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15.12.12 / Mundraub mit Folgen / Die Diebe nutzten die Gelegenheit, als die Hausherren verreist waren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Mundraub mit Folgen
Die Diebe nutzten die Gelegenheit, als die Hausherren verreist waren

Heute Abend ist es soweit“, sagte ich, als Sina den Raum betrat. „Wirklich?“ fragte sie und schaute mich mit ihren großen grünen Augen an. „Ist doch keine große Sache“, sagte ich wohl etwas großspurig. „Enrico, was du dich alles traust“. Sinas Bewunderung tat mir gut. Außerdem hatte ich alles gut geplant, wir würden ungestört sein. „Aber wenn wir erwischt werden …“, fing Sina wieder an, „… dann ist es nur Mundraub“, erwiderte ich mit Stolz auf mein juristisches Wissen. Unser Mitbewohner Johannes war Rechtsanwalt und las manchmal lustige Fälle laut vor. Da hörte ich immer gern zu, denn Bildung hat noch niemandem geschadet. Den ganzen Tag blieb ich unauffällig auf meinem Beobachtungsposten. Endlich war das Haus verlassen. Gemächlich gingen Sina und ich zur Tür, hinter der sich das Ziel unserer Wünsche verbarg. Mit einer einzigen Bewegung drückte ich schwungvoll die Klinke herunter. „Noch nicht einmal abgeschlossen“, die Menschen sind aber auch immer leichtsinnig.“ Ohne weiteres Zögern betraten wir den Raum, keiner konnte uns jetzt mehr aufhalten.

In der Badewanne schwamm ein großer Karpfen, ein Festtagsbraten sollte es werden. Er hatte keine Chance gegen uns. Morgen sollten Johannes Eltern zu Besuch kommen, damit sie Katrin kennenlernen. Katrin wohnte jetzt auch oft bei uns, und seitdem sind unsere ruhigen Fernsehabende mit Johannes vorbei. Sina und ich hatten jedoch andere Pläne.

„Attacke“, rief ich und mit einem einzigen Hieb schaffte ich es, den Fisch zu treffen, aus dem Wasser zu schleudern und dabei selbst sogar noch das Gleichgewicht zu behalten. Gemeinsam stürzten wir uns auf ihn. Es war ein Festmahl. Erschöpft schliefen wir nach der ausgiebigen Mahlzeit ein. Allerdings leisteten wir uns nur ein kleines Nickerchen. Nach unserer kleinen Ruhepause machten wir uns ans Werk: Sorgfältig entfernten wir alle essbaren Reste von den Gräten und vertilgten sie. Mühelos klappte ich den Toilettendeckel hoch. Katrin hasste das, sie behauptete, es kämen Ratten durch die Rohrleitungen. Als wenn wir in unserem Haus Ratten geduldet hätten! Aber Katrin gefiel manches nicht bei uns. Wir durften Johannes‘ Schlafzimmer nicht mehr betreten, und sie schimpfte wegen der Haare. Als wenn sie besser wäre. Johannes verdrehte nämlich jeden Morgen die Augen, wenn er ihre langen Haare aus dem Abfluss fischen musste, nachdem sie geduscht hatte.

Die kleineren Gräten spülten wir durch die Toilette. Jetzt waren nur noch der Fischkopf mit den anklagend blickenden toten Karp-fenaugen und die große Mittelgräte übrig. Damit hatten wir noch etwas besonders vor. Wir trugen die Reste aus dem Badezimmer, nachdem wir uns überzeugt hatten, dass es hier keine Spuren mehr von unserem Aufenthalt gab, und ich schaffte es, die Tür wieder zu schließen, was deutlich anspruchsvoller war, als sie zu öffnen.

Wir gingen zum Schlafzimmer und mit gleicher Leichtigkeit wie beim Badezimmer öffnete ich die Schlafzimmertür. Wehmütig starrten wir auf die linke Betthälfte, die einst die unsrige gewesen war. Aber es blieb keine Zeit für Sentimentalitäten. Gemeinsam zerrten wir die Decke zurück und platzierten die Fischreste mitten im Bett – natürlich in Katrins Hälfte! Sorgfältig richteten wir die Decke wieder. Das war richtig Schwerstarbeit, bis es wieder ordentlich aussah. Wir verließen das Schlafzimmer, schlossen die Tür, und zogen uns auf unseren gemütlichen altmodischen Fernsehsessel zurück. Dort durften wir noch sein. Noch – denn Katrin faselte bereits von einer neuen Wohnzimmereinrichtung mit Designer-Möbeln, sehr chic und sehr empfindlich. Dabei hatte sie uns mit einem gehässigen Seitenblick angesehen. Müde und ermattet schliefen wir auf unserem Sessel aneinander gekuschelt ein.

Das Auto näherte sich unserer Einfahrt, wir hörten es schon von weitem und warteten gespannt.

Johannes schloss die Haustür auf, und Katrin verschwand gleich ins Badezimmer „Diebe“, schrie sie, „deine dämlichen Katzenviecher haben den Karpfen gefressen!“ Johannes ging ins Bad, sah die leere Badewanne und die offene Toilette. Keine Spuren von einem Fisch, weder tot noch lebendig. „Vielleicht ist er ausgebrochen und in die Toilette gesprungen. Gab es sowas nicht im Film „Nemo“?“ Johannes hatte manchmal einen merkwürdigen Sinn für Humor.

Langsam räkelten wir uns und liefen in den Flur, um nachzusehen, wie es weiter ging. Katrin rannte erbost aus dem Badezimmer und warf uns einen mörderischen Blick zu. Wenn Blicke töten könnten, lägen jetzt zwei tote Katzen im Flur. Wir blieben ganz cool und folgten den beiden bis an die Schlafzimmertür, so ganz die wohlerzogenen Mitbewohner. Katrin schlug die Bettdecke zurück, sah den Fisch und schrie aus Leibeskräften. Wutentbrannt kam sie zur Tür und trat mit voller Wucht nach der völlig überraschten Sina, die durch die Luft flog. Schnell schlug ich mit weit ausgefahrenen Krallen einen tiefen Kratzer in ihr nylonbestrumpftes Bein, was sie dazu brachte, noch einen lauteren Schrei auszustoßen. Hasserfüllt starrte sie uns an und wandte sich wutentbrannt an Johannes, der fassungslos ihrem Ausbruch zuschaute. „Entweder die Katzen oder ich“, fauchte sie ihn an. Johannes war ganz ruhig und betrachtete sie, wie man ein seltenes Insekt ansieht. Dann zwinkerte er mir zu.

Am nächsten Tag gab es kein Festessen mit Johannes Eltern. Katrin hatte noch in der Nacht ihre Sachen gepackt und war Türen knallend und mit quietschenden Reifen aus unserem Leben verschwunden. Johannes hat das Bett frisch bezogen, und wir liegen auf der linken Seite. Alles ist gut. Britta Heitmann


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