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22.12.12 / Wohin geht die Reise? / Bahn-Chef Grube erlebt nicht nur in Stuttgart schwere Zeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-12 vom 22. Dezember 2012

Wohin geht die Reise?
Bahn-Chef Grube erlebt nicht nur in Stuttgart schwere Zeiten

Rekordumsatz trotz Kostenexplosion, Putschgerüchte trotz vorzeitiger Vertragsverlängerung – bei der Deutschen Bahn weiß niemand, wohin die Reise geht. Auch Konzernchef Rüdiger Grube nicht. Kaum hatte er Rekordumsätze und -gewinne öffentlich gemacht (2011: 37,9 beziehungsweise 1,3 Milliarden Euro, 2012 und 2013 sollen es noch mehr werden), da wurden die neueste Hiobsbotschaft lanciert: Grubes Prestigeprojekt „Stuttgart 21“ wird mindestens 1,1 Milliarden Euro teuer als veranschlagt.

An die Öffentlichkeit gelangt waren die peinlichen Minuszahlen diesmal nicht aus Kreisen „unbelehrbarer Bahnhofsgegner“, sondern aus Grubes engerem Umfeld. Schon kursierten Gerüchte über eine konzerninterne Rebellion. Angeblich wackelt der Stuhl des Chefs.

Prompt sah der Aufsichtsrat der Bahn Handlungsbedarf. Grubes Vertrag, der erst Mitte 2014 ausläuft, wurde vorzeitig bis Ende 2017 verlängert. Er soll nun, so Aufsichtsratsvorsitzender Utz-Hellmuth Felcht, „die eingeleitete Modernisierung und den begonnenen Kulturwandel konsequent fortsetzen“. Zugleich wurde bekannt, dass der Bahn-Manager auch in den Verwaltungsrat des Rüstungs- und Luftfahrtkonzerns EADS einrücken soll, sobald der Bund die noch vom Daimler-Konzern gehaltenen EADS-Anteile übernommen hat. Wackelnde Stühle sehen anders aus; der Putschversuch gegen Grube, so es ihn denn gegeben haben sollte, wäre kläglich gescheitert.

Der Manager selbst sieht sich denn auch „auf dem richtigen Weg, aber noch nicht am Ziel“. Eine durchaus realistische Einschätzung: Wie immer Grube die Weichen stellt, überall warten Baustellen auf ihn.

Die voraussichtlich sechs Milliarden Euro, die der Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs verschlingen wird (statt veranschlagter 4,8 Milliarden), werden dem Bahnchef die euphorischen Gewinnprognosen verhageln. Zumal Bund, Land und Stadt unisono verkünden, dass sie sich an den Mehrkosten keinesfalls beteiligen werden.

Ungemach droht auch aus Brüssel. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas will bis 2018 „integrierte Konzerne“ wie die Deutsche Bahn zerschlagen. Bahnbetrieb und Schienennetz dürfen dann nicht mehr in einer Hand liegen. Grube will dagegen energisch ankämpfen, muss aber befürchten, dass Berlin die ihm bislang gewährte politische Unterstützung auf dem Altar europäischer Wohlgefälligkeit opfert.

Ärger macht auch die Industrie. Siemens ist mit der Lieferung von 16 neuen ICE-Zügen seit über einem Jahr in Verzug. Bombardier wartet seit drei Jahren auf die Zulassung des als „Hamsterbacke“ belächelten Nahverkehrszugs „Talent-2“. Die Bahnkunden dürfen sich derweilen in je nach Jahreszeit ungeheizten oder ungekühlten Uraltwaggons über Verspätungen, verstopfte Toiletten und steigende Fahrpreise echauffieren.

Die Hersteller reichen den Schwarzen Peter weiter an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), dieses wiederum an die Politik. Trauriges Fazit des EBA-Chefs Gerald Hörster: „Die Nerven liegen blank. Es läuft katastrophal. Im Eisenbahnsektor fehlt die politische Steuerung.“ Grubes Technik-Vorstand fand die kabarettreife Lösung: „Nur eine nicht fahrende Bahn ist eine sichere Bahn.“ Na, denn mal „gute Reise“. H.J.M.


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