25.04.2024

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22.12.12 / Das Pony in der S-Bahn

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-12 vom 22. Dezember 2012

Das Pony in der S-Bahn
von Vera Lengsfeld

Ich glaub, mich tritt ein Pferd, ist ein berlinisches Sprichwort aus der Zeit, wo Kutschen noch die Straßen beherrschten. Der Ausruf begleitete gewöhnlich unerhörte Ereignisse, in den sagenhaften Tagen, wo man noch wusste, was sich gehörte und was nicht.

Pferde sind längst zu Streicheltieren mutiert oder zu Therapiemitteln für Schwererziehbare. Wir wissen nicht, was sich die junge Dame, 16, dachte, als sie mit ihrem Pony die Berliner S-Bahn bestieg, weil ein junger Mann sie am verabredeten Treffpunkt versetzt hatte.

Tatsache ist, sie fand Gefallen an der Grenzüberschreitung und fuhr mehrere Stunden kreuz und quer durch Berlin, ohne dass sie jemand aufhielt oder sie auf das Ungehörige ihres Tuns aufmerksam machte. Angeblich soll sie sogar ein Angestellter der S-Bahn angesprochen haben mit der Frage, ob sie auch einen Fahrschein für ihr Pferdchen habe. Als sie bejahte, hätte sie einsteigen dürfen, sagt die junge Dame, die inzwischen erst zum „You Tube“-, dann zum Medienstar avancierte.

Die Mitreisenden seien begeistert gewesen und hätten jede Menge Handyfotos gemacht. Den Vogel schoss ein junger Finne ab, der nicht nur fotografierte, sondern das Ganze filmte und auf „You Tube“ stellte. Nachdem sein Video hunderttausendmal heruntergeladen worden war, wurden die Boulevardblätter aufmerksam und schickten ihre Reporter los, um das Ponyfräulein ausfindig zu machen. Sie wurde gefunden, wie eine Heldin hofiert und durfte ausführlich berichten. Sie sei, nachdem sie eine Freundin getroffen habe, mit dem Pony auch bei McDonalds gewesen und bei H&M. Bei letzterer Station sei sie aber des Geschäfts verwiesen worden, obwohl sie geltend gemacht hätte, dass Hunde schließlich auch zugelassen seien. Kein Hinweis bei der „BZ“, dass am Verhalten der Dame etwas nicht in Ordnung gewesen sein könnte. Nur ein Spaßverderber kann auf den Gedanken kommen, dass die Regeln, in diesem Fall die Beförderungsbestimmungen, für alle da sind und eingehalten werden müssen, damit das Zusammenleben funktioniert.

Im Gegenteil, die S-Bahn, die wenig Begeisterung zeigte, wirkte wie ein Spaßmuffel. Allerdings muss den Verantwortlichen das Lachen im Hals stecken geblieben sein bei der Frage, wie ein Mädchen mit einem Pony mehrere Stunden ungehindert an so belebten Bahnhöfen wie Gesundbrunnen und Friedrichstraße ein- und aussteigen konnte, ohne dass sich jemand darum scherte. Was sagt das über die Sicherheit im S-Bahn-Verkehr?

Die Berliner reagierten wie immer mit sehr viel Humor. Einer kommentierte auf „You Tube“ treffend, sensationell sei nicht das reisende Pony gewesen, sondern dass mehrere S-Bahnen zuverlässig gefahren seien.


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