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12.01.13 / Gemeinsame Basis bröckelt / Seehofer für die CSU und somit für Bayern? Nicht nur die FDP macht mit Personalquerelen Schlagzeilen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Gemeinsame Basis bröckelt
Seehofer für die CSU und somit für Bayern? Nicht nur die FDP macht mit Personalquerelen Schlagzeilen

Die CSU und ihr Chef Horst Seehofer drohen mit dem Hintern einzureißen, was sie seit 2008 mit den Händen aufgebaut haben – und das ausgerechnet zu Beginn des entscheidenden Wahljahrs 2013, denn neben der Bundestagswahl steht im September ja auch die bayerische Landtagswahl an.

Die Ausgangslage könnten sich Wahlkämpfer kaum besser erträumen: Bayern ist – zweifellos auch wegen der jahrzehntelangen guten CSU-Politik – das allseits beneidete führende Land in Deutschland: Staatsfinanzen, Wirtschaftsentwicklung, Schulen, Universitäten, Innere Sicherheit – auf allen Gebieten trägt Bayern stolz die Note Eins mit Stern. Sogar als Regierungspartei im Bund kann die CSU darauf verweisen, das Land bisher einigermaßen unbeschadet durch die Krise manövriert zu haben. Die deutsche Entwicklung bei Wirtschaft und Arbeitsmarkt wird ebenfalls europaweit beneidet. Noch im Dezember deuteten Umfragen auf eine vor wenigen Jahren kaum noch für möglich gehaltene absolute Mehrheit hin, 48 oder 49 Prozent standen da für die CSU zu Buche, derzeit sind es 41 Prozent.

Doch anschwellender interner Zank und massiver Unmut in der zweiten Reihe über Seehofers Sprunghaftigkeit und seine öffentlichen Lästereien verdüstern das Bild. Ausgerechnet bei der Presse-Weih-nachtsfeier der CSU-Landesleitung hatte Seehofer dem bayerischen Finanzminister und Nürnberger CSU-Bezirkschef Markus Söder – selbst durchaus für sprunghafte Polit-Eskapaden bekannt – vorgeworfen, der habe „charakterliche Schwächen“, sei „vom Ehrgeiz zerfressen“ und sondere häufig „Schmutzeleien“, also üble Nachrede, über Parteifreunde ab. Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und Ex-Verteidigungsminister zu Karl-Theodor zu Guttenberg bekamen ihr Fett weg.

Daraufhin strafte die CSU-Landtagsfraktion den Ministerpräsidenten ab, indem sie Söder im Plenum demonstrativ langanhaltend applaudierte – in Seehofers Abwesenheit. An solchen Zeichen erkennt man, wie stark es rumort in der Partei, und dass die CSU-Führung Seehofer im Kern immer noch wegen seiner Unberechenbarkeit misstraut. Hintergrund ist die von Seehofer offensichtlich favorisierte Nachfolgeregelung: Er will Bundesagrarministerin Ilse Aigner in seine Fußstapfen locken. Sie, gleichzeitig Vorsitzende des mächtigen CSU-Bezirks Oberbayern, der bei der Landtagswahl eine Schlüsselrolle spielen wird, hat bereits ihren Wechsel in die Landespolitik angekündigt. Seitdem gilt sie als unerklärte Kronprinzessin nach dem Willen Seehofers – natürlich sehr zum Missfallen Söders und eines großen Teils der Landtagsfraktion, die immer noch als Herzkammer der CSU gilt. Denn aus Sicht der Fraktion ist Aigner ein Fremdkörper, den Seehofer ihr vor die Nase setzt.

Öffentliche Lästereien des Vorsitzenden über Mitstreiter – das mag eventuell der SPD oder den Grünen weniger schaden, denn dort sind Zank und Flügelschlagen seit jeher Teil der Parteikultur. Aber die Kernklientel der CSU ist eben doch konservativ, sie mag keinen internen Streit. Eines der Erfolgsgeheimnisse dieser erfolgreichsten Volkspartei Europas ist ihre legendäre Geschlossenheit – und genau diese versuchte man, bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Wildbad Kreuth nahe des Tegernsees wieder zu demonstrieren. Generalsekretär Alexander Dobrindt, selbst spätestens seit der Affäre um den ZDF-Anruf des Parteisprechers Strepp nur noch geduldet, nahm die aus Seehofers Sicht pflegeleichte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt demonstrativ in den Arm, woraufhin beide auch noch mit Seehofer kuschelten. Harmonie für die Kameras.

Also hat die CSU die Gefahr erkannt, die aus der öffentlichen Wahrnehmung von Seehofers unkontrollierbaren Läster-Ausbrüchen entstehen kann. Gleichzeitig betonte Seehofer, er werde von seinen Aussagen nichts zurücknehmen, denn auch er werde ständig Ziel von Intrigen und übler Nachrede – allerdings im Hinterzimmer oder in Hintergrundgesprächen, wogegen er, Seehofer, eben alles offen ausspreche.

Diese Dinge sind küchenpsychologisch durchaus erklärbar. Seehofer sieht sich als einer, der sich aus einfachsten Verhältnissen kraft eigenen Fleißes bis ganz nach oben gearbeitet hat. Seine Untergebenen – Stellvertreter, Minister, Ex-Nachfolger in spe – die er vor Weihnachten so eruptiv abwatschte, können sich im Gegensatz zu ihm mit Doktortiteln schmücken, er nicht. Er war nie Teil einer politischen Clique, war nie ausgesprochen ein Stoiber- oder Waigel-Mann, sondern arbeitete immer auf eigene Rechnung. Die „FAZ“ nennt ihn einen „Solitär der deutschen Politik“, andere nennen ihn einen Ego-Shooter.

Dass die CSU nach dem Wahldebakel von 2008 auf ihn unbedingt angewiesen war und er es in Selbstsicht quasi allein schaffte, die CSU in ruhigeres und erfolgreicheres Fahrwasser zu bringen, führt dann zu einer derartigen Genugtuung, dass er all die hochdekorierten Chargen öffentlich vorführt.

Doch diese verbale Selbstbefriedigung auf Kosten der eigenen zweiten Reihe ist ein gefährliches Spiel, wissen wir seit Macchiavelli: Wenn der Potentat zu denjenigen, auf denen seine Macht gründet, illoyal ist, gerät seine eigene Macht ins Wanken. Das musste schon Edmund Stoiber erfahren, 2007 – an selber Stelle, in Kreuth. Und wie der Wähler auf die Keilereien reagiert, wird man sehen. Anton Heinrich


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