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26.01.13 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

in den letzten Folgen haben wir über Schicksale berichten müssen, die uns doch sehr berührt haben und zum Nachdenken zwangen. Heute wollen wir es etwas leichter angehen lassen, eine kleine Atempause zwischen den großen Suchwünschen einlegen und vor allem einmal sichten, was sich da an Reaktionen auf die letzten Veröffentlichungen ergeben hat. Zuerst möchte ich auf die Frage von Maria von Finkenstein zurückkommen, ob es noch Leserinnen und Leser gibt, die sich persönlich an ihren Vater, den Schriftsteller Ottfried Graf Finckenstein, erinnern und beitragen könnten, seine Biographie zu ergänzen. Die Tochter des großen Erzählers, der vor 25 Jahren verstarb, lebt heute in Kanada, wollte aber einen bereits geplanten Aufenthalt in Berlin dazu benutzen, um mit den Leserinnen und Lesern, die sich melden würden, in Verbindung zu treten. Ich wartete also, bis sie mir den Termin nannte, leider gab es einige Verzögerungen, da sie die Veröffentlichung ihres Wunsches in der Folge 46/12 der PAZ erst spät erhalten hatte, und nun ist Frau von Finckenstein schon in Berlin. Da sie aber bis zum Sommer in Deutschland bleiben wird, ist also Zeit genug vorhanden, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Auf die Veröffentlichung hatte sich bereits ein naher Verwandter gemeldet, der mit ihr in Verbindung treten wollte, was wohl inzwischen erfolgt ist. Sie selber hat sich bei mir gemeldet, weil sie daran interessiert ist, zu erfahren, wie ich meinen verehrten Kollegen aus dem Königsberger Schriftstellerkreis in Erinnerung habe – und da gibt es viel zu erzählen. Sie wird mich also bald besuchen, und ich freue mich auf ein Gespräch mit ihr. An unsere Leserinnen und Leser ist aber weiter ihre Bitte gerichtet, sich an sie zu wenden, wenn sie besondere Erinnerungen an den Schriftsteller haben, vielleicht seine Bücher mit Widmung, Briefe oder andere schriftliche Dokumente besitzen. Auch an Fotos und Zeitungsausschnitten mit Berichten über seine Werke und Lesungen ist die Tochter interessiert. Ihre Berliner Anschrift lautet: Maria von Finckenstein, Badensche Straße 6 in 10825 Berlin-Schöneberg, Telefon (01520) 6080509.

Es ist gut zu wissen, dass ein künstlerisches Erbe aus der Vertriebenengeneration so lebendig bleibt und auch weiter behütet wird, was ja bei vielen Persönlichkeiten aus dem ostdeutschen Kulturleben nicht immer der Fall ist. So wissen wir auch jetzt den literarischen Nachlass des Dichterpaares Margarete und Fritz Kudnig gut bewahrt. Die Tochter der Eheleute, Frau Marianne Cornils, hat nun den bisher nicht archivierten Nachlass – in dem sich vor allem viele Manuskripte aus dem Nachkriegsschaffen von Margarete Kudnig befinden – dem Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen übergeben, wo er nun seine endgültige Bleibe gefunden hat. Fritz Kudnig wurde vor allem durch seine Nehrungsgedichte bekannt, sein reges lyrisches Schaffen bereicherte die ostpreußische Literaturszene in der Zeit zwischen den Weltkriegen ungemein. Margarete Kudnig, eine gebürtige Dithmarscherin, schrieb damals auch Texte für Kompositionen von Herbert Brust, der zu dem sich um die Kudnigs formierten Künstlerkreis gehörte wie auch der Königsberger Poet Walter Scheffler. Diese und andere herausragende Persönlichkeiten aus dem Königsberger Kunstschaffen haben sich in das Gästebuch der Kudnigs eingetragen. Fotos, Zeichnungen, Gedichte – letztere vor allem von Walter Scheffler, lassen dies Gästebuch heute als einen Reflektor des damaligen Kulturschaffens erscheinen. So trug sich am 12. Januar 1944 – also vor 68 Jahren – Scheffler mit einem Poem in das Gästebuch ein – betrübt, weil er mit leeren Händen kommen musste. Nur mit seinem „ollen Kopf“, über den er schrieb: „Schön wie ein Tulpenstengel ist er nun freilich nicht. Der späten Blüte Mängel zeigt schon sein Angesicht. Doch zwischen all den Runzeln und unter grauem Haar blüht noch ein munteres Schmunzeln, und das ist heute rar …“ Es wurde noch rarer, denn ein Jahr danach verließ Walter Scheffler mit einem Flüchtlingsschiff seine Heimatstadt Königsberg, gemeinsam mit Agnes Miegel, die ihn ihren „alten lieben Pregelgreis“ nannte. Als der seit frühester Jugend Gehörlose im dänischen Flüchtlingslager seine langjährige Lebensgefährtin heiratete, war die Dichterin seine Trauzeugin. Für das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen bedeutet dieses Buch eine Ergänzung zu dem bereits dort vorhandenen umfangreichen Nachlass von Walter Scheffler. Die ganze Bandbreite des ostpreußischen Kulturschaffens der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wird spürbar, wenn man den gerade erschienenen Novellenband der Königsberger Schriftstellerin Katarina Botsky „In den Finsternissen“ zur Hand nimmt, einem von Martin A. Völker herausgegebenen Reprint, über den wir bereits in der Planungsphase berichteten. Denn der Berliner Kulturwissenschaftler hat es sich zur Aufgabe gemacht, Publikationen herauszugeben, die sich mit den Werken fast vergessener Autoren befassen. Zu ihnen gehören ostpreußische Literaten wie Martin Borrmann, Gutti Alsen und eben Katarina Botsky. Deshalb hatte sich Herr Dr. Völker auch an uns gewandt, weil er etwas über das Umfeld der in Königsberg als Katarina Botzke geborenen Schriftstellerin wissen wollte. Für diese Unterstützung bedankt sich Dr. Völker auch in dem Band, der – eingerahmt in Prolog und Epilog – zehn Novellen enthält, die Botsky zwischen 1911 und 1936 für den „Simplicissimus“ schrieb. Es sind zeitkritische Arbeiten, in denen Schicksale aufgezeigt werden, die in ihrer von Armut und Düsterheit gezeichneten Lebenswelt resignieren und immer tiefer in die Ausweglosigkeit geraten. Katarina Botsky galt vor allem in den 20er Jahren als starke Vertreterin der literarischen Moderne, ihre Novellen beschreiben die Schwere des Seins, sie sind nicht leicht zu lesen und verlangen eine intensive Auseinandersetzung mit den geschilderten Sujets, die für heutige Leser viel Unerklärliches beinhalten. Außer dem anspruchsvollen literarischen Gehalt bieten die Novellen einen beeindruckenden Zeitspiegel, der in dem Nachwort des Herausgebers eine willkommene Erläuterung findet. Herr Dr. Völker plant noch einen weiteren Band mit Botsky-Erzählungen herauszugeben, in dessen Mittelpunkt die bekannteste Erzählung der Schriftstellerin, „Laura oder der Markt zu Wehlau“, stehen wird. Auch ein Buch mit Arbeiten der Schriftstellerin Gutti Alsen steht vor der Herausgabe. Das Bemühen des Berliner Kulturhistorikers für die „fast Vergessenen“ unter den ostpreußischen Schriftstellern ist nicht hoch genug einzuschätzen. Wir danken ihm sehr dafür. Für mich hat dieser Band eine besondere Bedeutung, zeigt er doch auf dem Umschlag eine Federzeichnung von Gertrud Lerbs-Bernecker, die von der ostpreußischen Künstlerin für eine der in dem Band enthaltenen Novellen geschaffen wurde. Da ich mit dieser bedeutenden Malerin und Graphikerin sehr verbunden gewesen war – sie illustrierte auch eine Novelle von mir –, war ich nun erfreut zu lesen, dass sie mehrere Zeichnungen für die Arbeiten von Katarina Botsky angefertigt hatte. (Katarina Botsky „In den Finsternissen“. Hrsg. von Martin A. Völker, Elsinor Verlag, Coesfeld, 108 Seiten, 12,80 Euro, ISBN 978-3-942788-07-6.)

Es hat sich auch sonst viel getan, doch nicht jedes Echo findet sich hier als Widerhall in unserer Kolumne, weil die Zuschriften mit persönlichen Aussagen verbunden sind, die nicht veröffentlicht werden sollen. Von unserem Landsmann Herbert Skroblin aus Wächtersbach habe ich das nicht zu befürchten, denn von ihm stammt ja der Extra-Beitrag in der PAZ Folge 50 über die „Klotzkorken, Schlorren und Paretzkes“, und nun möchte er die Reaktionen der Leser schildern: „Es haben sich einige Leser gemeldet, die das Gerät noch in Aktion gesehen haben und mir wortreich die Arbeit des Klumpenmachers schildern. Dabei zeichnet sich ab, dass die Bezeichnung ,Schneidebank‘ eher im nördlichen Ostpreußen gebraucht wurde. Weiter südlicher, so im Kreis Rastenburg, kannte man die ,Klumpenbank‘. Den mir geläufigen Ausdruck ,Schnitzbank‘ kannte niemand. Ein gebürtiger Angerapper gab mir aber den Tipp, in Grimms Märchen nachzulesen. Und siehe da: Im ,Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen‘ sagt der Sohn beim Weggang vom elterlichen Hof: ,So bitt ich um eine Feuer-, eine Drehbank und eine Schnitzbank mit dem Messer.‘ Die Schnitzbank konnte er bald gut gebrauchen. Als ihn zwei große, schwarze Katzen ansprangen, packte er sie beim Kragen, hob sie auf die Schnitzbank und schraubte ihnen die Pfoten fest. Dann schlug er sie tot und warf sie in das Wasser. Die erste Probe war bestanden, dank der Schnitzbank! Die Brüder Grimm haben das Märchen vor 200 Jahren in Hessen gefunden und herausgegeben. So ist es möglich, dass ich diesen Ausdruck erst nach der Flucht in Hessen kennengelernt habe.“ Also ob diese Methode der Selbstverteidigung bei unseren Kindern gut ankommen würde, sei dahingestellt, das Gegenteil dürfte der Fall sein. Aber wir haben ja heute auch keine Schnitzbank mehr. Lassen wir sie also im Märchen!

Noch ein Nachschrapselchen: Es wird wieder einmal ein Gedicht gesucht, das bisher nirgends zu finden war, auch nicht in meinem mit ostpreußischer Lyrik reich bestücktem Archiv. Denn dass es aus unserer Heimat stammen könnte, darauf weisen die wenigen Angaben hin, die Herr Reimar Vogel machen kann: Seine Schwiegermutter stammte aus Königsberg und konnte noch mit über 100 Jahren einen Teil dieses Gedichtes rezitieren. Und auch die Anfangszeile lässt vermuten, dass es von einem ostpreußischen Autor stammt, denn sie lautet: „Stille, ganz stille ruht der Strand. Nur ein kleiner Knabe, der buddelt noch im Sand.“ So, das war’s! Wer kann sich an dieses Poem erinnern und kann eventuell auch den Verfasser/die Verfasserin nennen? (Reimar Vogel, Ellerried 42 in 19061 Schwerin.)

Wir Ostpreußen haben es nun einmal mit der Dichtkunst, das hat auch schon einer unserer bekanntesten Skribenten, Hans Hellmut Kirst, festgestellt und dies in seinem „Deutschland Deine Ostpreußen“ dokumentiert: „Ostpreußens Literatur ist, gemessen an seiner Bevölkerung, gigantisch gewesen. Vermutlich ist dort jeder zweite, bestimmt aber jeder dritte Einwohner eine Art verhinderter Dichter. Die meisten schreiben jedoch nur heimlich.“ Das hat sich geändert, viele Leserinnen und Leser bringen ihre Gedanken zu Papier, und es vergeht kaum eine Woche, an der nicht irgendein Gedicht auf unseren Schreibtischen landet. Es sind heitere Poeme darunter wie das von Ingrid Preylowski, die sich aus meiner Plauderei über den „Klingerschlitten“ das Histörchen von den 13 Berliner Pfannkuchen heraussuchte und darüber so gelacht hat, dass sie es gleich in Verse setzte. Kommt also in die Mappe „Silvester“ und wird Ende des Jahres unsere Leser erfreuen. Aber auch ernste Gedanken finden ihre Form, und zwei haben wir ausgesucht, weil sie aktuelle Themen ansprechen. Frau Theda van Lessen übersandte uns ein Gedicht ihres 97-jährigen Vaters, in dem er seine Überlegungen zur heutigen Medienwelt in Verse gebracht hat. Der Ostfriese lernte unsere PAZ über seine Frau kennen und wurde zum begeisterten Leser. In dem anderen Gedicht macht sich ein Leser aus Freiburg Gedanken über unser Leben in unserer hektischen Zeit und übersandte es uns als Wegweiser für das nun begonnene Jahr. Wir danken dafür und geben diese Gedichte, die für die PAZ geschrieben wurden, im vollen Text an unsere Leserinnen und Leser weiter.

Eure Ruth Geede


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