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19.01.13 / Grundstein beispielhafter Freundschaft / Vor 50 Jahren manifestierte der Élysée-Vertrag die deutsch-französische Aussöhnung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-13 vom 19. Januar 2013

Grundstein beispielhafter Freundschaft
Vor 50 Jahren manifestierte der Élysée-Vertrag die deutsch-französische Aussöhnung

Die deutsch-französische Aussöhnung gilt als eine der Voraussetzungen für einen dauerhaften Frieden in einem geeinten Europa. Vor 50 Jahren legten Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle mit der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages die Grundlage für eine gemeinsame politische, rechtliche und freundschaftliche Zusammenarbeit.

Seit Jahrhunderten hatte die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ Deutschland und Frankreich politisch getrennt, vom Pfälzischen Erbfolgekrieg, den Koalitionskriegen und der Napoleonischen Besetzung, dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871, dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Besatzungszeit. Doch 1962 begann die Wende in der deutsch-französischen Beziehung. Adenauer und de Gaulle statteten sich gegenseitig offizielle Besuche ab, um die Vergangenheit zu bewältigen und ein neues Verständnis füreinander aufzubauen. Adenauer besuchte im Juli 1962, 17 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, geschichtsträchtige Stätten wie Paris, Versailles und Reims, aber auch die französische Provinz. Bei seinem Gegenbesuch im September 1962 unternahm de Gaulle eine Rundreise durch Deutschland, die ihn von Bonn nach Hamburg und München führte. Bei den Besuchen ging es ausdrücklich nicht nur um kurze Arbeitsbesuche unter Politikern, sondern um den Kontakt mit der Bevölkerung, um nach erlebtem Leid und Schrecken von Kriegs- und Besatzungszeiten gemeinsame Vergebung zu finden. Diese Annährung sollte schließlich durch einen bilateralen Vertrag manifestiert werden.

Der Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 ist die Grundlage für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Hierin wurden regelmäßige Treffen der Staats- und Regierungschefs sowie der Generalstabschefs mindestens zweimal im Jahr, der Außen- und der Verteidigungsminister mindestens dreimal im Jahr und Zusammenkünfte der zuständigen Behörden auf den Gebieten der Verteidigung, der Erziehung und in Jugendfragen niedergelegt. Schwerpunkt war, in allen wichtigen außenpolitischen Entscheidungen und in Fragen von gemeinsamem Interesse soweit wie möglich zu einer einvernehmlichen Haltung zu gelangen. Auf dem Gebiet der Verteidigung sollten der Personalaustausch verstärkt, gemeinsame operative Forschung betrieben, Gemeinschaftsarbeit in Rüstungsvorhaben organisiert und die Zusammenarbeit im Zivilschutz ausgebaut werden. Zur Stärkung der Verbindungen der deutschen und französischen Jugend als zukünftige Generationen beider Länder sollten die Begegnung und der Austausch von Schülern, Studenten und jungen Berufstätigen gefördert und außerdem der Sprachunterricht intensiviert werden. Mit der Präambel zum deutschen Zustimmungsgesetz sorgte der Deutsche Bundestag im Juni 1963 noch für Verstimmung in Frankreich, als von deutscher Seite eine Passage hinzugefügt wurde, die die Enge der Beziehungen Deutschlands zu den USA und den Wunsch nach der Aufnahme von Großbritannien in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft betonte. Die Verhandlungen mit Großbritannien waren aufgrund des Widerstands Frankreichs abgebrochen worden, und de Gaulle verfolgte das Ziel, mit Deutschland die Position Europas gegenüber den USA zu stärken.

Der Élysée-Vertrag trat am 2. Juli 1963 in Kraft. Am 5. Juli 1963 wurde das deutsch-französische Jugendwerk gegründet, es entstanden Kooperationen zwischen Schulen und Vereinen in beiden Ländern sowie Städtepartnerschaften. Mit dem Austritt Frankreichs aus der Nato 1966 stagnierten die bilateralen sicherheitspolitischen Beziehungen, die erst Anfang der 1980er Jahre unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und Staatspräsident Valéry Gis-card-d’Estaing wieder in Schwung kamen. Einige Jahre später verhandelten dann Bundeskanzler Helmut Kohl und Staatspräsident François Mitterrand als Ergänzung des Élysée-Vertrages die Einsetzung von Räten zur Abstimmung von Verteidigungsinteressen und Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik. Der „Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat“ (DFVSR) wurde zum 25. Jahrestag des Élysée-Vertrages eingerichtet und tagt seither halbjährlich in Paris. Gerade in militärischen Bereichen, wie durch die Großmanöver „Kecker Spatz“ und „Champagne“, die Aufstellung einer deutsch-französischen Brigade und des Eurokorps, kam eine neue Dynamik in die Zusammenarbeit.

Zum 40. Jahrestag des Abschlusses des Élysée-Vertrages und zum 15-jährigen Jubiläum des DFVSR wurden erneut Anstöße für die „Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (ESVP) und die „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion“ (ESVU) gegeben. Seitdem ersetzt der deutsch-französische Ministerrat die bisherigen Gipfeltreffen.

Im Jahre 2010 wurde vom Ministerrat die deutsch-französische Agenda 2020 verabschiedet, in der 80 verschiedene Projekte in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Energie und Klima, Bildung und Forschung, Außen- und Sicherheitspolitik, zwischengesellschaftliche Kontakte und institutionelle Vernetzung intensiv vorangetrieben werden sollen. Durch den Élysée-Vertrag wurde im Laufe der Jahrzehnte die Grundlage für eine beispiellose Freundschaft zweier lange verfeindeter Staaten geschaffen. Deutschland und Frankreich sind auf vielerlei Art verbunden, neben der großen Politik auch in allen gesellschaftlichen Bereichen. So gibt es inzwischen mehr als 2200 Städtepartnerschaften, mehr als 180 akademische Austauschprogramme, vielfältige Kooperationen von Forschungseinrichtungen, bilinguale Kindergärten und den Austausch von bisher acht Millionen Jugendlichen und jungen Erwachsenen über das Deutsch-Französische Jugendwerk. Damit haben die bilateralen Beziehungen eine Intensität erreicht, die weit über das damals vorstellbare Maß hinausgewachsen ist.

Zur Feier des 50. Jahrestages des Élysée-Vertrages haben Frankreich und Deutschland ein deutsch-französisches Jahr ausgerufen, in dessen Rahmen zwischen September 2012 und Juli 2013 zahlreiche Veranstaltungen in politischen und zivilgesellschaftlichen Bereichen stattfinden. Am 22. Januar 2013 wird das 50-jährige Bestehen des Élysée-Vertrages in Berlin mit einem Festakt und einer Begegnung beider Parlamente und Regierungen im Reichstagsgebäude gemeinsam gefeiert. Britta Heitmann


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