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22.12.12 / Um Haus und Habe beraubt / Nicht immer stimmiger Roman über eine gestörte Vater-Sohn-Beziehung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-12 vom 22. Dezember 2012

Um Haus und Habe beraubt
Nicht immer stimmiger Roman über eine gestörte Vater-Sohn-Beziehung

Für seinen 2008 erschienenen Erstlingsroman wurde der in Berlin lebende Autor Patrick Findeis mit dem 3sat-Literaturpreis ausgezeichnet. Sein zweiter Roman „Wo wir uns finden“ ist ein düsteres, feinnerviges Stück über eine zerstörte Vater-Sohn-Beziehung, das dem Leser viel zumutet. Ein vermutlich psychisch erkrankter Sohn betrügt seinen Vater um Haus und Habe, wodurch der Vater nach fast 30 Jahren zum zweiten Mal um Alles gebracht wird. Am Ende bleiben zentrale Fragen zum Handlungsablauf und zur Motivation der Protagonisten offen, unter anderem, weil die Erzählung mehrfach an den Schaltstellen abgebrochen wird. Die Provinzstadt Gefrieß ist der zentrale Schauplatz, den Josef Dix, der geschädigte Vater, nie verlässt, es sei denn zum Schluss, als er, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, verschwindet. Siegfried (Siggi), sein Sohn, hatte ihn über ein Jahr zuvor durch einen heimtückischen Betrug um Haus und Habe gebracht und sich anschließend mit seiner Freundin Maria in die USA abgesetzt. Monatelang hielt sich Siggi zuletzt in der Anonymität von billigen Hotels in Los Angeles vor Maria versteckt, offenbar unfähig, sich für irgendetwas oder irgendwen zu entscheiden. So wie er zuvor sein Studium nach 20 Semestern einfach abgebrochen hat. Dann kehrt er doch noch zurück.

In der Rahmenhandlung erzählt dieser 28-jährige, mutterlos aufgewachsene Sohn, erst von seinem Vater und dann von sich selbst. Im ersten Teil beobachtet er als Ich-Erzähler seinen Vater, obwohl er gar nicht wissen kann, was der durch ihn aus der Bahn Geworfene tut. Im Kern des Geschehens rollt der Autor in einer Rückblende die verhängnisvollen Ereignisse vom Anfang der 1980er Jahre auf. Aus der Sicht eines Dritten, des „allwissenden Erzählers“, wird Licht auf die damalige Beziehung zwischen Josef Dix, einem Metallarbeiter, und dem Kindermädchen Anna, Siggis Mutter, geworfen. Im Brennpunkt aber steht ein ungleiches Freundespaar. Es sind zwei befreundete Gymnasiasten.

Siggi wächst mutterlos bei seinem vereinsamten Vater auf. Im Alter von Mitte 50 ist der vom Sohn verlassene Josef Dix ein körperlich schwer angeschlagener Frührentner. Hatte er sich jahrzehntelang nicht mehr nach einer anderen Frau umgeschaut, so verliebt er sich noch einmal in die Frau, bei der er gelegentlich als Gärtner jobbt. Theresa ist reich, aber einsam wie er selbst, so wie alle Protagonisten des Romans einsam oder krank oder beides sind. Nicht ohne Grund hat Findeis drei seiner Protagonisten Josef, Maria und Anna genannt, während Siggi aus diesem Bezug herausgefallen ist.

Ziemlich unrealistisch ist es, dass jemand wie Josef Dix, erst nach 30 Jahren, als er in einem Schreiben zufällig auf den Namen Grams stößt, herauszufinden versucht, ob diejenigen, die sein Leben zerstört haben, womöglich noch in Gefrieß leben. Er findet einen der beiden skrupellosen Freunde von einst, es geht ihm nicht gut; der andere lebt nicht mehr. Man hat den Eindruck, als sei dies ein Tribut des Autors an die in der Geschichte ansonsten nicht vorhandene ausgleichende Gerechtigkeit des Schicksals.

Dagmar Jestrzemski

Patrick Findeis: „Wo wir uns finden“, DVA, München 2012, geb., 208 Seiten, 18,99 Euro


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