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12.01.13 / Linker Adel / Globalisierungskritik schon vor 170 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Linker Adel
Globalisierungskritik schon vor 170 Jahren

Ein gewisser G. Suederus ließ 1844, dem Jahr des schlesischen Weberaufstands, in Charlottenburg ein Büchlein mit dem Titel „Industrialismus und Armut“ veröffentlichen. Die pamphletartige Schrift enthielt eine bittere Anklage gegen die industrielle Produktionsweise und ihre verderblichen Folgen wie eine massenhafte Verarmung, genannt Pauperismus. Eine mühsam zurückgehaltene Empörung klingt in jeder Zeile mit.

Hinter dem Pseudonym G. Suederus verbarg sich Friedmund von Arnim (1815–83), der dritte Sohn des Dichterpaares Bettine (1785–1859) und Achim von Arnim (1781–1831). Friedmund von Arnim wurde auf dem Gut Wipersdorf südöstlich Jüterbog geboren und war selbst Besitzer von Gut Blankensee in der Uckermark. Aus der veröffentlichten Korrespondenz mit seiner sozial engagierten, verwitweten Mutter geht hervor, dass er ihre Weltanschauung voll und ganz teilte.

Bettine von Arnim stand den Frühsozialisten nahe. In ihren Briefen und Büchern prangerte sie die Zustände in den Fabriken an und verurteilte die Geldgier der Unternehmer, denen das Wohl der von ihnen abhängigen Arbeiter gleichgültig sei. Man erkennt in der Schrift von 1844 ihre eigenen Auffassungen wieder, wenn sie ihrem Sohn Friedmund nicht sogar Satz für Satz in die Feder diktiert hat. Beide wählten wohl die Anonymität, da sie Folgemaßnahmen durch die preußischen Behörden fürchteten. Schon der leiseste Verdacht der Unruhestiftung konnte Anlass für eine Vernehmung oder Verhaftung sein.

1951, über ein Jahrhundert später, wurde postum ein kleines Buch der Schriftstellerin Ricarda Huch (1864–1947) mit dem Titel „Männer und Mächte um 1848“ veröffentlicht. Darin findet sich eine Zusammenfassung wesentlicher Gedanken aus „Industrialismus und Armut“, die eine große Sympathie für den Inhalt dieser Schrift erkennen lässt. In unserer heutigen Zeit liest sich manches davon wie eine Vision von der Globalisierung:

„Das System des Industrialismus ist die Frucht einseitig nationaler Selbstsucht, denn das Volk, das sich ihm hingibt, möchte die ganze Erde zum Markt haben, um seine Produktion abzusetzen. Auch ist der Industrialismus darauf angewiesen, fortwährend neue Bedürfnisse zu erzeugen, damit er arbeiten und verkaufen kann. Im hitzigen Wettbewerb werden die Menschen zu unendlicher Begehrlichkeit aufgestachelt. Auch die Wissenschaft tritt in den Dienst der Industrie. Es liegt ein tiefer Sinn in der alten Sage, dass diejenigen, die die Natur beherrschen wollen, sich zuvor dem Bösen ergeben müssen. Über die Gesellschaft, wie sie durch den Industrialismus geworden ist, wird ein vernichtendes Urteil gesprochen; sie ist auf dem Elend der unteren Klassen aufgebaut.“ Dagmar Jestrzemski


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