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12.01.13 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Neger raus! / Wie Wörter richtig böse werden, wie bunt es am neuen Berliner Flughafen zugeht, und warum uns Van Rompuys Zuversicht ängstigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-13 vom 12. Januar 2013

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Neger raus! / Wie Wörter richtig böse werden, wie bunt es am neuen Berliner Flughafen zugeht, und warum uns Van Rompuys Zuversicht ängstigt

Das Jahr ist jung und das Wetter sowieso Mist. Gute Gelegenheit, mal ordentlich aufzuräumen. Hat sich ja allerhand angesammelt. Klaus Willberg macht den Anfang mit der großen Säuberung. Der Mann vom Stuttgarter Thienemann-Verlag hatte vergangenes Jahr einen Brief bekommen von einem Mitarbeiter des Referats „Migration und Diversity“ der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung.

Der Mann beschwerte sich, dass in dem bei Thienemann erscheinenden Kinderbuch „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler das Wort „Negerlein“ vorkommt. Das sei ein „rassistischer und ausschließender“ Begriff. Solche Hinweise sind in Deutschland nicht etwa als Kritik aufzufassen, sondern als Befehl.

Und wie in unserer Republik üblich, gehorchte Willberg nicht bloß und strich das „Negerlein“ aus dem Jahrzehnte alten Kinderbuch-Klassiker. Nein, er gelobte auch gleich noch, ganz im Sinne des Befehls eigenständig weiterzurackern: „Wir werden alle unsere Klassiker durchforsten!“ Brav! Rühren, Willberg!

Jetzt geht es also mit dem ganz großen Besen durch die deutschsprachige Kinderliteratur, um jeden noch so kleinen Verstoß gegen die ehernen Regeln der Politischen Korrektheit erbarmungslos auszumerzen. Es sei nötig, rechtfertigt Willberg seinen Wasch-Wahn, Bücher dem sprachlichen und politischen Wandel anzupassen, denn nur so blieben sie „zeitlos“.

Das ist interessant: Bislang galt als „zeitlos“, was eben gerade nicht ständig verändert werden musste. Bei Willberg ist es umgekehrt. Zufrieden verweisen fortschrittliche Medien darauf, dass der Hamburger Oetinger-Verlag die Bücher von Astrid Lindgren schon vor vier Jahren in die Zeitgeist-Wäscherei gegeben habe. Seitdem sei Pippi Langstrumpfs Vater nicht mehr der „Negerkönig“ von Taka-Tuka-Land, sondern regiere dort als „Südseekönig“.

Immerhin, aber haben unsere Sprachbürster da nicht etwas übersehen? Was heißt denn hier „König“? Ist das etwa zeitgemäß? Und „Südsee“ erinnert schwer an Kolonialisten-Romantik. Statt Südseekönig müsste der Pippi-Vater doch eigentlich „Aristokratischer Ausbeuter in einer vom menschengemachten Klimawandel schwer gebeutelten Region“ heißen.

Es ist ja nicht so, dass wir Preußler oder Lindgren Rassismus vorwerfen. Sie dichteten ihre Werke nur eben in Zeiten, in denen die Leute weniger politisch sensibilisiert waren und ihre Worte einfach selber wählten, statt die Heinrich-Böll-Stiftung zu fragen, was man sagen darf. Manchmal verändern Wörter sogar von selbst ihre Bedeutung, ohne dass die Sprachpolizei das angeordnet hätte.

Manche einst neutralen Wörter sind mit der Zeit richtig böse geworden – etwa „Banker“ (heute ein anderes Wort für Gauner) oder „Politiker“ (Komplize der Gauner) oder „Wowereit“ (aufgeblasener Versager). Früher haben wir diese Wörter vollkommen beiläufig verwendet, heute schütteln wir uns schon, wenn wir sie nur hören.

Andererseits kann man von dem Wowereit sagen, was man will: Sein jüngstes Bubenstück könnte sich kein Kabarettist bizarrer ausdenken! Tauscht der einfach mit dem Platzeck die Plätze und behauptet, damit „Verantwortung“ übernommen zu haben. Deutschland stockt der Atem. Sowas von Bananenrepublik hätten wir nicht mal dem zugetraut.

Es ist aber auch zu ärgerlich, wie das gelaufen ist mit dem Flughafen. Er sollte ein Schaufenster sein für die Modernität Berlins und seine Weltoffenheit, die sich in der Multikulturalität der Hauptstadt spiegelt. Die Multikulturalität kann man auch auf der Baustelle des neuen Flughafens bewundern. Dort kooperieren Bauunternehmen aller Länder harmonisch mit ihren Sub-Unternehmen, die Leih-, Gast- und andere Arbeiter aus der gesamten eurasisch-afrikanischen Landmasse beschäftigen, woraus ein babylonisch-bunter Strauß von Sprachen erblüht. Entgegen allen Unkenrufen kommt es kaum zu kulturellen Konflikten, da man einander ohnehin nicht versteht.

Die farbenfrohe Buntheit entspricht nicht bloß dem weltoffenen Flair von Berlin, sie bringt auch handfeste wirtschaftliche Vorteile. Es verhandelt sich nämlich viel leichter über Löhne, wenn man für jeden Posten fünf Bewerber hat, von denen vier aus Ländern kommen, in denen ein Bruttostundensatz von sechs Euro fuffzig Freudensprünge auslöst.

So wundert es nicht, dass sich auch das Ergebnis wohltuend abhebt vom preußisch-deutschen Gründlichkeits- und Pünktlichkeitswahn. Statt uns mit teutonischer Langeweile zu öden, erfreut uns der Flughafen fast täglich mit neuen Überraschungen, eine bunter als die andere.

Nur der Regisseur der Burles­ke, Wowereit selbst, hat keinen Spaß an seinem Werk. Regelrecht zerknittert sah er aus. Der Mann sollte sich trösten: Jede Krise geht vorbei. Es kommt nur auf die richtige Wahrnehmung an.

Auf diese Weise haben wir sogar die Euro-Krise besiegt, nur durch unsere „Wahrnehmung“. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy machte vor Weihnachten den Anfang und verordnete den verdrossenen EU-Bewohnern, zum „positiven Denken“ zurück­zukehren. Er habe schon ein Jahr zuvor allen Staatenlenkern der Welt ein „Buch des Glücks“ („book of happiness“) geschickt, um sie davon zu überzeugen, dass glücklich sein glücklicher macht als unglücklich sein.

EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso hat die Rompuy-Rede gehört und ist nun vollkommen hin und weg vor Zuversicht. Zu Neujahr erklärte der Portugiese die Euro-Krise euphorisch für beendet. Wieso? Halten Sie sich fest: Weil die „Risikowahrnehmung in der Euro-Zone verschwunden“ sei.

So einfach geht das: Wenn es einen zu sehr gruselt, zieht man sich die Decke über den Kopf, denkt an was Schönes, und ratzfatz sind die bösen Geister verflogen und alle Probleme gelöst.

Nun ja, so ging das zumindest im Kinderbett. Ob die Taktik auch im politischen Leben zieht, müssen wir abwarten. Im Unterschied zu den glücklichen Kindern neigen wir Erwachsene zu spröder Skepsis. Während sich Barroso und Van Rompuy in ihre neue Zuversicht kuscheln, machen wir lieber das Licht an und kramen in unseren Geschichtskenntnissen.

Was hatte es bislang zu bedeuten, wenn Politiker jeden schnell verrauchten Mini-Erfolg zum Auftakt der ganz großen Wende hochjubelten, wenn sie nur noch von Zuversicht sprachen statt von sichtbaren Fortschritten und wenn sie das Volk auf ihren angeblich unerschütterlichen Glauben an den schlussendlichen Sieg einschworen? Oh je! Nicht gut, gar nicht gut. Gerade die Deutschen, auch die, die lange nach 1945 geboren wurden, deuten solche Erscheinungen ganz anders, als es Barroso und Van Rompuy sich wünschen.

Doch in gewisser Hinsicht haben die beiden trotzdem Recht: Erste Bedingung dafür, dass man gewinnen kann, ist der Wille, es auch zu wollen. Den hat man nicht von selbst. Was beispielsweise will eigentlich Peer Steinbrück? Kanzler werden, sagt er. Aber wer glaubt ihm das noch?

Was der Berliner Flughafen für Klaus Wowereit ist, das ist Steinbrück für die SPD. Alle paar Tage bereitet er seinen Genossen eine neue kleine Katastrophe. Nun hat er vorgeschlagen, alle noch in Bonn residierenden Ministerien nach Berlin zu verlagern. Recht hat er ja, aber heißt es nicht, Bundestagswahlen würden in Nordrhein-Westfalen entschieden? Wo liegt Bonn?

In der Düsseldorfer SPD-Zentrale muss richtig was losgewesen sein. Immerhin können die Genossen hoffen, dass die Sache bald vergessen wird. Warum? Weil sie kurz darauf von der nächsten Steinbrück-Geschichte überlagert wurde: Irgendwelche Kungeleien mit Thyssen-Krupp. Nach der Bundestagwahl werden die Sozialdemokraten das Wort „Steinbrück“ aus ihrem Wortschatz tilgen als eine Vokabel, die „auf bedenkliche Weise an ein dunkles Kapitel der Geschichte erinnert“, also so ähnlich wie „Neger“.


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