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02.02.13 / Patriot auf verlorenem Posten / Für Jakob Kaiser stand die deutsche Einheit an erster Stelle – Er war der Gegenspieler Konrad Adenauers in der CDU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-13 vom 02. Februar 2013

Patriot auf verlorenem Posten
Für Jakob Kaiser stand die deutsche Einheit an erster Stelle – Er war der Gegenspieler Konrad Adenauers in der CDU

„Kein deutscher Politiker kann vor der Geschichte bestehen, der die Hand dazu bieten würde, die Vereinigung der deutschen Teile zu verhindern oder sie auch nur hinauszuschieben.“ Der CDU-Politiker Jakob Kaiser war es, der im Juni 1947 dieses Postulat erhob. Weiter führte er aus, dass es weder östlich noch westlich orientierte Politiker geben dürfe, sondern nur deutsche, deren Willen auf den Zusammenhalt gerichtet sei.

Schon dieser kleine Ausschnitt ist für das nahezu rastlose Wirken Kaisers seit Mitte 1945 symptomatisch: Das Ziel, dem er die höchste Priorität einräumte, hatte er klar formuliert – die deutsche Einheit. Ebenso eindeutig hatte er die seiner Meinung nach einzige Möglichkeit aufgezeigt, um dieses Ziel zu erreichen – einen Weg zwischen Ost und West, einen „dritten Weg“. Und schließlich war Kaiser, wie so oft, viel Beifall beschieden. Dabei blieb es allerdings. Seine Forderungen und Mahnungen verhallten zwar nicht ungehört, wurden in der Praxis aber kaum als Orientierung betrachtet und schon gar nicht in politisches Handeln umgesetzt. Ein Teil der Vorstellungen Kaisers mag illusorisch gewesen sei, dennoch verdient er eine besondere Würdigung, gerade in der heutigen Zeit, in der die Westbindungs-Politik Konrad Adenauers meist unhinterfragt als einzig mögliche und vor allem allseits unterstützte präsentiert wird.

Es gibt nicht viele führende Politiker, denen die deutsche Einheit in der Nachkriegszeit und den Anfangsjahren der Bundesrepublik ein Herzensanliegen war und die man ohne Einschränkung als Patrioten bezeichnen kann. Jakob Kaiser steht hier in der ersten Reihe, ebenso wie der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher und Thomas Dehler von der FDP. Eine entsprechende Haltung war also bei allen großen Parteien zu finden. Im Übrigen waren die drei Genannten konsequente Gegner der Nationalsozialisten gewesen.

Jakob Kaiser wurde am 8. Februar 1888 in Hammelburg geboren. Der gelernte Buchbinder engagierte sich in der Zentrumspartei sowie in der christlichen Gewerkschaftsbewegung. Hier hatte er verschiedene Führungspositionen inne. Nachdem 1933 jegliche Gewerkschaftsaktivität verboten war, fiel Kaiser die Aufgabe zu, für die materielle Absicherung der ehemaligen Funktionäre zu sorgen. Dies war mit vielen Reisen verbunden, die Kaiser nutzte, um den Widerstand zu vernetzen. Kontakt hatte er zu zahlreichen Persönlichkeiten, unter anderem stand er in engem Austausch mit Carl Goerdeler. Bereits 1938 war Kaiser für ein halbes Jahr in Gestapohaft gewesen. Nach dem Staatstreichversuch des 20. Juli 1944 musste er untertauchen, bis Kriegsende lebte er versteckt in Berlin.

Später war es ihm ein Anliegen, dem Widerstand ein ehrendes Andenken zu bewahren. Er verwendete sich auch mehrfach für Hans Globke, den er in Kontakt mit führenden Widerstandskreisen gebracht hatte. Kaisers oppositionelles Wirken gegen das NS-Regime stellte niemand infrage, wodurch er den Besatzern selbstbewusst gegenübertreten konnte.

Im Juni 1945 gehörte er zu den Mitbegründern der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands in der sowjetischen Besatzungszone, im Dezember desselben Jahres übernahm er den Vorsitz. Die Partei erhob gesamtdeutschen Anspruch, was jedoch aufgrund des sich schnell verstärkenden Einflusses der Sowjets beziehungsweise der SED immer weniger realistisch erschien. Im Dezember 1947 wurde Kaiser, der sich jeglicher Vereinnahmung durch die „Blockpolitik“ strikt verweigert hatte, faktisch abgesetzt.

In diese Jahre fiel der Höhepunkt seines politischen Einflusses. Im Gegensatz zu Adenauer, der früh auf die Bindung des im Westen entstehenden Teilstaates an die „freie Welt“ setzte, hatte Kaiser immer ganz Deutschland im Blick. „Wir haben Brücke zu sein zwischen Ost und West, zugleich aber suchen wir unseren eigenen Weg zu gehen zu neuer sozialer Gestaltung.“ Kaiser erteilte sowohl dem Marxismus als auch dem Liberalismus eine klare Absage. „Synthese“ war einer seiner Leitbegriffe, „östliche“ und „westliche“ Ideen wollte er vereinen. Vom Osten war für ihn die Umwälzung der sozialen Verhältnisse ausgegangen, vom Westen die Proklamation der Menschenrechte. Dies mündete in Kaisers Konzept eines „christlichen Sozialismus“. Außenpolitisch korrespondieren sollte ein neutrales Deutschland, dem eine Mittlerrolle zugedacht war. Hier sah Kaiser eine Möglichkeit, die sich abzeichnende Spaltung zu verhindern. Im November 1947 mahnte er: „Für die Teilung Deutschlands in vier Zonen trifft nicht uns die Verantwortung. Unsere Schuld aber würde da anfangen, wo wir uns mit dieser Teilung abzufinden beginnen.“ Dass die Einheit nur ohne jegliche Einschränkung von Freiheit erstrebenswert war, stand für ihn außer Frage.

Zentraler Ausgangspunkt für Kaiser war Berlin. Sein westdeutscher Gegenpart Adenauer, der sich nicht scheute, Kaiser eine heimliche Zusammenarbeit mit den Sowjets nachzusagen, setzte sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges letztlich durch. Bezeichnend für Adenauer ist der denunziatorisch gemeinte und in diesem Zusammenhang zugleich unsinnige Satz: „Wer Berlin zur neuen Hauptstadt macht, schafft geistig ein neues Preußen.“ Die Sowjets ihrerseits stellten Kaiser als Agenten der Amerikaner dar.

Ab 1949 wirkte er in der Bundesrepublik als Minister für gesamtdeutsche Fragen und Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse. Adenauer musste den ungeliebten Widersacher einbinden. Dieser wich oftmals von der Linie des Kanzlers ab. Kaiser war der Überzeugung, dass die Einheit nicht gegen die Sowjetunion zu erreichen sei. 1952 wollte er die Stalin-Note als zu prüfendes Angebot verstanden wissen. Dies erregte den Unmut Adenauers, ebenso wie Kaisers Engagement für die Rückkehr des Saarlands nach Deutschland anstelle einer „Europäisierung“.

Seit 1957 schwer erkrankt, ist Jakob Kaiser am 7. Mai 1961 in Berlin gestorben.

Offen bleibt, ob Kaisers „Brücke-Konzept“ von vornherein unrealisierbar war. Unbestritten ist sein Rang als überzeugter Kämpfer für die deutsche Einheit in Freiheit, der auch betonte: „Miss­achtetes Nationalempfinden ist stets Nährboden für falschen und aggressiven Nationalismus.“ Erik Lommatzsch


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