29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.01.13 / Beklemmende Einsichten / Historiker meint, Briten waren indirekt beste Verbündete der Sowjets

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Beklemmende Einsichten
Historiker meint, Briten waren indirekt beste Verbündete der Sowjets

Die Ereignisse der Geschichte, in deren Mittelpunkt die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geteilte deutsche Hauptstadt steht, sind bekannt – im Gegensatz zu den Hintergründen. Dies macht die Studie „Berlinkrise und Mauerbau 1958 bis 1963“ deutlich. Zunächst handelt es sich um eine detailreiche, jedoch hervorragend lesbare Darstellung der politischen Vorgänge. Darüber hinaus wird eine Fülle von ebenso überraschenden wie beklemmenden Einsichten geboten.

Ausgelöst wurde die – nach der Blockade 1948/49 zweite – Berlinkrise im Herbst 1958 durch ein Ultimatum des sowjetischen Regierungschefs Nikita Chruschtschow, der eine „Freie Stadt“ West-Berlin forderte. Eigentliches Ziel war es, eine Sicherung seiner Machtposition in Europa durch Festschreibung der Grenzen, insbesondere der Oder-Neiße-Linie, und damit zusammenhängend eine Anerkennung der DDR zu erreichen. Die Krise gelangte 1961 mit dem Mauerbau – übrigens eine „einsame Entscheidung“ Chruschtschows – zu ihrem Höhepunkt und „versandete“ schließlich 1962/63. Im Ergebnis war die Kriegsgefahr durch eine Ost-West-Entspannung erheblich vermindert, die deutsche Teilung allerdings sowohl im übertragenen als auch im direkten Wortsinn zementiert.

Rolf Steininger, bis zu seiner Emeritierung 2010 Leiter des Innsbrucker Instituts für Zeitgeschichte, dürfte einer der besten Kenner der deutschen Nachkriegsgeschichte sein. Mit „Berlinkrise und Mauerbau“ legt er eine Bilanz eigener akribischer Archivarbeit sowie eine Synthese der Ergebnisse anderer einschlägiger Forschungen vor.

Adenauers zurückhaltende Reaktion auf die Vorgänge des 13. August 1961 stieß bereits damals in den eigen Reihen auf großes Unverständnis. Selbst Historiker, die dem Kanzler wohlwollend gegenüberstehen, haben an diesem Punkt nicht mit Kritik gespart. Auch Steininger konstatiert „Fehlverhalten“, die Kriegsfurcht des Kanzlers erklärt vieles, allerdings auch sein Blick auf die anstehende Bundestagswahl.

Der Autor nimmt jedoch vor allem das Verhalten der „Alliierten“ in den Blick. Anhand der Quellen kommt er dabei zu ernüchternden Ergebnissen – gemessen am nach außen aufrecht erhaltenen Ziel der deutschen Einheit: Der britische Premierminister Harold Macmillan spielte in der Berlinkrise eine äußerst traurige Rolle, er war „in vielfacher Hinsicht der beste Verbündete Chruschtschows“. Die Wiedervereinigung wollte er nicht, gemeinsam mit Außenminister Alec Douglas-Home wäre er eher bereit gewesen, die DDR anzuerkennen. Hätte Kennedy ausgerufen „Ich bin ein West-Berliner!“, so hätte das seiner Politik eher entsprochen als der tatsächlich gefallene Satz. Dass Chruschtschow eine militärische Stärkung der Bundesrepublik mit Sorge verfolgte, ist nachvollziehbar. Neu dürfte die Erkenntnis sein, dass man auch in Washington einer solchen Entwicklung ablehnend gegenüberstand, mit Blick auf die instabile Lage in Osteuropa.

Steiningers bitteres Fazit lautet, dass mit der Mauer, die diplomatisch als Niederlage der Sowjets galt, am Ende alle gut leben konnten – „mit Ausnahme der DDR-Bewohner“. Erik Lommatzsch

Rolf Steininger: „Berlinkrise und Mauerbau 1958 bis 1963“, Olzog Verlag, erweiterte Auflage, München, gebunden, 416 Seiten, 39,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren