19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
26.01.13 / Spielzeug der Rotarmisten / Ins Deutsche übersetzte Kriegserinnerungen einer Siebenbürgerin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-13 vom 26. Januar 2013

Spielzeug der Rotarmisten
Ins Deutsche übersetzte Kriegserinnerungen einer Siebenbürgerin

Der Titel „Frau an der Front“ verwirrt, denn man denkt, die Lebenserinnerungen der 1925 im siebenbürgischen Klausenburg geborenen Alaine Polcz erzählen von ihrer Zeit als Soldatin oder Krankenschwester, doch dies ist nicht der Fall. Die 2007 in Budapest verstorbene Psychologin und Begründerin der ungarischen Hospizbewegung, deren Aufzeichnungen erst jetzt in die deutsche Sprache übersetzt wurden, war als Zivilistin zwischen die Fronten geraten. Zu Beginn schildert sie ihre Hochzeit als 19-Jährige mit ihrer Jugendliebe Janos und dass der Zweite Weltkrieg sie nicht sonderlich berührt hat. Vielmehr war sie voll und ganz auf den Umstand konzentriert, dass sie, die nie mit jemand anderem Sex hatte als mit ihrem Mann, plötzlich Syphilis hatte. Als Reaktion darauf hörte ihr Ehemann auf, mit ihr zu sprechen, was gerade in dem Moment, in dem sie vor den herannahenden Kriegsgeschehnissen fliehen mussten, sehr bedrückend für die junge Frau war.

Polcz beschreibt ihre Flucht und wie sie letztendlich ohne ihren inhaftierten Mann dafür aber mit ihrer Schwiegermutter zwischen die Fronten gerät. Mal sind es deutsche und mal russische Soldaten, die das Gebiet beherrschen, je nach Schlachtenverlauf. Erst hier beginnen die Kriegserinnerungen den Leser zu berühren. Der schwelende Streit mit ihrem Mann Janos zuvor lässt den Leser hingegen kalt, auch springt Polcz manchmal in der Chronologie hin und her, erwähnt Leute, die sie erst später oder gar nicht vorstellt, und vieles wirkt hölzern und abgehackt in den Formulierungen.

Passt der Stil – oder ist es Folge einer schlechten Übersetzung – nicht zum Anfang des Buches, so ist er doch ab dem Moment angebracht, wo die Vergewaltigungen durch die Russische Armee beginnen. Dass die Autorin hier manchmal mitten im Gedanken endet oder nur andeutet, ist im Interesse des Lesers, denn auch jetzt ist das, womit uns Polcz konfrontiert, hart genug. Letztendlich schreibt sie, dass sie nicht im Entferntesten eine Ahnung hat, wie oft sie von Rotarmisten vergewaltigt wurde. Oft genug verlor sie selbst an einzelnen Tagen den Überblick. Ständig blutete sie, ohne sich reinigen zu können. Eine sehr schlimme Gonorrhö war die Folge.

Man kann verstehen, warum Polcz sich damals umbringen wollte. Doch trotz aller Grausamkeiten, die sie sah und erlebte, hing sie schlussendlich doch am Leben. Rebecca Bellano

Alaine Polcz: „Frau an der Front“, Suhrkamp, Berlin 2012, gebunden, 230 Seiten, 22,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren