-Azhar soll also im neuen Ägypten eine ähnliche Rolle zufallen wie im Iran dem Obersten Wächterrat. Von einer Trennung zwischen Religion und Staat ist keine Rede mehr. Die Islamisten der Muslimbruderschaft wollen durchsetzen, dass der Islam das Land am Nil künftig auch auf der Verwaltungsebene stärker prägt. Die Verankerung einer islamischen Instanz in der Verfassung muss auf säkulare Ägypter sowie Angehörige anderer Religionen höchst bedrohlich wirken. B.B.


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