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15.12.12 / Kontroverse über den Umgang mit deutschen Spuren / Allensteins lokale Monatszeitschrift »Debata« hatte aus gegebenen Anlass zu einer hochkarätig besetzten Gesprächsrunde gebeten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Kontroverse über den Umgang mit deutschen Spuren
Allensteins lokale Monatszeitschrift »Debata« hatte aus gegebenen Anlass zu einer hochkarätig besetzten Gesprächsrunde gebeten

Unser oder nicht unser“ – unter diesem Motto stand eine von der lokalen Monatszeitschrift „Debata“ organisierte Gesprächsrunde in Allenstein. Ein unmittelbarer Auslöser dafür war eine im Allensteiner Rathaus aufgefundene Gedenktafel, die an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Rathausbeamten erinnert. Als eine Art Bodenmosaik wurde sie dort 1935 im Haupttreppenhaus dieses Gebäudes angebracht. Nach Kriegsende wurde sie, wie die Verzierung des Russen-Erkers, nicht entfernt, sondern vorläufig mit einem schlichten Fußbodenbelag zugedeckt. Neulich wurde die Tafel für eine kurze Zeit freigelegt, so dass ihr Bestehen vielleicht zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden konnte. Dabei entstand sofort eine Kontroverse darum, ob man sie renovieren oder schnellstens beseitigen soll. In einer diesbezüglichen Zeitungsumfrage plädierten die meisten Stadtbewohner dafür, dass die deutschsprachige Platte, ein Teilstück des deutschen Allenstein, restauriert und keinesfalls aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt werden darf.

Diese neue Verfahrensweise würde einer langjährigen undurchdachten Politik gegenüber dem deutschen Nachlass, als man völlig willkürlich die alteingesessenen Ortsnamen verändert hatte, widersprechen. Hierfür stehen ja unzählige Beispiele wie das von Johannisburg, Lötzen, Rastenburg oder Wartenburg. Diesen Städten wurden einst ganz unpassende Namen oktroyiert, obwohl sie eine klangmäßig ähnliche Entsprechung im Polnischen besaßen. Die Willkür jener Beamten veranschaulichte in einwandfreiem Deutsch die unter den Gästen anwesende gebürtige Schönfelderin Maria Anielska. Ihr Geburtsort bekam, im Unterschied zu den umliegenden Dörfern Deuthen, Schönbrück und Dietrichswalde, damals einen ortsfremden und traditionswidrigen Namen: Unieszewo.

Die Hauptteilnehmer einer gut angelaufenen Podiumsdiskussion waren: Bohdan Bachmura, Rafał Betkowski, Henryk Falkowski und Adam Kowalczyk von der Redaktion der „Debata“ sowie Edward Cyfus und Jan Chłosta. Sie alle gelten gemeinhin als unbestritten verdiente und zugleich gediegene Kenner der (ost-)preußischen, beziehungsweise masurischen oder ermländischen Regionalgeschichte und Kultur. In einem bislang in Allenstein seltenen Einvernehmen betonten sie die Bedeutsamkeit des deutschen Kulturguts für die heute erneut entbrannte Auseinandersetzung um die Frage nach einer nationalen, gegebenenfalls regionalen, Identität. Das Zeitalter eines totalen Verwerfens jeder deutschen Spur rund um Allenstein sei glücklicherweise schon längst passé.

Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass eine Nachvollziehung des Vergangenen völlig reibungslos verläuft. Ein lehrreiches Beispiel für diese schwierige Vergangenheitsbewältigung lieferte unlängst der vor etlichen Jahrzehnten auf eine staatliche Anordnung hin tief vergrabene Bismarck-Stein in Eichmedien unweit Sensburg. Dessen plötzliches Auftauchen löste heftige Kritik aus. Ein Versuch, ihn auf seinem früheren Platz aufzustellen, scheiterte vollends an dem Unbehagen aller Diskussionsteilnehmer, die das Polentum durch dieses Vorhaben gefährdet sehen.

Eine rein polnischorientierte Denkweise bestimme nach wie vor die Aufnahme vieler Tatsachen aus der Geschichte Polens und seiner Anrainerstaaten, so Betkowski. Dies verzerrt das wahre Bild eines Ereignisses und macht eine sachkundige Diskussion darüber unmöglich. Betkowski führte dafür ein sehr prägnantes Beispiel an. Es gebe ortsansässige Historiker und Volkskundler, welche die deutsche Sprache völlig verkannt hätten. Daher benutzen sie in ihrer Forschung ausschließlich die polnischsprachigen Quellen, die oft entweder parteiisch oder einfach unzureichend seien. Chłosta verwies dabei auf eine im kommunistischen Zeitalter oft betriebene Zwangspolitisierung rund um die sogenannten wiedergewonnenen Gebiete.

Die Forderungen der Befürworter einer vollständigen Aneignung des bis 1945 vorherrschenden deutschen Elements stießen bei den Versammelten auf allgemeine Zustimmung. Dies darf aber nicht zu dem Fehlschluss führen, dass die zuständigen Behörden diesen Forderungen künftig widerspruchslos entsprechen würden. Ein häufig stereotypes Deutschland-Bild, das nicht selten mit Ressentiments behaftet ist, sei in der Republik Polen, somit also auch in Allenstein, nicht vollständig verblasst. Einen Hauch davon hat man auch bei der diesmaligen Diskussionsrunde zu spüren bekommen. So zog Izabela Lewandowska, eine akademisch gebildete Herausgeberin eines in diesem Frühjahr erschienen Lehrbuchs für die Regionalgeschichte das Fazit, es sei noch zu früh, ehrlich und unvoreingenommen über die gemeinsame, deutsch-polnische Vergangenheit und deren ständige Präsenz in der Öffentlichkeit zu reden.

Die Übrigen äußerten jedoch einen hoffnungsvolleren Standpunkt. Sie unterstrichen die unumgängliche Notwendigkeit einer Akzeptanz für die vorgefundenen, mitunter überraschenden und oft Aufsehen erregenden Zeugen der deutschen Vergangenheit. Sie lasse sich nicht ausradieren und solle sinnvoll ins Bewusstsein der heutigen Stadtbewohner mit integriert werden. Dies sei eine Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in Europa. Diese Forderung formulierte Kowalczyk in seinem persönlichen Bekenntnis, er selbst halte sich für einen Polen, Ermländer, Preußen und Ostpreußen zugleich. Dies ermögliche ihm ferner, eine andersartige Sonderstellung im ganzen Land einzunehmen.

Zu den weniger optimistischen Statements der Anwesenden passte ein von Chłosta angeführtes Memento, auf das sich viele Aussiedler in der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Auseinandersetzung mit den Polen berufen: „Ihr habt das Ermland und Masuren und wir haben die Ermländer und Masuren.“ Grzegorz Supady


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