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22.12.12 / Vom Salondampfer zum Flüchtlingsschiff / Anschaulich erzählte Geschichte eines Raddampfers, mit dem viel Freud aber auch Leid verknüpft wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-12 vom 22. Dezember 2012

Vom Salondampfer zum Flüchtlingsschiff
Anschaulich erzählte Geschichte eines Raddampfers, mit dem viel Freud aber auch Leid verknüpft wird

Ein biss-chen Familiengeschichte, Schifffahrtsgeschichte und Inselromantik: Das Buch „Zwischen Munkmarsch, Memel und Emden. Die Geschichte des Sylter Raddampfers ,Freya‘ 1904 bis 1966“ lässt sich nicht so einfach in die gängigen Literaturbereiche einordnen. Die Kindheitserinnerungen des Autors Hinrich-Boy Christiansen an seinen Großvater, Kapitän Carl Nicolai Christiansen, der als „Käpt’n Corl“ seemännisches Sylter Urgestein war, prägen die Geschichte.

Als Insel war Sylt abhängig von der Küstenschifffahrt. Der regelmäßige Schiffsverkehr funktionierte jedoch nur in den Sommermonaten mit Segelschiffen. 1882 wurde die Sylter Dampfschiffahrts-Gesellschaft (SDG) gegründet, und Kapitän Christiansen übernahm 1904 die „Freya“ im Linienverkehr von Munkmarsch nach Hoyerschleuse. Es war wegen des Wattenmeeres ein schwieriges Fahrtgebiet, selten konnte der direkte Weg gewählt werden, und so wurden die Überfahrten immer wieder zum Abenteuer. Ab März 1920 war Hoyer dann dänisch, was zu aufwendigeren Kontrollen führte, ansonsten lief der Seebäderverkehr wieder ungestört. Aufgrund der wachsenden Anzahl an Badegästen wurde mit dem Hindenburgdamm ein fester Anschluss für den Zugverkehr an das Festland geschaffen, der im Juni 1927 in Betrieb genommen wurde, was zur Außerdienststellung der „Freya“ und ihres Schwesterschiffs „Frisia“ führte. Der Autor war von der letzten Fahrt, die er als dreijähriger Knirps mit seinem Großvater auf der Brücke machte, so beeindruckt, dass er das Bedürfnis hatte, diesem Schiff und seiner abwechslungsreichen Lebensgeschichte ein Buch zu widmen.

Die beiden Seitenraddampfer wurden verkauft und fuhren als beliebte „himmlische“ Salondampfer „Adam“ und „Eva“ zwischen Lübeck und Travemünde. Sie erfreuten die Passagiere mit Tanzmusik, Liegestühlen an Deck und einem Marzipanladen an Bord. Die Zeit wurde überschattet durch einen schweren Unfall, bei dem ein Schiffsjunge geköpft wurde.

Unter dem Namen „Grenzland“ fand die ehemalige „Freya“ dann auf der Memel ein neues Fahrtgebiet. Mit klappbarem Schornstein, Mast und Ruderhaus passte sie unter die Memel-Brücken und wurde dort für Sonder- und Charterfahrten eingesetzt. Mit Mondscheinfahrten ab Tilsit war die „Grenzland“ der größte Binnendampfer im nördlichen Ostpreußen.

Ab Sommer 1944 wurde die „Grenzland“ dann zum Transport von Flüchtlingen und Verwundeten eingesetzt, erst entlang der Kurischen Nehrung, später dann bis ins Frische Haff und nach Pillau. Aus dieser Zeit werden die detaillierten Erinnerungen der Nichte des Reeders und eines weiteren jugendlichen Passagiers von der abenteuerlichen Flucht von Hela über Karlskrona in Schweden nach Bornholm und Kopenhagen in Dänemark dargestellt. Nach einem kurzen Intermezzo in Hamburg als Büro des Suchdienstes des Roten Kreuzes, im Verkehr Lübeck–Travemünde und als Gaststättenschiff in Emden wurde die „Grenzland“ nach Holland verkauft, wo sie 1966 sank.

Der Text wird ergänzt durch einen Bericht über die Verwechslung mit der „neuen Freya“ (Baujahr 1905, ursprünglich niederländischer Herkunft, heute noch mit Heimathafen Kiel in Betrieb), einen Kommentar des Herausgebers, einen Literatur-Anhang, ein Abbildungsverzeichnis, den Lebenslauf des Kapitäns Carl Christiansen, einen Lebenslauf des Schwesterschiffs „Frisia“ sowie des Begleitboots „Herbert“ auf der Flucht aus Ostpreußen, einen Bericht über den Nachbau der „neuen Freya“ als Bernsteinschiff und Daten vom Flugboot Dor-

nier X, das die Insel Sylt im Rahmen eines „Deutschland-Werbeflugs“ überflogen hatte. Der Autor kommt hier vom „Hölzchen zum Stöckchen“, jedes Randthema wird abgearbeitet. Das ist jedoch nicht negativ zu bewerten, denn so entsteht ein abgerundeter Schiffslebenslauf, der alle Aspekte abdeckt und durch Fußnoten und Querverweise gut dokumentiert wird. Das Buch wird durch viele Fotos, zeitgenössische Zeitungsanzeigen und Karten illustriert und ist dadurch abwechslungsreich gestaltet. Allerdings ist der Preis angesichts des Umfanges recht happig. Der Autor will ein historisches Abbild eines Schiffslebenslaufes während eines dreiviertel Jahrhunderts mit Höhen und Tiefen dokumentieren; der Herausgeber will eine einzigartige Geschichte eines maritimen technischen Denkmals der Nachwelt erhalten. Beides ist gelungen. Britta Heitmann

Rudolf Kinzinger (Hrsg.), Hinrich- Boy Christiansen: „Zwischen Munkmarsch, Memel und Emden. Die Geschichte des Sylter Raddampfers ,Freya‘ 1904 bis 1966“, Bod, Norderstedt 2012, broschiert, 84 Seiten, 19,90 Euro


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