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12.01.13 / Vater von Nivea, Labello und Leukoplast / Der gebürtige Oberschlesier und Jude Oscar Troplowitz machte Beiersdorf groß und zum sozialen Musterbetrieb

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Vater von Nivea, Labello und Leukoplast
Der gebürtige Oberschlesier und Jude Oscar Troplowitz machte Beiersdorf groß und zum sozialen Musterbetrieb

Abgesehen von seiner Bedeutung für das Hamburger Unternehmen Beiersdorf und dessen Mitarbeiter engagierte sich der linksliberale Jude preußischer Herkunft auch als Bürgerschaftsabgeordneter und Kunstmäzen für seine Mitbürger. Vor 150 Jahren kam der in Hamburg gestorbene Unternehmer in Oberschlesien zur Welt.

Wie die Philosophie reizte auch die Kunst den am 18. Januar 1863 in Gleiwitz geborenen Oscar Troplowitz. Und so wollte der Sohn des Baumeisters Simon Ludwig (Louis) Troplowitz und dessen aus Lissa stammender Ehefrau Agnes Makiewicz denn auch Architektur studieren. Der Vater hatte jedoch andere Pläne, denen sich der Sohn beugte. Zwischenzeitlich mit seinen Eltern von Gleiwitz in Schlesiens Hauptstadt nach Breslau umgezogen, beendete Oscar seine Schulausbildung am dortigen Maria-Magdalenen-Gymnasium mit der Mittleren Reife, um bei einem Onkel mütterlicherseits, dem späteren Hofrat Gustav Mankiewicz, das Apothekerhandwerk zu lernen. Der dreijährigen Lehrzeit folgten Gehilfenjahre in Berlin und Posen. 1888 promovierte er in Heidelberg zum Doktor der Philosophie und Magister der freien Künste.

Durch eine Anzeige erfuhr Troplowitz, dass Paul Carl Beiersdorf als Folge des Selbstmordes seines Sohnes Carl Albert sein in Altona gelegenes kleines pharmazeutisches Unternehmen zum Kauf anbot. Troplowitz griff zu und übernahm 1890 mit geliehenem Geld den damals gerade elf Mitarbeiter zählenden Betrieb. Unter der neuen Leitung erfolgte eine bemerkenswerte Expansion der „Fabrik dermotherapeutischer Präparate“, so dass der Mitarbeiterstamm sich innerhalb weniger Jahre auf 500 erhöhte.

Troplowitz verlegte das Unternehmen vom preußischen Altona nach Hamburg-Eimsbüttel. 1892 errichtete er dort auf einem damals 1200 Quadratmeter großen Grundstück an der heutigen Unnastraße eine neue Firmenzentrale samt Fertigungsräumen. Das war eine wegweisende Entscheidung, befindet sich dort doch noch heute der Hauptsitz des Unternehmens.

Troplowitz’ Erfolg hat sicherlich eine Vielzahl von Ursachen. Eine liegt in der Produktpalette. Dem Juden gelang es, führende jüdische Naturwissenschaftler für eine Mitarbeit zu gewinnen. Die bereits vom Vorbesitzer Paul Carl Beiersdorf begonnene Zusammenarbeit mit Paul Gerson Unna, der als Nestor der deutschen Dermatologie gilt, wurde von Troplowitz fortgesetzt. Auf Unnas Empfehlung hin gewann Troplowitz den Berliner Chemiker Isaac Lifschütz für eine Mitarbeit, den Erfinder des Emulgators Eucerit, mit dessen Hilfe es möglich war, Vaseline und Wasser zu einer stabilen Emulsion zu verbinden. Lifschütz’ Patent für das „Verfahren zur Herstellung stark wasseraufnahmefähiger Salbengrundlagen“ erwarb Troplowitz 1911 mit dem Kauf der Eucerinfabrik „Hegeler & Brünings AG“ in Aumund bei Bremen. Damit im Besitz der Basis für eine bisher fehlende Hautcreme begann Troplowitz mit der Entwicklung einer derartigen Creme, die außer dem Emulgator Eucerit zur Verbindung der zarten Öle mit Wasser Glyzerin, ein wenig Zitronensäure sowie zur feinen Parfümierung Rosen- und Maiglöckchenöl enthielt. Als Produktnamen für die schneeweiße Creme wählte Troplowitz „Nivea“ (die Schneeweiße), die weibliche Form des lateinischen Wortes „niveus“ (Schnee, schneeweiß, schneebedeckt). Nivea ist bis heute das Hauptprodukt und die Hauptmarke von Beiersdorf.

Bereits ein Jahrzehnt zuvor hatte Troplowitz das Zinkoxid-Kautschuk-Pflaster Leukoplast eingeführt. Auch hier wurde bei der Namensgebung wieder auf die Antike zurückgegriffen. „Leukos“ ist das griechische Wort für weiß und „emplastrum“ das lateinische für Verband. Ebenfalls damals innovativ und bis heute ein Erfolg ist der Lippenpflegestift Labello. „Labium“ ist das lateinische Wort für Lippe und „bellus“ jenes für schön. Erstmals wurde bei diesem Mittel für schöne Lippen das sogenannte Drehhülsen-Gehäuse verwendet, das wohl jeder Angehörige unseres Kulturkreises von Lippenstiften kennt. Wenn auch nicht die heutigen Tesa-Produkte, so wurde doch wenigstens der Name „Tesa“ ebenfalls unter Troplowitz’ Regie entwickelt. Elsa Tesmer, die bis zu ihrer Hochzeit 1908 als Kontoristin beziehungsweise Leiterin der Schreibstube bei Beiersdorf beschäftigt war, schuf den Namen 1906 aus dem Anfang ihres Nach- und dem Ende ihres Vornamens.

Und damit sind wir bei einem weiteren Grund für Troplowitz’ Erfolg: die Vermarktung. Innovative Produkte hatte Beiersdorf auch schon zu Zeiten von Paul Carl Beiersdorf angeboten, doch hatte dieser geglaubt, dass sich Qualität schon von alleine durch Mund-zu-Mund-Propaganda durchsetzen werde. Da arbeitete Troplowitz ganz anders, wobei ihm sein Kunstinteresse entgegen kam. Troplowitz engagierte die führende Berliner Agentur Hollerbaum & Schmidt für die Werbung. Die Plakatkunst von Lucian Bernhard und Hans Rudi Erdt stellte die Weichen für das heute noch gültige Markendesign von Beiersdorf. Wer sich für diese Werbemaßnahmen sowie den darüber hinausgehenden Dialog des Unternehmers mit den bildenden und angewandten Künsten interessiert, der sollte den Besuch der Ausstellung „Ein Leben für Hamburg. Oscar Troplowitz“ erwägen, die vom 18. Januar bis zum 30. Juni in der Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall am Hauptbahnhof, 20095 Hamburg, Telefon (040) 428131200, Fax (040) 428543409, E-Mail: info@hamburger-kunsthalle.de, zu sehen sein wird. Die Troplowitz-Ausstellung wird in Kooperation mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg sowie dem Museum für Hamburgische Geschichte gezeigt. Die Exponate stammen aus diesen Häusern sowie aus dem Bestand der Hamburger Kunsthalle, dem Firmenarchiv der Beiersdorf AG, dem Staatsarchiv Hamburg und aus Privatbesitz.

Als letzter Grund für Troplowitz’ Erfolg sei das gute Betriebsklima bei Beiersdorf genannt, das auf vorbildlichen Sozialleistungen beruhte. Früher als bei den meisten anderen Unternehmen gab es bei Beiersdorf kostenloses Mittagessen, eine Art Betriebskindergarten, Mutterschutz, 48-Stunden-Woche, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine Betriebsrente. Die Mitarbeiterschaft dankte Troplowitz diese Sozialleistungen mit großer Loyalität: Von der Übernahme von Beiersdorf durch Oscar Troplowitz bis zu dessen überraschendem Tod durch Gehirnschlag am 27. April 1918 hat ein einziger Beschäftigter des Unternehmens gekündigt. Manuel Ruoff


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