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15.12.12 / Mordmotiv Lebensborn / Krimi beleuchtet NS-Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-12 vom 15. Dezember 2012

Mordmotiv Lebensborn
Krimi beleuchtet NS-Zeit

Blond wie Hitler, groß wie Goebbels und schlank wie Göring sollte die künftige „Herrenrasse“ sein – so spottete der Volksmund in den 30er Jahren über das Ziel des „reinen Ariertums“ im Dritten Reich. Der von Heinrich Himmler 1935 ins Leben gerufene Verein Lebensborn e.V. verschrieb sich diesem Ideal voll und ganz. Auf der Grundlage der nationalsozialistischen Rassenhygiene und Gesundheitsideologie beabsichtigte er, die Geburtenrate „arischer“ Kinder zu erhöhen und den Nachwuchs für Führer, Volk und Front zu sichern. Dazu richtete der Verein spezielle Heime ein, in denen von der SS ausgewählte Mütter, eheliche oder uneheliche Kinder anonym entbinden und zur Adoption an hochrangige NS-Familien freigeben konnten. Insgesamt 11000 Kinder kamen in solchen Heimen zur Welt.

Im Laufe des Krieges wurden auch Kinder aus den von Deutschland besetzten Gebieten dorthin verschleppt und aufgezogen, sofern sie die vermeintlichen Merkmale der „nordischen Rasse“ aufwiesen. Im tschechischen Dorf Lidice im Jahr 1942 etwa wurden 13 der 98 betroffenen Kinder für den Lebensborn selektiert. Die anderen kamen ins Vernichtungslager Kulmhof und wurden dort vergast.

Der Dortmunder Autor und Zahnarzt Jörg Gustmann widmet sich in seinem Krimi „Rassenwahn“ diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte. Eine ungewöhnliche Mordserie erschüttert Hamburg. Fünf Menschen, die vor 70 Jahren in Lebensbornheimen zur Welt kamen, sterben. Zwei Jahre zuvor waren alle von ihnen als Zeugen in einem Gerichtsprozess gegen zwei ehemalige SS-Angehörige aufgetreten, die sich als Massenmörder und Kriegsverbrecher schuldig gemacht hatten und lange Zeit durchs Raster gerutscht waren.

Kommissar Martin Pohlmann hat seine Schwierigkeiten mit dem Fall. Nach einer erfolglosen Burnout-Therapie in Ecuador ist er gerade erst in den Dienst zurückgekehrt. Zur Seite steht ihm sein früherer Arbeitskollege und guter Freund Werner, der ab und an zu unkonventionellen Maßnahmen greift. Die Ermittlungen führen Pohlmann in eine psychiatrische Anstalt. Das Kollegium möchte eine Gedenkfeier für Dr. Keller halten, der angeblich Selbstmord begangen hat. Dieser hielt sich Zeit seines Lebens für schuldig an einem Mord.

„Rassenwahn“ ist der Auftakt zu einer Krimi-Serie. Der spannende Gegenwartsthriller mit historischem Bezug führt den Leser in die Abgründe menschenverachtender Gesinnungen und gibt den aussterbenden Opfern eine Stimme. Einfühlsam zeichnet Gustmann seine Charaktere und behandelt aufrüttelnde psychologische Fragen: „Wie lebt ein Erwachsener mit der Tatsache, dass er adoptiert wurde und der leibliche Vater ein SS-Offizier oder gar ein Kriegsverbrecher war? Kann man jemals inneren Frieden und Versöhnung finden, wenn man von den eigenen Eltern ungewollt war und weggegeben wurde?“

Das Buch ist nichts für sanfte Gemüter – insbesondere wenn es um die medizinischen Experimente und das Euthanasieprogramm mit denjenigen Lebensborn-Kinder geht, die nicht den NS-Rassekriterien genügten. Gelegentlich scheint der Brotberuf des Autors in seiner Erzählung durch, wenn er Details zum Zahn- und Mundzustand seiner Figuren schildert.

Sophia E. Gerber

Jörg S. Gustmann: „Rassenwahn“, Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2012, kartoniert, 567 Seiten, 12,90 Euro


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