24.04.2024

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05.01.13 / Gesetzlich oder privat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Zwei-K(l)assen:
Gesetzlich oder privat

Zwei-K(l)assen-Gesellschaft in Deutschlands Wartezimmern: Die breite Masse ist gesetzlich krankenversichert, eine Minderheit privat. Und damit privilegiert, wie die veröffentlichte Meinung gern kundtut. Mit der Realität hat das Vorurteil nur begrenzt zu tun. Die 69,6 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen machen 85,6 Prozent der Bevölkerung aus, tragen aber nur 58 Prozent der Gesundheitskosten. Neun Millionen Privatversicherte (elf Prozent der Bevölkerung) zahlen zwar nominell auch nur 11,5 Prozent in den Gesundheitskostentopf ein; hinzu kommt aber ihr häufig vertraglich vereinbarter Eigenanteil, so dass sie deutlich stärker beteiligt sind.

Die niedergelassenen Ärzte verlangen den Privaten spürbar höhere Honorare ab. Viele sagen, dass sie bei Kassenpatienten draufzahlen und nur noch dank der Privatpatienten ihre Praxis finanzieren können. Ob dies freilich das branchenübliche Jammern auf hohem Niveau rechtfertigt, ist ein anderes Thema.

Die vermeintlichen Privilegien reduzieren sich meist auf eine gewisse Bevorzugung bei Routine-terminen. Dafür büßt man, vor allem im Alter, mit höheren Beiträgen und Zuzahlungen. Unterschiede bei der medizinischen Versorgung darf es nicht geben, Wo dies dennoch geschieht, sind staatliche Aufsicht und ärztliche Standesorganisationen gefordert.

Unterm Strich ist dieses System nicht so schlecht, wie Kritiker es machen. Privatversicherte müssen akzeptieren, dass zu einem funktionierenden Gesundheitswesen auch Solidarität gehört, und Kassenpatienten müssen anerkennen, dass die Privaten das hohe Niveau unserer medizinischen Versorgung weitgehend finanzieren. Dann können wir mit zwei K(l)assen weiterhin ganz gut leben. H.J.M.

 

Zeitzeugen

Otto von Bismarck – Der „Eiserne Kanzler“ (1815–1898) wurde nicht nur als Einiger des Deutschen Reiches berühmt, sondern auch als Schöpfer des weltweit ersten staatlichen Sozialsystems. 1883 führte er die Krankenversicherung und ein Jahr später die Unfallversicherung ein; 1889 folgte die Alters- und Invaliditätsversicherung, 1891 die gesetzliche Rentenversicherung. Damit hatte der Reichskanzler die Grundlage des modernen Sozialstaates geschaffen; immer mehr Staaten folgten dem deutschen Beispiel. Freilich ließ Bismarck sich nicht nur von sozialem Edelmut leiten. Er wollte mit seinen Sozialgesetzen auch der aufstrebenden Sozialdemokratie den Wind aus den Segeln nehmen – was ihm allerdings nicht gelang.

Daniel Bahr – Der 1976 geborene FDP-Politiker leitet seit Mai 2011 das Bundesgesundheitsministerium, in dem er zuvor schon als Staatssekretär tätig war. Angesichts der derzeit guten Kassenlage der gesetzlichen Krankenkassen macht er sich für eine Rückzahlung von Beiträgen und die Abschaffung der Praxisgebühr stark. Eine Beitragssenkung hingegen lehnt er ab, damit die Kassen „nicht bei der nächsten Konjunkturdelle gleich wieder Probleme“ haben. Ansonsten gibt er sich optimistisch: „In Deutschland steht die Krankenversicherung so solide da wie nie zuvor.“

Jürgen Wasem – Der 1959 geborene Wirtschaftswissenschaftler zählt zu den profiliertesten Experten in Sachen Gesundheitspolitik. An der Universität Duisburg lehrt er Medizinmanagement. Darüber hinaus setzt er sich in Beratungsgremien, aber auch in den Medien für eine effektivere Organisation des Gesundheitswesens ein. Gesundheitsökonomie beschränkt er allerdings nicht nur auf rein kaufmännisches Denken und Handeln. Die soziale Komponente steht für ihn gleichberechtigt daneben.

Harald zur Hausen – Der 1936 geborene Medizinprofessor war 2008 der bislang letzte deutsche Gewinner des Medizin-Nobelpreises. Die Auszeichnung wurde dem langjährigen Vorsitzenden des Deutschen Krebsforschungszentrums für seine bahnbrechenden Forschungen über sogenannte humane Papillomviren zuerkannt.


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