20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.02.13 / Selbstlos verzichtete er auf Patentierung / Nicht nur Bescheidenheit zeichnete den Charakter des Entdeckers der Röntgenstrahlen aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-13 vom 09. Februar 2013

Selbstlos verzichtete er auf Patentierung
Nicht nur Bescheidenheit zeichnete den Charakter des Entdeckers der Röntgenstrahlen aus

Seinen Schulkameraden verriet er nicht, so sehr man ihm auch drohte. Röntgen hatte in der Klasse eine gemalte Karikatur des Lehrers betrachtet. Als dieser den Namen des Übeltäters verlangte, schwieg Röntgen. Man verwies ihn 1863 der Schule, kurz vor dem Abitur. Er lernte alleine und wollte ein Jahr später die Reifeprüfung ablegen. Aber er hatte das Pech, dass der betreffende Lehrer in der Kommission saß und ihn durchfallen ließ. Ein Studium war ihm nun verwehrt.

Wilhelm Conrad Röntgen wurde am 27. März 1845 in Lennep, heute Remscheid, als einziger Sohn eines Tuchfabrikanten geboren. 1848 zog die Familie nach Apeldoorn. Seine Rettung nach dem Rausschmiss aus der Technischen Schule in Utrecht war, dass er von der Möglichkeit erfuhr, in Zürich am Eidgenössischen Polytechnikum nach strenger Aufnahmeprüfung auch ohne Abitur studieren zu können. Aufgrund seiner vortrefflichen Zeugnisse erließ man ihm die Prüfung. Er studierte Maschinenbau, danach Physik bei dem Professor August Kundt. Ein Jahr später promovierte er an der Universität Zürich. In Zürich lernte er Bertha, eine Gastwirtstochter, kennen. Die beiden heirateten 1872 in Apeldoorn. 1870 begleitete Röntgen als Assistent August Kundt nach Würzburg. Er wollte sich habilitieren, was aber misslang. In Bayern war so etwas ohne Abitur undenkbar. Als Kundt 1872 nach Straßburg ging, folgte Röntgen ebenfalls. 1874 wurde er dort habilitiert und bekam ebendort zwei Jahre später eine außerordentliche Professur. Nächste Station war 1879 die Universität Gießen als ordentlicher Professor mit festem Gehalt. 1888 erhielt er ein Ordinariat an der Universität Würzburg. Dort, wo man ihm einst die Habilitationsmöglichkeit verweigert hatte, wurde er 1894 sogar Rektor. Längst galt er in der Fachwelt als einer der besten Experimentatoren.

Die Nacht des 8. November 1895 sollte Röntgens Leben verändern. Er untersuchte elektrische Entladungen bei hoher Spannung in einer fast luftleeren Kathodenstrahlröhre. Leuchterscheinungen in der Röhre erhellten das Labor. Röntgen umhüllte die Röhre mit schwarzem Karton, so dass kein Licht mehr heraustreten konnte. Dennoch entdeckte er in zwei Metern Entfernung einen aufleuchtenden Fluoreszenzschirm, verursacht durch eine unbekannte Strahlung, die alles zu durchdringen schien. Geriet die Hand zwischen Röhre und Leuchtschirm, sah man Knochen. Das erste Röntgenbild der Welt entstand von der Hand seiner Frau. Die Entdeckung nannte er X-Strahlen. Im Dezember legte er das Ergebnis seiner Arbeit der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg vor. Im Januar 1896 lud ihn der Kaiser ins Berliner Schloss zum Bericht. Der erste Vortrag mit Demonstrationen erfolgte am 23. Januar 1896 vor der besagten Würzburger Gesellschaft unter dem Vorsitz des Nestors der Anatomie, Albert von Koelliker. Dieser schlug vor, die X-Strahlen „Röntgenstrahlen“ zu nennen.

Rasend schnell breitete sich in der Fachwelt die Kenntnis darüber aus. Viele glaubten an eine neue Art der Photographie. X-Strahlen-sichere Unterwäsche wurde in England angeboten. Von den Gefahren ahnte niemand etwas. Auf eine Patentierung seiner Strahlen verzichtete der bescheidene Wissenschaftler, weil seines Erachtens seine Erfindungen und Entdeckungen der Allgemeinheit gehörten und nicht durch Patente, Lizenzverträge und dergleichen einzelnen Unternehmungen vorbehalten bleiben durften. Folglich wurde die Strahlung schnell überall alltagstauglich.

1900 folgte Röntgen einem Ruf nach München und blieb dort bis zur Emeritierung. Röntgen erhielt 1901 als erster Physiker und Wissenschaftler überhaupt den neu gestifteten Nobelpreis in Stock­holm. Einen Festvortrag hielt er nicht. Die 50 000 Kronen Preisgeld gab er der Universität Würzburg. Nach dem Tod seiner Frau 1919 vereinsamte er und starb krank am 10. Februar 1923. Er verfügte testamentarisch, den wissenschaftlichen Nachlass zu verbrennen, ein Wunsch, dem seine Freunde zum Leidwesen der Wissenschaft nachkamen.   Silvia Friedrich


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren