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26.01.13 / Dschihad an der Seite von Kaiser und Reich / Wie Max von Oppenheim, eine Art preußischer Lawrence von Arabien, Moslems als Kriegsverbündete gewinnen wollte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

Dschihad an der Seite von Kaiser und Reich
Wie Max von Oppenheim, eine Art preußischer Lawrence von Arabien, Moslems als Kriegsverbündete gewinnen wollte

Im Sommer 1916 trieb der englische Leutnant Thomas E. Law­rence Moslems zum Aufstand gegen die osmanische Kolonialmacht an. Die Absichten der Briten waren eindeutig: Eine „Dschihad“-Revolte sollte militärische Kräfte des türkischen Sultans binden, der im Ersten Weltkrieg ein enger Verbündeter des Deutschen Reiches war. Ein Preuße hatte diesen Plan schon fast zwei Jahre vor Lawrence von Arabien gefasst und umzusetzen versucht: Max von Oppenheim.

Auf die Initiative des arabophilen gebürtigen Kölners jüdischer Abkunft Max Freiherr von Oppenheim wurden muslimische Kriegsgefangene in speziellen Lagern 40 Kilometer südlich von Berlin direkt am Militärstandort Wünsdorf (heute ein Ortsteil der Stadt Zossen) zusammengelegt und bevorzugt behandelt. Für sie wurde sogar eine hölzerne Moschee mit einem 25 Meter hohen Minarett errichtet. Es war der erste islamische Sakralbau auf deutschem Boden.

Der damals 54-jährige Oppenheim, Jurist, Diplomat, Orientalist und Hobbyarchäologe, hatte im Oktober 1914 die „Denkschrift betreffend der Revolutionierung der islamischen Gebiete unserer Feinde“ verfasst. Er wollte einen Aufstand der, wie man damals sagte, „Mohammedaner“ vor allem in Nordafrika anzetteln. Ein „Dschihad“, ein heiliger Krieg sollte Frankreich und England militärisch schwächen. Oppenheim regte außerdem an, eine Nachrichtenstelle für den Orient (NfO) zu gründen – ein Novum, im Grunde eine erste Propagandaeinheit für die psychologische Kriegsführung. Das Kriegsministerium in Berlin war diesen Plänen gefolgt.

Max von Oppenheim war schließlich nicht irgendwer. Er diente zunächst als Ministerresident an der Botschaft in Kairo, machte sich dann aber einen Namen als Entde­cker von Tell Halaf. Diese Siedlung – sie liegt im aktuell hart umkämpften Nordosten Syriens nicht weit von Aleppo – zeigte Siedlungsspuren bis in die Zeit 6000 v. Chr. Oppenheim war auf sensationelle Funde in einem freigelegten Palast gestoßen. Und er hatte das Ohr des Kaisers, dessen Faible für den Orient ja bekannt war.

Man musste in Berlin über die Eigenheiten Max von Oppenheims hinwegsehen – etwa, dass er seine Wohnräume streng orientalisch ausstaffiert hatte, dass er gelegentlich in arabischer Kleidung „wie ein Beduine“ spazierte; andere stießen sich prinzipiell an seiner Abkunft aus einer jüdischen Ban­kiersfamilie. Aber der Mann hatte gute Ideen, bei allem Argwohn mussten ihn Kriegsministerium und Auswärtiges Amt gewähren lassen.

Im November 1914 wurde in Wünsdorf ein „Halbmond-Lager“ eingerichtet, in das 8000 Kriegsgefangene von der Westfront gebracht wurden – Muslime aus Nord- und Westafrika und Indien sowie später auch Hindus und Sikhs, die Großbritannien in Indien schwächen sollten. Die Baracken waren im Halbkreis angeordnet, in dessen Zentrum 1915 die Hölzerne Moschee gebaut wurde. Ein paar Kilometer entfernt in Zossen entstand das „Weinberglager“ für 12000 muslimische Gefangene von der Ostfront, überwiegend Tataren. Für die Gefangenen gründete Oppenheim eine Zeitung unter dem Titel „Djihad“, die in alle im Lager kursierenden Sprachen übersetzt wurde.

Die Behandlung und Versorgung in diesen Sonderlagern war exemplarisch gut. Auch die medizinische Betreuung der Gefangenen war mehr als ausreichend, auch wenn einige Hundert von ihnen in der Gefangenschaft starben. Lagerseuchen wie Typhus, Tuberkulose oder Cholera waren zu jener Zeit medizinisch schwer zu beherrschen. Aber jeder verstorbene Gefangene wurde in einem Einzelgrab bestattet und nicht, wie andernorts, in einem Massengrab beigesetzt.

Die Muslime durften ihre Religion frei ausüben, den Ramadan halten und Feste wie Bayram feiern – schließlich sollten die fremden Soldaten für die deutsche Sache gewonnen werden.

Es herrschte Kurzweil im Lager und viele Gefangene konnten sich ein Zubrot verdienen, denn: Mit der ganzen Unbefangenheit jener Zeit beim Umgang mit fremden Rassen hatten sich Scharen von Ethnologen und Anthropologen nach Wünsdorf aufgemacht und die Menschen dort interviewt und vermessen, es wurden Tonaufnahmen gemacht, es wurde fotografiert und gefilmt. Die Bilder zeigen entspannte Gefangene, die lesen oder beten. Manche treiben Sport, führen traditionelle Tänze vor oder stellen kunsthandwerkliche Gegenstände her. Einige Kriegsgefangene aus dem Halbmond-Lager saßen Künstlern in der Hauptstadt Modell. Unter Berlinern war es in Mode gekommen, sich – wie es eine Zeitung damals annoncierte – die „Menschenfresser“ anzusehen. Der Andrang war groß, denn Wünsdorf war über Zossen mit der Königlichen Militär-Eisenbahn bequem zu erreichen.

Lawrence hat seine Erinnerungen in dem Buch „Die sieben Säulen der Weisheit“ überliefert, sein Leben wurde durch den Film „Law­rence von Arabien“ heroisiert. Mit Max von Oppenheims verwegenem Kriegsplan haben sich nur wenige Historiker beschäftigt. Werner Leese, ein Wünsdorfer Ortschronist und erster Bürgermeister der Gemeinde nach der Wende, konnte viel über das Halbmond-Lager zusammentragen. In jüngerer Zeit hat die Berliner Historikerin Britta Lange Einzelheiten über das Leben der Gefangenen erforscht. Salvador Oberhaus hat sich mit der deutschen Propaganda im Orient auseinandergesetzt.

Lawrence von Arabien konnte zwar unter hohen Verlusten mit seinen arabischen Einheiten Damaskus einnehmen – aber nichts von seinen Visionen für die arabische Welt durchsetzen: Die rigorose Nachkriegspolitik der Briten durchkreuzte alle gut gemeinten Absichten.

Max von Oppenheim scheiterte gewissermaßen schon im Ansatz. Seiner Nachrichtenstelle gelang es zwar, Pressevertreter in etlichen Staaten zu beeinflussen und die Haltung vieler Gruppen im Orient nachhaltig zu prägen. Auch die gute Behandlung der Kriegsgefangenen in Wünsdorf machte Eindruck. Oppenheim konnte zwar in Bagdad, Damaskus und andernorts Zeitungen gründen und mit Artikeln aus Berlin beliefern. Mit den Gefangenen im Halbmond-Lager und im Weinberglager aber kamen die NfO-Experten nicht voran. Allenfalls einzelne kleinere Gruppen hatten sich zum Dschihad in die Türkei schicken lassen.

Nach dem Krieg ließ Frankreich die verbliebenen Gefangenen in ihre Heimatländer zurückbringen. Auch die Toten wurden exhumiert und repatriiert – denn diesen Stich wollte Frankreich dem Deutschen Reich nicht gönnen: Nichts sollte mehr an den großen Propaganda-Erfolg der Deutschen erinnern, nichts sollte vom Dschihad im Namen des Kaisers übrig bleiben.

Im Wald hinter dem Militärbereich von Wünsdorf ist heute nichts mehr vom Halbmond-Lager zu sehen, die Moschee war schon in den 20er Jahren verfallen. Auf dem großen Militärfriedhof, heute eine internationale Kriegsgräberstätte, sind nur noch die Namen der Sikh-Soldaten und der Hindus zu finden. Klaus D. Voss

Weitere Informationen zu dem Thema enthält Stefan M. Kreutzers Buch „Dschihad für den deutschen Kaiser. Max von Oppenheim und die Neuordnung des Orients (1914–1918)“, Ares Verlag, Graz 2012, 19,90 Euro.


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