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05.01.13 / Lehrmeisterin über die wilden Meere / »Schulschiff Deutschland«: Ansprechendes Porträt über ein Segelschiff

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-13 vom 05. Januar 2013

Lehrmeisterin über die wilden Meere
»Schulschiff Deutschland«: Ansprechendes Porträt über ein Segelschiff

Die moderne Seefahrt hat sich weit von der Segelschifffahrt fort entwickelt. Dabei ist die Ausbildung auf einem Segelschiff jahrhundertelang der Ursprung seemännischer Ausbildung gewesen. Nachdem am Anfang des 20. Jahrhunderts die Dampfer immer weiter auf dem Vormarsch waren, gab der Deutsche Schulschiff-Verein (DSV) das Vollschiff „Großherzogin Elisabeth“ in Auftrag, das 1901 vom Stapel lief. Die Nachfrage nach der Bordausbildung war so groß, dass der DSV zwei weitere Segler in Fahrt brachte. Durch den Versailler Vertrag galten nach dem Ersten Weltkrieg die beiden größeren Segelschiffe als Reparationsgut, nur die kleine „Großherzogin Elisabeth“ blieb mit ihrer Tonnage unterhalb der Abgabegrenze und segelte ab Sommer 1921 wieder mit seemännischem Nachwuchs über die Weltmeere.

Durch Finanzierungslücken und die Inflation dauerte es dann noch bis 1927, bis der DSV das Vollschiff „Schulschiff Deutschland“ in Fahrt bringen konnte. Nachdem sie die ärztlichen Untersuchungen überstanden und ein Probeklettern in der Takelage absolviert hatten, kamen im Herbst 1927 70 „Zöglinge“, wie sie genannt wurden, an Bord, um als Lehrlinge im Seemannsberuf mit dem weißen Segelschulschiff im Rahmen ihrer Ausbildung bis nach Südamerika zu segeln. „Schulschiff Deutschland“ hat mit insgesamt zwölf Überseereisen nach Westindien, Südamerika und Südafrika sowie 17 Ausbildungsreisen durch die Nord- und Ostsee nur unter Segeln und ohne Hilfsmotor eine Strecke zurückgelegt, die sieben-einhalb mal um die Erde reicht. In ausführlichen Reisebeschreibungen schildert Hans Georg Prager die Erlebnisse während der Ausbildungsreisen. Man meint, den Wind in den Segeln knattern zu hören, der Autor, der selbst auf einem Segelschiff gefahren ist, ist hier in seinem Element. Er berichtet vom harten Bordleben, vom Kampf mit den Segeln, während das Schiff sich durch die Wellen im Sturm kämpft, aber auch von Bordfesten wie Äquatortaufe, Bordmusik und exotischen Landausflügen

Aber nicht nur in der weiten Welt, sondern auch in der heimatlichen Ostsee war der „weiße Schwan der Unterweser“ zu Hause und traf bei den Tagen des „Offenen Schiffs“ in Königsberg, Sassnitz und Swinemünde auf ein begeistertes Publikum. Königsberg gilt immer noch als schwierig anzulaufender Hafen und dem Kapitän gelang damals das Meisterstück, den Seekanal ohne Schlepperhilfe in Vollzeugfahrt zu durchsegeln. Die Königsberger staunten auch über chinesische Schiffsjungen in der Schulschiff-Uniform, die als Gast-Schiffsjungen vom DSV für die chinesische Handelsflotte ausgebildet wurden. 1934 erlebten Schiff und Besatzung die Landestrauer um den verstorbenen Reichspräsidenten von Hindenburg in Danzig. Die letzte Friedensreise führte „Schulschiff Deutschland“ 1939 nach Memel und Stettin. Nach Kriegsbeginn konnte die Nordsee nicht mehr mit einem Segler befahren werden, also segelte „Schulschiff Deutschland“ wieder durch die Ostsee bis zum deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941. Nach Einbau einer Minenschutzanlage wurde die Ausbildung ab 1943 in der Ostsee wieder aufgenommen, 1944 nutzte der Kapitän bei dem Besuch im bereits geräumten Hafen von Memel die Gelegenheit, sich am vorhandenen Proviant und anderen knappen Gütern zu bedienen, bevor die Russen einmarschierten. Im September 1944 hatte das Schiff seinen Exil-Heimathafen Lübeck wieder erreicht und weckte nach Kriegsende wieder das Begehren der Alliierten. Nur durch sehr raffinierte Verwendungen, beispielsweise in einer Nacht- und Nebelaktion als Lazarettschiff, als Wohnschiff für Minenräumpersonal und Jugendherberge entging „Schulschiff Deutschland“ der Beschlagnahme.

Nach dem Krieg wurde wieder seemännischer Nachwuchs ausgebildet. Eine unsichere Zeit über die weitere Verwendung brach an, zumal eine aufwendige Sanierung notwendig war. „Schulschiff Deutschland“ wurde Museumsschiff, das 1996 seine Wiederauferstehung mit einer Paradefahrt und dem ZDF-Sonntagskonzert an Bord feierte und von 100000 Menschen am Ufer bejubelt wurde.

Noch immer wecken große Segelschiffe Emotionen, sie verkörpern zeitlos gültige seemännische Werte und faszinieren die Menschen. Mit seiner nun überarbeiteten Fassung seines erstmals 2000 erschienen Buches hat Prager dem „Schulschiff Deutschland“ ein Denkmal gesetzt. Er berichtet aber auch von anderen Segelschulschiffen.

Das Buch ist reich bebildert, und durch Zitate von Joseph Conrad kommen philosophische Betrachtungen über das Leben und die See auf. Prager lässt Zeitzeugen mit ihren Tagebuchberichten zu Wort kommen, seine Schilderungen sind authentisch und spannend geschrieben. So taucht der Leser gern hautnah in das Bordleben ein. Britta Heitmann

Hans Georg Prager: „Schulschiff Deutschland – Weißer Schwan der Unterweser“, Verlag H. M. Hauschild, Bremen, gebunden, 168 Seiten, 27,50 Euro


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