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12.01.13 / Die letzten Heiden Europas / Aufschlussreiches Buch über die Geschichte und Kultur der Prußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Die letzten Heiden Europas
Aufschlussreiches Buch über die Geschichte und Kultur der Prußen

Zwischen Weichsel und Minge siedelten sich ab 2500 v. Chr. die indogermanischen Vorfahren der Prußen (nicht Pruzzen) an, welche gemeinhin als die Ureinwohner Ostpreußens gelten. Die Einwanderer hatten vorher vermutlich in den Steppen nördlich des Schwarzen Meeres gelebt und gehörten zur baltischen Sprachfamilie. 3000 Jahre später kam es dann im Zuge der Völkerwanderung beziehungsweise des Vordringens der Slawen zu einer Aufspaltung der Prußen in zwölf verschiedene Stämme. Diese traten zu Beginn des 13. Jahrhunderts in die „große“ Geschichte ein, als verschiedene Protagonisten, allen voran Herzog Konrad von Masowien, auf ihren Lebensraum an der Ostseeküste zu reflektieren begannen.

Was dann geschah, schildert Beate Szillis-Kappelhoff, eine pensionierte Lehrerin mit ostpreußischen Wurzeln, wobei sich ihre Darstellung weniger an Fachleute als an interessierte Laien wendet: Die friedlichen und heimatverbundenen Prußen, welche im Übrigen einer Naturreligion ähnlich dem japanischen Shintoismus anhingen, wurden unversehens zu den „letzten Heiden Europas“ erklärt, was dazu berechtigte, offizielle Kreuzzüge gegen sie zu initiieren. Diese Kreuzzüge veranstaltete der Deutsche Orden, der von Konrad von Masowien 1226 zu Hilfe gerufen wurde und dessen Vorgehen von Kaiser Fried-rich II. in der Goldenen Bulle von Rimini sanktioniert worden war. Es folgten die Zwangschristianisierung und sukzessive Enteignung sowie Unterjochung der Prußen. Dazu benötigten die Ritter des Deutschen Ordens freilich ein Riesenheer von bis zu 60000 Mann und geschlagene 57 Jahre Zeit, denn erst 1283 gaben sich die letzten prußischen Aufständischen, die Sudauer unter ihrem Anführer Skomant, geschlagen und akzeptierten die Taufe. Im Verlaufe der Kämpfe und der nachfolgenden Umsiedlungen kamen etwa 20 bis 50 Prozent der prußischen Bevölkerung um. Das ist ein dramatischer Blutzoll, bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die verschiedentlich behauptete völlige Ausrottung niemals stattgefunden hat.

Nichtsdestoweniger freilich wurden die Prußen nach Kräften diskriminiert und ihrer kulturellen Identität beraubt. Was diese ausgemacht hat, rekonstruiert Szillis-Kappelhoff ebenfalls, wobei sie sich besonders auf Sprache, Schrift, Musik, Religion und Brauchtum konzentriert. Das hier noch etwas überdauern konnte, lag nicht zuletzt an der Politikwende unter Friedrich Wilhelm I., welche von Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm III. fortgesetzt wurde: Unter diesen drei Herrschern erlangten die Prußen nach und nach den Status gleichberechtigter preußischer Untertanen, was den Assimilierungsdruck spürbar abmilderte. Dennoch aber dauerte es noch bis zum Jahre 2002, ehe sich ein Staat dazu bereitfand, die Prußen als autonome ethnische Gruppe anzuerkennen und ihre alte „heidnische“ Religion den anderen Bekenntnissen im Lande gleichzustellen. Dieser Staat ist die Republik Litauen. Dahingegen haben alle deutschen Regierungen das Ansinnen der Nachkommen der Prußen zurückgewiesen, diese als eigenständige Minderheit zu behandeln. Das hierbei gebetsmühlenartig vorgebrachte Argument lautet: Die heutigen Prußen hätten ja keine eigene gemeinsame Sprache mehr. Mit diesem Verweis endet das lesenswerte Werk.

Wolfgang Kaufmann

Beate Szillis-Kappelhoff: „Prußen – Die ersten Preußen. Geschichte und Kultur eines untergegangenen Volkes“, Bublies-Verlag, Beltheim-Schnellbach 2012, gebunden, 358 Seiten, 19,80 Euro


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