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12.01.13 / Der erste walisische und der letzte liberale Premier / Vor 150 Jahren wurde David Lloyd George, Großbritanniens Regierungschef von 1916 bis 1922, geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Der erste walisische und der letzte liberale Premier
Vor 150 Jahren wurde David Lloyd George, Großbritanniens Regierungschef von 1916 bis 1922, geboren

Wer sich mit der Frage der Schuld am Ersten Weltkrieg beschäftigt, kommt um David Lloyd George nicht herum. Wenn sich politisch überkorrekte Historiker oder Geschichtspolitiker nicht mit der These der deutschen Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg begnügen, sondern Deutschland auch die Alleinschuld am Ersten in die Schuhe schieben wollen, bietet es sich immer wieder an, auf ihn zu verweisen mit seinem berühmten Wort: „Keiner der führenden Männer dieser Zeit hat den Krieg tatsächlich gewollt, Sie glitten gewissermaßen hinein, oder besser, sie taumelten oder stolperten hinein, vielleicht aus Torheit.“

Auch andere Zitate Lloyd Georges sind erwähnenswert. Beispielsweise dieses: „Man mag Deutschland seiner Kolonien berauben, seine Rüstung auf eine bloße Polizeitruppe und seine Flotte auf die Stärke einer Macht fünften Ranges herabdrücken. Dennoch wird Deutschland zuletzt, wenn es das Gefühl hat, dass es im Frieden von 1919 ungerecht behandelt worden ist, Mittel finden, um seine Überwinder zur Rückerstattung zu zwingen … Um Vergütung zu erreichen, mögen unsere Bedingungen streng, sie mögen hart und sogar rück-sichtslos sein, aber zugleich können sie so gerecht sein, dass das Land, dem wir sie auferlegen, in seinem Innern fühlt, es habe kein Recht sich zu beklagen. Aber Ungerechtigkeit und Anmaßung, in der Stunde des Triumphs zur Schau getragen, werden niemals vergessen noch vergeben werden … Ich kann mir keinen stärkeren Grund für einen künftigen Krieg denken, als dass das deutsche Volk, das sich sicherlich als einer der kraftvollsten und mächtigsten Stämme der Welt erwiesen hat, von einer Zahl kleinerer Staaten umgeben wäre, von denen manche niemals vorher eine standfeste Regierung für sich aufzurichten fähig waren, von denen aber jeder große Mengen von Deutschen enthielte, die nach Wiedervereinigung mit ihrem Heimatland begehrten.“

So war der Brite nach dem Ersten Weltkrieg und dem Rückzug der USA in den Isolationismus bei der Behandlung des Kriegsverlierers Deutschland sozusagen der „good cop“ (guter Bulle) neben dem französischen „bad cop“ (böser Bulle) Georges Clemenceau.

Wenn es auch verständlich ist, dass in Deutschland Lloyd George vornehmlich als Regierungschef des Kriegsgegners und dann Kriegssiegers England wahrgenommen wurde, so beschränkt sich seine Rolle doch nicht darauf. Der erste Regierungschef des Vereinigten Königreiches, der aus Wales kam, und der letzte, den die Liberalen gestellt haben, bevor sie als Gegenspieler der konservativen Torys von Labour abgelöst wurden, wurde vor 150 Jahren, am 17. Januar 1863, geboren. Die Wiege des Volksschuldirektorsohnes stand zwar im englischen Manchester, aber nach dem frühen Tod seines Vaters zog er mit seiner Mutter zu deren Bruder nach Wales, wo er aufwuchs. Dieser Bruder hieß Richard Lloyd und aus Verehrung für ihn fügte David George seinem Namen den Zusatz Lloyd hinzu.

Nach einer juristischen Ausbildung und der Heirat mit Margaret Owen wurde David Lloyd George 1890 im walisischen Wahlkreis Caernarfon erstmals als Abgeordneter ins Unterhaus gewählt, dem er bis zu seinem Lebensende angehörte. Der aus dem traditionell vom englischen London benachteiligten Wales stammende Parlamentarier orientierte sich eher links. Er gehörte der innerhalb des britischen Zweiparteiensystems linken Liberal Party und innerhalb dieser Partei dem linken Flügel an. Er setzte sich für das Selbstbestimmungsrecht der Waliser ein, wie er sich später auch für das Selbstbestimmungsrecht der Iren und der Araber in Syrien einsetzte. Und er wandte sich entsprechend seinem damaligen pazifistischen Selbstverständnis gegen den Burenkrieg.

Als 1905 in Großbritannien die konservative durch eine liberale Regierung abgelöst wurde, übernahm Lloyd George das Handelsministerium. Und als 1908 Premierminister Henry Campbell-Bannerman starb und der Schatzkanzler Herbert Henry Asquith nachrückte, wurde Lloyd George Asquiths Nachfolger und übernahm damit das zweitwichtigste Regierungsamt, ist der Chancellor of the Exchequer doch sowohl für die Finanzen als auch für die Wirtschaft zuständig. In dieser Eigenschaft führte Lloyd George in Großbritannien ein Sozialversicherungssystem nach Bismarckschem Vorbild mit Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung ein.

Nachdem der vormalige Burenkrieggegner bereits 1911 in seiner sogenannten Mansion-House-Rede deutlich gemacht hatte, dass Krieg für ihn kein Tabu (mehr) war, sah er denn auch in der Kriegserklärung seiner Regierung an Deutschland 1914 keinen Grund, sich davon wie diverse andere Minister durch

Rück­tritt zu distanzieren. Vielmehr betrieb er die Gründung eines Kriegspropagandabüros (War Propaganda Bureau, WPB), wurde 1915 Munitions- und 1916 gar Kriegsminister.

Mit Unterstützung der Konservativen stürzte Lloyd George 1916 seinen Parteifreund Asquith. Das brachte ihm zwar das Ministerpräsidentenamt ein, seiner Partei aber eine Spaltung in Befürworter und Gegner von Asquiths Sturz, von der sie sich nie mehr erholen sollte.

Wenn Adolf Hitler rund zwei Jahrzehnte später seiner Freude darüber Ausdruck gab, in seinem Berghof mit Lloyd George „den Mann getroffen zu haben, der den Krieg gewonnen hatte“, dann geschah das nicht grundlos. Entschlossen zum Sieg, schuf der Liberale nicht zuletzt mit seiner Wirtschaftspolitik, zu der weitere Zugeständnisse an die Arbeiterschaft und die inzwischen gegründete Labour Party gehörten, dafür entscheidende Voraussetzungen.

Ähnlich wie Winston Churchill, der auch in einem Weltkrieg Premier wurde, war auch Lloyd George als Kriegspremier erfolgreicher denn in der Nachkriegszeit. Mit der Teilung Irlands gelang ihm zwar noch 1921 eine zumindest vorläufige Lösung der Irlandfrage, doch entfremdete ihn diese Lösung von seinem konservativen Koalitionspartner. Hinzu kamen Differenzen in der Wirtschaftspolitik sowie schließlich seine Orientpolitik, zu der eine Unterstützung der Araber in Syrien gegen Frankreich und der Griechen gegen die von Frankreich unterstützte Türkei gehörte. Die Konservativen, die ihm 1916 in den Sattel gehoben hatten, entzogen dem liberalen Premier 1922 ihr Vertrauen. Sie ersetzten ihn mit Andrew Bonar Law durch einen der ihren.

Lloyd George erlangte danach keine politische Bedeutung mehr, gehörte aber weiterhin dem Unterhaus an. Wenige Monate vor seinem Tod wurde er Earl Lloyd-George of Dwyfor. Sollte diese Erhebung in den erblichen Adelsstand einschließlich Oberhaussitz tatsächlich erfolgt sein, um ihm den nach dem Kriegsende anstehenden Unterhauswahlkampf zu ersparen, war sie unnötig. Denn noch vor Kriegsende und Unterhauswahl, am 26. März 1945, starb der Waliser im walisischen Llanystumdwy, Caernarfonshire. Manuel Ruoff


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