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22.12.12 / Wo niemand sauber bleibt / Um den Menschen in Syrien zu helfen, müssen Hilfsorganisationen ihre eigenen Regeln brechen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-12 vom 22. Dezember 2012

Wo niemand sauber bleibt
Um den Menschen in Syrien zu helfen, müssen Hilfsorganisationen ihre eigenen Regeln brechen

Nicht nur die Gewalt und der bevorstehende Wintereinbruch behindern die Arbeit der humanitären Helfer in Syrien. Angesichts unsicherer Routen für Hilfsgüter und Helfer und des belasteten Rufes des Syrischen Roten Halbmondes arbeiten mehr und mehr Helfer islamischer Hilfsorganisationen oft sogar im Verborgenen.

Durch den Krieg in Gaza war Syrien für kurze Zeit in den Hintergrund gedrängt worden, obwohl der Bürgerkrieg dort unvermindert weiterging und sich in den letzten Monaten sogar noch verstärkt hat. Nachdem die Kämpfe um die Metropolen Homs, Damaskus und Aleppo keine klare Entscheidung gebracht haben, sondern nur unvorstellbare Zerstörungen, scheinen sich jetzt die Kämpfe auf ländliche Regionen und in die Grenzregionen zur Türkei, dem Irak und Israel zu verlagern. Das Assad-Regime setzt jetzt verstärkt auf seine Luftwaffe, der die militärische Opposition nichts entgegensetzen kann, um auch längst an die Opposition verlorene Landstriche zumindest einzuschüchtern und um zu verhindern, dass die Rebellen auf syrischem Territorium ein „befreites Territorium“ einrichten, wo sie sich fest etablieren könnten. Ohne ein sicheres eigenes Territorium können die verschiedenen Oppositionsgruppen, die in Katar wieder einen Versuch unternommen haben, eine gemeinsame politische Führung zu etablieren, keine Strukturen zur Versorgung und Betreuung ihrer eigenen Anhänger und der Bevölkerung aufbauen. So ist zum Beispiel die Versorgung der zahlreichen Schuss- und Schlagverletzungen der Demonstranten in den staatlichen Krankenhäusern verboten, erst recht natürlich die medizinische Versorgung der verletzten Rebellen, die vom Regime als Terroristen eingestuft werden.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen spricht inzwischen von 1,5 Millionen Syrern, die im eigenen Land auf der Flucht seien, und schätzt die Zahl der Hilfsbedürftigen in Syrien auf 2,5 Millionen. Die syrische Zivilbevölkerung leidet nicht nur unter den Angriffen der Luftstreitkräfte, sondern fürchtet auch den nahenden Winter. Kälte und Nässe setzen den Flüchtlingen und Bedürftigen zu, und ihre Lage verschlechtert sich.

Zu den 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen und 2,5 Millionen Notleidenden im eigenen Land hat bislang nur der Syrische Rote Halbmond (SARC) mit seinen über 10000 Freiwilligen direkten Zugang. Der SARC versorgt die Menschen mit Hilfsgütern, Nahrungsmitteln und Wasser und leistet medizinische Hilfe in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, wo die Flüchtlinge Unterkunft gefunden haben.

Viele Menschen in Syrien fliehen von einem Ort zum anderen, in der Hoffnung, Zuflucht in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden zu finden.Wo immer möglich, hilft der Syrische Rote Halbmond den betroffenen Menschen. Die Helfer evakuieren Kranke und Verwundete und leisten Nothilfe. Zusammen mit dem Internationalen Komitee von Roten Kreuz hat der Syrische Rote Halbmond seit Mitte des Jahres 2011 bereits 800000 Menschen mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Hilfsgütern versorgt, in der Stadt Homs sorgt der SARC sogar für Strom für die gesamte Stadt.

Zu einem Gegenpol zum SARC in Syrien ist das weltweit tätige Islamic-Relief-Network geworden. Taha Rashid leitet das Islamic-Relief-Netzwerk von Beirut aus. Die Hilfslieferungen werden von Freiwilligen, die über genaue Ortskenntnisse und zuverlässige Kontakte sowie ausreichend Bestechungsgelder verfügen, um die Straßensperren passieren zu können, vom Ausland nach Syrien gebracht und an Bedürftige verteilt. Diese Vorgehensweise ist eigentlich illegal, da Hilfeleistungen in Syrien von der Regierung genehmigt werden müssen. Ganz ungefährlich ist dies auch nicht; kürzlich sind acht Relief-Mitarbeiter in einem von der Regierung kontrollierten Gebiet verhaftet worden. Doch auch die Routen in den Rebellengebieten sind nicht frei befahrbar. Bei Aleppo hat eine salafistische Miliz den Helfern unlängst den Zugang zu einer Ortschaft verwehrt. Die Bewohner haben daraufhin die Miliz derart heftig bestürmt, dass diese die Durchfahrt freigab. Islamistische Milizen haben mit ihren Untaten den Volksaufstand international diskreditiert, dieser zieht aber weiterhin junge Männer an. Nicht zuletzt, weil es sich mit Waffen leichter plündern lasse, erklärte eine Vertreterin des Islamic Relief in Beirut.

Das Islamic-Relief-Netzwerk weigert sich, seine Hilfsgüter über den SARC – die einzige anerkannte nationale Hilfsgesellschaft – zu verteilen, weil man ihm vorwirft, dass es mit der Staatssicherheit zusammenarbeite und vor allem in strategisch wichtigen Regionen tätig ist und regimetreue Familien begünstige. Dennoch ist klar, dass die Misere ohne das Engagement des SARC weit größer wäre.

Der Arzt Abdulrahman Attar, der Leiter des SARC, dessen Vater den Roten Halbmond in Syrien in der französischen Mandatszeit gegründet hat, war im Sommer in Berlin und gab dort dem „Tagesspiegel“ ein Interview. In diesem behauptet er, dass die 10000 Helfer des Roten Halbmondes in Syrien nicht politisch, sondern nur im Dienst der notleidenden Bevölkerung arbeiteten. Einige der Helfer seien bei dieser Arbeit sogar getötet worden. Andere freiwillige Helfer seien verhaftet worden, weil ihnen vorgeworfen wird, mit den Mobilen Kliniken auch den Aufständischen zu helfen. „Humanitäre Hilfe macht nur Sinn, wenn sie unbewaffnet und neutral erfolgt“, sagte der Präsident des Syrischen Roten Halbmondes. Bodo Bost


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