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15.12.12 / Klotzkorken, Schlorren und Parezkes / Entdeckung einer »Klumpenbank« weckt Erinnerungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Klotzkorken, Schlorren und Parezkes
Entdeckung einer »Klumpenbank« weckt Erinnerungen

In einem hessischen Kurort musste ein Café schließen. Bestecke, Gläser und Geschirr fanden bald Abnehmer, aber zum Schluss blieb ein seltsames Gebilde übrig, mit dem niemand etwas anzufangen wusste. Aber unser Landsmann Herbert Skroblin, der sofort erkannte, dass es sich um das Modell eines Arbeitsgerätes handelte, einer Art Schneidebank im Kleinformat. Was auf solch einer Werkbank gefertigt wird, zeigte der kleine Gegenstand auf dem Sitzbrett: ein Holzschuh. Nur nannte ihn unser Landsmann sofort so, wie er bei uns tohuus bezeichnet wurde: Klumpen! Herr Skroblin fotografierte das Modell für unsere Ostpreußische Familie und übersandte uns die Aufnahme mit einigen Erklärungen und anschließenden Fragen. Machen wir daraus gleich eine kleine Geschichte über die unterschiedlichen Fußbekleidungen, die in Ostpreußen ihre besonderen Namen hatten und in vielen Redensarten bis heute überliefert werden. Die holländischen Siedler hatten die Holzklumpen einst nach Altpreußen mitgebracht und dort wurden sie bald zur nützlichen Fußbekleidung außerhalb des Hauses. Nur zum sonntäglichen Kirchgang wurden in früheren Zeiten Lederschuhe getragen, sie waren teuer und mussten geschont werden. Ansonsten schlüpfte man in die Klotzkorken, wie die Holzschuhe genannt wurden. Oder „Klompe“ oder „Holzschlorren“, in manchen Gegenden hießen sie auch „Klötz“. Unter „Schlorren“ verstand man ausgelatschte Holzschuhe, die nicht gerade zu einem graziösen Gang verhalfen. So gab es dann oft die mütterliche Mahnung für ihre kleinen Trampel: „Schlarr’ nich so mit de Schlorre!“ Erwachsene männliche Klotzkorkenträger bekamen, wenn sie in den Krug wollten, den Ratschlag mit auf den Weg, „sich nicht die Schlorren voll zu schöppen“, also sich nicht zu viele Tulpchen Bier und Klare zu genehmigen. Wenn es doch geschah und der Heimkehrende seine Rechtfertigung nur schwer verständlich vorbrachte, stellte man fest, „dass ihm die Zung wie auf Schlorre ging!“ Und im plattdeutschen Lied vom „Fischerstand“ heißt es: „Komm’ Se mal mit inne Bütt, und schöppe Sie sich doll de Schlorre einmal voll …“ Auch im ostpreußischen Brauchtum spielten die Schlorren eine Rolle. Am Silvesterabend wurde mit dem „Schlorreschmiete“ orakelt, was das neue Jahr für den Betreffenden bringen würde. Man saß im Kreis um den Fußboden, dann warf einer nach dem anderen einen Schlorr über die Schulter. Wies der mit der Spitze zur Tür, verließ der Werfende bald das Haus, zeigte sie nach innen, blieb er noch das Jahr über daheim. Nur quer zur Türe durfte der Schlorr nicht liegen – das bedeutete Unheil oder Krankheit. So konnte der Schlorr auch einen Unbeteiligten treffen, wenn der gerade ahnungslos zur Tür hereinkam und ihn an den Kopf bekam!

Immerhin waren Schlorren schon etwas Edleres als „Parezkes“, wie man die abgeschnittenen Strumpffüßlinge nannte, die im Haus getragen wurden. Auch da gab es eine Redensart: „Wenn utem Parezke e Schlorr ward“ bedeutete, dass ein Emporkömmling hochnäsig geworden war. Die Fußbekleidung im Haus bestand aus Filzpantoffeln – Pantinen oder Pampuschen genannt – und im Winter aus Hausschuhen, meist aus Kamelhaar, für die auch die Bezeichnung „Wuschen“ üblich war. Aber diese vielen, für den Nichtostpreußen verwirrenden Bezeichnungen konnten auch untereinander ausgetauscht werden, verstanden wurden sie immer.

Doch nun zu der Entdeckung von Herrn Skroblin, der die Funktion dieser Schneidebank so erklärt: „Dort, wo auf dem Foto der Klumpen steht, sitzt ein Holzarbeiter, meist ein Klumpenmacher, hat auf der Fläche vor sich ein Holz liegen und klemmt es mit der senkrechten Vorrichtung fest, indem er sie unten mit den Füßen andrückt. Dann kann er das Schneidemesser – Zugmesser mit zwei Griffen – ansetzen, und schon fallen die Späne.“ Das gute Stück erinnert Herbert Skroblin an ein plattdeutsches Gedicht aus dem Memelland: „Klompenmoaker wär mien Voader, on sein Voader wär et ook. Datselwe wär min Urgrotvoader on mien Jung, die ward et ook. Dreeget, godet Wiedeholt on e Schettelke voll Schmolt, Schniedbänk, Messer, Soag on Boar, böske Brannwien, stark on kloar, Stöckke Speck on schwartet Brot – mehr bruuk öck nich, mi geiht et god“! Herr Skroblin würde sich freuen, wenn sich bei ihm alte Ostpreußen melden würden, die noch andere Bezeichnungen kennen für die Schneidebank – etwa „Klemmbank“ – oder das Zugmesser, das mitunter in der Mitte gebogen ist wegen der Rundung des zu bearbeitenden Holzstückes. (Herbert Skroblin, Mittelweg 2/4 in 63607 Wächtersbach, Telefon 06053/601443.) R.G.


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