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19.01.13 / Übermüdet in die Luft / EU will Ruhezeiten für Piloten nicht im Sinne der Fluggäste regeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Übermüdet in die Luft
EU will Ruhezeiten für Piloten nicht im Sinne der Fluggäste regeln

Übermüdete Cockpitbesatzungen sind bei vielen Fluglinien Europas inzwischen zu einem verbreiteten Sicherheitsproblem geworden. EU-Pläne zur „Harmonisierung der Arbeitszeiten“ versprechen keine Abhilfe, sondern sogar eine weitere Verschärfung des Problems: Nicht einmal ein Jahr ist es her, dass ein Air-Berlin-Flug von Palma de Mallorca nach München für Aufsehen sorgte. Vor der Ankunft in München ging von der Crew an die Flugsicherung die Warnmeldung, dass die Landung nicht durch die Piloten selbst, sondern computergesteuert per Autopilot erfolgen wird. Der angegebene Grund: ein Erschöpfungszustand der Piloten, sie waren übermüdet.

Der Vorfall kann symbolisch dafür stehen, wie sich die Arbeitsbedingungen vieler Piloten in den letzten Jahren grundlegend gewandelt haben. Der einstige Traumberuf Pilot hat sich oftmals zu einem regelrechten Knochenjob entwickelt. Die Explosion der Fluggastzahlen, steigender Kostendruck und die Konkurrenz der Billigflieger haben das Arbeitspensum für viele Piloten drastisch ansteigen lassen. Der fliegerische Alltag besteht mittlerweile oft nur noch aus nervenaufreibender Kurzstreckenfliegerei: Statt Rio de Janeiro oder Kapstadt samt ausgedehntem Zwischenstopp steht sechsmal am Tag die Strecke Berlin–Köln auf dem Dienstplan. Die Folge der Entwick-lung: Für viele Piloten sind die Ruhezeiten zwischen den Schichten inzwischen so drastisch zusammengeschrumpft, dass sich in den Cockpits immer öfter Schlafmangel bemerkbar macht.

Eine Umfrage der deutschen Pilotenvereinigung „Cockpit“ förderte zu Tage, dass 36 Prozent der Flugkapitäne schon einmal unfreiwillig an Bord eingenickt waren. Ebenso drastisch sind die Daten, die von der European Cockpit Association (ECA) vorgelegt wurden: Vier von fünf Piloten leiden bereits jetzt an Schlafmangel. Ein Drittel der Cockpitbesatzungen berichtete von Fällen, dass Pilot und Copilot eingenickt waren, während der Bordcomputer das Flugzeug weitersteuerte.

Die Lage droht sich sogar zu verschärfen. Bereits seit dem Jahr 2008 sind die Flugdienstzeiten in Europa einheitlich geregelt, noch können allerdings auf nationaler Ebene strengere Regelungen – sprich: längere Ruhezeiten – angewendet werden. Bei großen deutschen Fluglinien sorgen etwa Tarifverträge dafür, dass Piloten bessere Arbeitsbedingungen erhalten als europaweit gesetzlich vorgesehen ist. Statt zehn Stunden Ruhezeit zwischen den Dienstschichten werden häufig zwölf Stunden eingeräumt.

In Brüssel mehren sich inzwischen die Zeichen, dass mit derlei Regelungen auf nationaler Ebene bald Schluss sein wird. Was stattdessen droht, wurde unlängst von Mitgliedern der niederländischen Expertengruppe für Flugsicherheit klar gemacht: ausgerechnet die schlechtesten Bedingungen, die sich in einem der EU-Mitgliedsländer finden lassen, haben aktuell die besten Chancen, europaweit zur verbindlichen Vorschrift für die Arbeitszeiten von Piloten zu werden. N.H.


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