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26.01.13 / Die Rache der Architekten / Berlin: »Experten« wollen die Umgebung des neu erbauten Schlosses zubetonieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

Die Rache der Architekten
Berlin: »Experten« wollen die Umgebung des neu erbauten Schlosses zubetonieren

In Berlin bricht neuer Streit um das im Aufbau befindliche Schloss aus, einst Residenz der Hohenzollern. Politik und Bürger unterliegen im entscheidenden Wettbewerb um die Gestaltung des Schlossumfeldes den „Experten“: Der siegreiche Architektenentwurf sieht versiegelte Flächen vor. Einmal mehr spart Berlin sich das Grün, setzt auf vermeintlich modernere, vor allem pflegeleichte Betonarchitektur.

Berlins zentrales kulturelles Aufbauprojekt, die Teilrekonstruktion des Schlosses als Humboldtforum, steht vor einem „wunderbaren Problem“. So sah es jedenfalls der Förderverein Berliner Schloss noch kürzlich: „Es gibt nichts bahnbrechend Neues mehr.“ Das Wunderbare daran: Das Projekt scheint politisch endgültig durchgesetzt.

Entsprechend freuten sich die Schlossbefürworter. Im Juni starteten die Gründungsarbeiten. Im Oktober übernahm Bundespräsident Joachim Gauck die Schirmherrschaft über die Stiftung Humboldtforum als Bauherrin und Eigentümerin. Damit schien das von der Stiftung als „kulturelles Jahrhundertprojekt“ bezeichnete Werk auf dem besten Wege, als glanzvoller Schlussstein die Museumsinsel zu krönen und zugleich die am schmerzlichsten klaffende Wunde in Berlins historischer Mitte zu heilen.

Das Internet gewährt über Kameras ständig aktuellen Einblick: Erdwälle sind ausgehoben, schweres Baugerät ist vor Ort. In das Projekt nach dem Entwurf des Architekten Franco Stella kommt sichtbar Bewegung nach jahrelangem Stillstand.

Inzwischen ist jedoch neuer Streit um das Schloss entbrannt. Es geht um das Umfeld des Schlosses: Die finanziell angeschlagene Hauptstadt droht nach einem neuen Wettbewerb zur Gestaltung der Schlossumgebung an entscheidender Stelle zur Steinwüste zu verkommen. Der Entwurf des siegreich aus einem Jury-Wettbewerb hervorgegangenen Berliner Architektenbüros BBZ Timo Hermann wird dem Anspruch eines „kulturellen Jahrhundertprojekts“ jedenfalls kaum gerecht, setzte sich aber unter rund 40 Bewerbern durch.

Statt Grünflächen mit Wegen, wie es die unterlegenen Hamburger Planer des Büros WES vorsahen, legten die Sieger ein puristisches Konzept vor. Das gilt für die Seite zum Lustgarten wie für den südlichen Vorplatz. Der zeigt künftig fast nur Stein bis auf eine Baumgruppe in Anlehnung an frühere Bebauung. Überweite Steinbänke sollen angeblich zum Verweilen einladen. Eine Trauerweide an der Spree bildet darüber hinaus das einzige Grün.

Dem Schlossprojekt droht so die späte Rache der an der Moderne statt am Wiederaufbau interessierten Architekten. Entsprechend klar trennten sich beim Wettbewerb die Lager: „Architekturexperten“ triumphierten über die Politiker. Letztere bevorzugten mehrheitlich den Entwurf von der Elbe. „Es wurde deutlich, wie zerrissen wir waren“, sagte ein Jurymitglied später. Die Politik bezog beim aktuellen Wettbewerb den eigentlichen Schloss­platz westlich des Baus zwar mit ein, doch Entwürfe seiner späteren Gestalt lieferten weder Wettbewerber noch Politik.

Das liege an der bereits ohne Rück-sicht auf die Umfeldpläne erbauten neuen Spreebrücke, befürchtet der Vorsitzende des Fördervereins, Wilhelm von Boddien. „Senatsbaudirektorin Regula Lüscher will hier die Rückkehr des Schlossbrunnens, auch Neptunbrunnen genannt, vor das Schloss verhindern“, so der langjährige Motor des Wiederaufbaus gegenüber der PAZ. Lüscher lobte den Siegerentwurf denn auch als „eine Arbeit, die sich zeitgenössisch mit den historischen Spuren auseinandersetzt und zum Lustgarten vermittelt“ – den Schlossplatz erwähnte sie mit keinem Wort.

Die großflächige Versiegelung von Flächen setzt sich jedenfalls als Trend in Berlins jüngsten Bauprojekten fort. Während die federführende Stiftung Humboldtforum im Ausland ausgerechnet auf der grünen Insel fragt, ob „die Rekonstruktion von verlorenen Gebäuden: das Berliner Schloss als Modell für Irland?“ taugt, soll sich Berlin an einem seiner wichtigsten Schauplätze zur Steinwüste verwandeln.

Nicht bloß am Schloss prägen versiegelte Großflächen bei öffentlichen Neugestaltungen Gebiete, die einst grün waren. Am Tauentzien wichen Blumenbeete und aufwendiges Grün dunklen Eiben in pflegeleichter Granitfassung. Selbst am Kurfürstendamm, der Flaniermeile des Westens der Stadt, schaffte die Stadt Pflanzschalen ab. Bäume und Stadtgrün vertrocknen in vielen Bezirken. Landschaftsgärtnerisch obsiegen vielerorts Steinlösungen, weil sie billig zu unterhalten sind.

Am Potsdamer Platz und wo sonst noch Mängel an öffentlichen Grünanlagen auftreten, schaffen oft nur private Gewerbetreibende oder Vereine Abhilfe. Der Verzicht aufs Grün ist daher mehr als ein Modetrend, auch wenn im Fall des begrenzt ausgeschriebenen Schlossumfelds sogar die Politiker mehr Grün wollen und Nachbesserungen fordern. Der zweitplatzierte Entwurf mit mehr Rasenbereichen hat daher noch Chancen. Dieser Plan sieht zudem vor, den Schlossbrunnen wie früher vor das Schlossportal zu setzen. Beim Siegerentwurf fehlt das geschichtsträchtige Werk Reinhold Begas’ ganz.

Der Sprecher für Stadtentwicklung in Berlins CDU, Stefan Evers, sieht die Debatte um die Gestaltung des Umfelds daher noch nicht als beendet an. Auch von Boddien sieht noch die Chance auf ein ansprechendes Umfeld, einschließlich Rossbändigern und anderem einst dort angelegten Figurenschmuck. Sverre Gutschmidt


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