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19.01.13 / Notstand auf dem Land / Schlechte Arbeits- und Einkommensbedingungen vertreiben immer mehr Ärzte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Notstand auf dem Land
Schlechte Arbeits- und Einkommensbedingungen vertreiben immer mehr Ärzte

Seit einigen Jahren macht sich in ländlichen Regionen Deutschlands ein Ärztesterben bemerkbar, das zunehmend Politik und Ärztefunktionäre beschäftigt. Obwohl Lösungen, die für alle verträglich sind, angestrebt werden, leiden vor allem Kassenpatienten an den Folgen einer verfehlten Gesundheitspolitik.

Dass es gegen Quartalsende schwierig wird, einen Termin oder ein Rezept zu bekommen, weil das Budget des Arztes aufgebraucht ist, kennt wohl jeder Kassenpatient. Was aber, wenn es in erreichbarer Nähe gar keine Arztpraxis mehr gibt, weil der Hausarzt aufgegeben oder seine Kassenzulassung zu-rück gegeben hat?

Dieses Szenario ist in einigen ländlichen Regionen, vor allem im Süden Baden-Württembergs, längst Realität. Dort sind zwischen 2001 und 2011 3000 Ärzte ins Ausland abgewandert. Besonders gut sind die Arbeitsbedingungen − durch ein planbares Gehalt und geregelte Arbeitszeiten − in Großbritannien, Österreich, Skandinavien und den USA.

Die Lage auf dem Land spitzt sich weiter zu. Die Patienten werden älter und damit kränker, aber ältere Landärzte finden keine Nachfolger. Für junge Ärzte bedeutet es ein unkalkulierbares Risiko, sich in der Provinz niederzulassen. Sie fürchten überfüllte Praxen bei seit Jahren sinkenden Honoraren und erdrückende bürokratische Auflagen. Das Damoklesschwert, das jeden niedergelassenen Mediziner bedroht, sind Regressforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Immer öfter werden Fälle publik, in denen Rück-zahlungsforderungen in Höhe von 40000 bis zu 120000 Euro die Existenz niedergelassener Ärzte bedrohen. Ihnen wird zur Last gelegt, ihr nach einem Punktesystem festgelegtes Budget überschritten zu haben. Dabei nimmt die KV keine Rücksicht auf das jeweilige Umfeld oder Einzugsgebiet der Praxis. Ganz gleich, ob zum Patientenstamm eines Arztes überdurchschnittlich viele Ältere, Behinderte oder Langzeitkranke zählen, die Honorierung erfolgt nach einem Durchschnitts-Punktwert, der von Quartal zu Quartal variieren kann. Für einen Hausbesuch erhält der Mediziner im Schnitt 21 Euro, egal, wie weit der Weg ist und wieviel Zeit die Visite in Anspruch nimmt. Insgesamt sind Landärzte mit ihrer Vergütung unzufrieden. Gemessen an ihrem Ausbildungsaufwand, der steigenden Zahl von Patienten und zunehmendem Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand fühlen sich vor allem Hausärzte, die durchschnittlich jährlich 65000 Euro vor Steuern erwirtschaften, gegenüber anderen Berufsgruppen benachteiligt.

Umfragen des Marburger Bundes zufolge lieben die meisten Ärzte ihren Beruf. Sie haben ihn gewählt, um Menschen zu helfen, fühlen sich jedoch oft ohnmächtig gegenüber der ungerechten Honorarverteilung, die sie dazu anhält, Wirtschaftlichkeit über das Patientenwohl zu stellen.

Dass sich etwas ändern muss, hat auch der Gemeinsame Bundesausschuss (das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen) erkannt: Im Dezember wurde beschlossen, eine Richtlinie zu ändern, damit die Zulassung von Hausärzten in Mangelregionen ermöglicht werden kann. Ärztekammern werben schon länger für eine Niederlassung auf dem Land.

Da sich an dem System der Honorarvergabe bislang nichts geändert hat, haben einige mutige Mediziner Eigeninitiative entwickelt: Sie gaben ihre Kassenzulassung zurück und schlossen stattdessen direkte Verträge mit den Krankenkassen ab. Sollte das Beispiel sich bewähren, könnten unter Umgehung der KV Kosten gespart und die Patientenversorgung verbessert werden. Manuela Rosenthal-Kappi


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