20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.01.13 / Zu viele Vorurteile / Neues Buch von Nahost-Experten Ulrich Tilgner enttäuscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

Zu viele Vorurteile
Neues Buch von Nahost-Experten Ulrich Tilgner enttäuscht

Wenn man sich an die beeindruckenden TV-Reportagen von Ulrich Tilgner aus den „Kriegsschauplätzen“ im Nahen Osten erinnert, ist man von seinem aktuellen Buch doch etwas enttäuscht. Er wird seinem eigenen Arbeitsmotiv nicht gerecht: „Die Kunst ist, sich aus der Fülle von Informationen und Desinformationen einen Gesamtüberblick zu verschaffen.“ Es beginnt mit dem Titel „Logik der Waffen. Westliche Politik im Orient“. Mit dem Begriff „Logik der Waffen“ bedient er ein altes Klischee. Er negiert den Primat der Politik, der über den Einsatz oder Nichteinsatz von Waffen entscheidet. Seine „westliche“ Politik im Orient gibt es nicht. Es ist gerade das Fehlen einer koordinierten „westlichen“ Politik ein wesentlicher Mangel.

Seine Bewertungen von Details leiden unter einem Vorurteil: Das sind die Vereinigten Staaten, die für die meisten Probleme im Orient verantwortlich gemacht werden. Natürlich haben die USA in ihrer Außenpolitik viele Fehler begangen. Wenn man im Nahen jedoch die Sonde etwas tiefer ansetzt, stößt man auf die damaligen Großmächte Frankreich und Großbritannien, die durch ihre willkürlichen Grenzziehungen nach dem Ersten Weltkrieg und durch das Einsetzen fremder Herrscher ohne Rück-sichten auf ethnische und religiöse Strukturen den Samen für die aktuellen Probleme gelegt haben.

Es ist Tilgner nicht anzulasten, dass seine Abschnitte über Syrien und Ägypten durch zwischenzeitliche Ereignisse überholt sind. Überholt sind aber auch seine Aussagen zur Abhängigkeit der USA von ausländischen Öl- und Gaslieferungen. Durch die Ausbeutung neuer Vorkommen sind die USA auf dem Wege zur nationalen Autarkie in den nächsten zwei bis drei Dekaden. Bereits heute kosten Öl und Gas in den USA ein Drittel dessen, was wir in Europa bezahlen. Das kommt der Erholung der amerikanischen Industrie zu Gute.

In der Bewertung des Irans sieht er wieder den Grund des Scheiterns von mehrjährigen Verhandlungen im „Westen“. Das ist fragwürdig. Die meisten Experten sind mittlerweile zu der Bewertung gelangt, dass es dem Iran nur um ein Ziel ging: Zeitgewinn für die weitere Entwicklung von Nuklearwaffen. Er spricht auch nicht an, dass ein Scheitern des syrischen Präsidenten Assad ein schwerer Rückschlag für die regionalen Hegemonieansprüche des Irans wäre.

Es ist ihm zuzustimmen, wenn er schlussfolgert: „Die zivilen Programme zum Wiederaufbau Afghanistans sind gescheitert.“ Der UN und der EU ist es tatsächlich nicht gelungen, die bis zu 1500 in Afghanistan registrierten Hilfsorganisationen auf ein gemeinsames Programm einzuschwören. Das Scheitern – und da hat Tilgner recht – des deutschen Programms für den Aufbau der afghanischen Polizei gehört in diese Kategorie.

Er schreibt, dass es den USA nicht gelungen sei, „Al-Kaida zu vernichten“. Das war auch nie ein realistisches Ziel. Den dezentralen, in kleinen Trupps und Gruppen agierenden Terrorismus kann man weltweit nicht besiegen. Wahr ist jedoch, dass Al-Kaida in Afghanistan vernichtet ist und in Pakistan eine schwere Schwächung hat hinnehmen müssen. Wegen des Drucks auf Al-Kaida in Pakistan haben die Dschihadisten ihren Schwerpunkt nach Nordafrika verlegen müssen – siehe Mali.

Wenn er sich bei einer Aussage „auf einen Tagelöhner im Basar“ bezieht, dann ist dies doch eine schwache Basis für verallgemeinernde Bewertungen und Schlussfolgerungen.

Positiv zu bewerten sind die Personen-, Sach- und Ortsregister sowie das Literaturverzeichnis und die Kartenausschnitte, die das Studium des Buches erleichtern

Das Buch bietet eine Menge interessanter Informationen über die Lage im Orient, die von Land zu Land völlig verschieden ist. Es fehlt jedoch das große Bild mit einem vorurteilslosen Blick in eine mögliche Zukunft der Region.

Dieter Farwick

Ulrich Tilgner: „Die Logik der Waffen. Westliche Politik im Orient“, Verlag orell füssli, Zürich, 2012, gebunden, 264 Seiten, 19,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren