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26.01.13 / EU-Frage entscheidet / Brüssel ist vielen Briten ein Dorn im Auge, doch ein Austritt erscheint Premier Cameron zu gewagt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

EU-Frage entscheidet
Brüssel ist vielen Briten ein Dorn im Auge, doch ein Austritt erscheint Premier Cameron zu gewagt

Der Versuch der britischen Konservativen, die EU-kritische UK Independence Party (UKIP) als Ansammlung von „Spinnern und latenten Rassisten“ abzustempeln, steht vor dem Scheitern. Will Premier David Cameron seine Macht verteidigen, kommt er künftig an UKIP-Chef Nigel Farage nicht mehr vorbei.

Es ist eine Flucht nach vorn, die Großbritanniens Premier David Cameron mit seiner jüngsten Forderung an die Adresse Brüssels antritt. Er will Machtbefugnisse von der EU zurückholen. Alle 27 EU-Partner sollen gemeinsam neue Bedingungen der Kooperation aushandeln. Cameron will so der EU-kritischen Stimmung im eigenen Land den Wind aus den Segeln nehmen und die Forderungen nach einer Volksabstimmung über die britische EU-Mitgliedschaft verstummen lassen.

Cameron steckt in einer Zwick-mühle. In der britischen Bevölkerung und seiner eigener Partei, den Tories, wird der Ruf nach einem Referendum über einen EU-Austritt immer lauter. Aber auch von Seiten der Pro-EU-Kräfte wächst der Druck: von Camerons Koalitionspartner, den Liberaldemokraten, von Unternehmerverbänden und den Banken der City of London. Deren Befürchtung ist, dass, sollte Großbritannien die EU verlassen, es den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlöre. Selbst Washington macht unverhohlen deutlich, was von Cameron erwartet wird. „Wir wollen eine starke britische Stimme in der EU hören.“ Das sei im Interesse der USA, so ein Sprecher des Weißen Hauses. Innenpolitisch bestimmen allerdings immer stärker die EU-Gegner die Diskussion – allen voran die UKIP unter Nigel Farage. Die Partei macht sich als einzige für einen vollständigen Austritt Großbritanniens aus der EU stark. Bei aktuellen Umfragen liegt die UKIP mittlerweile bei rund 15 Prozent. Die Partei hat damit Camerons Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, überrundet und ist zur drittstärksten politischen Kraft in Großbritannien geworden.

Der Erfolg der UKIP beruht nicht zuletzt auf dem charismatischen Parteichef und EU-Parlamentarier Farage. Der mit einer Deutschen verheiratete Ex-Tory wirkt im Vergleich mit Vertretern anderer Parteien deutlich unverkrampfter und vor allem redet er Klartext. Erfrischend etwa sein Umgang mit Brüsseler Politgrößen wie Martin Schulz, Herman Van Rompuy und Manuel Barroso: „Wer zum Teufel sind Sie? Niemand kennt Sie. Niemand von den europäischen Bürgern hat Sie gewählt.“ EZB-Präsident Mario Draghi wurde von Farage bereits mit dem Vorwurf konfrontiert, die südeuropäischen Pleitestaaten „bis zum letzten deutschen Steuerzahler“ in der Euro-Zone zu halten.

Für die politische Zukunft Camerons könnte die UKIP spätestens mit der Parlamentswahl im Jahr 2015 zu einem ernsthaften Problem werden. Unter den Bedingungen des britischen Mehrheitswahlrechts droht die UKIP den Tories entscheidende Stimmanteile wegzunehmen. Als Resultat des Gerangels zwischen den Konservativen und UKIP könnte am Ende in bis zu 50 Wahlkreisen die Labour-Party als lachender Dritter zusätzliche Mandate gewinnen und Cameron am Ende die Macht kosten. Erste Gedankenspiele, wie diese Gefahr gebannt werden kann, sind im Gange. Letztendlich werden die Bemühungen zur Folge haben, dass die bisherige Ausgrenzungsstrategie der Tories gegenüber der UKIP aufgegeben werden muss.

Michael Fabricant, Wahlkampfberater und einflussreicher Tory-Abgeordneter, hat etwa einen „Nichtangriffspakt“ ins Gespräch gebracht. Camerons Regierung würde dabei einem EU-Referendum nicht mehr im Wege stehen, im Gegenzug soll sich die UKIP bereit erklären, mit den Tories Absprachen zu einzelnen Wahlkreisen zu treffen, um unnötige Konkurrenz zu vermeiden. Als zusätzlichen Anreiz: einen Ministerposten für Farage nach einem Wahlsieg 2015.

Sollte es aufgrund einer derartigen Absprache zu einem EU-Referendum kommen, ist der Ausgang kaum vorhersagbar. Einflussreiche Wirtschaftskreise und die Finanzindustrie dürften im Vorfeld einiges an Propaganda auffahren, um das Schreckgespenst eines isolierten Großbritanniens an die Wand zu malen. Am Ende könnte ein Resultat wie folgt stehen: Cameron holt spektakulär einige Kompetenzen von der EU zurück, Großbritannien bleibt dafür aber Mitglied der EU. Zähneknirschend könnte ein derartiger Tauschhandel sogar von Brüssel geschluckt werden. Zu gravierend wäre der Gesichtsverlust, wenn erstmalig ein Land aus der EU austritt.

Unabhängig von der Entwick-lung in Großbritannien kündigt sich ohnehin an, dass sich Brüssel demnächst bei Beitrittsverhandlungen erstmals eine Abfuhr einhandelt. Islands Regierung hat die Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft bis zu den Parlamentswahlen Ende April auf Eis gelegt. Die Begründung von Außenminister Össur Skarphédinsson: Eine mögliche neue Regierung könne so nach der Wahl „ihre eigenen Prioritäten zu wichtigen Themen setzen“. Statt auf neue Prioritäten deutet in Reykjavik tatsächlich aber alles auf einen kompletten Kurswechsel hin. Eine klare Mehrheit der Isländer ist nach Umfragen gegen den von der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurardóttir vorangetriebenen EU-Beitritt. Als klarer Favorit gilt die konservative Unabhängigkeitspartei, die im Falle eines Wahlsieges eine Volksabstimmung zu den EU-Beitrittsverhandlungen Islands angekündigt hat. Norman Hanert


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