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09.02.13 / Warten auf den Tod / Wenn die Pflege der Eltern die Liebe zu ihnen auf die Probe stellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-13 vom 09. Februar 2013

Warten auf den Tod
Wenn die Pflege der Eltern die Liebe zu ihnen auf die Probe stellt

Der Titel „Mutter, wann stirbst du endlich?“ klingt hart und herzlos. Aber vermutlich hat gerade er dafür gesorgt, dass viele das Buch gekauft haben und es zu einem Bestseller wurde. Das Thema, um das es im Buch geht, ist nämlich ansonsten keines, was massenhaft Leser anzieht. „Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird“ lautet der unscheinbar gedruckte Untertitel und deutet darauf hin, dass es hier um ein ernstes Thema geht.

Martina Rosenberg schildert in dem Buch ihre Erfahrungen mit der Pflege ihrer Eltern. Erst fand sie es toll, mit ihrem Mann und ihrer Tochter ins Haus der Eltern zu ziehen. Zwar war sie sich bewusst, dass diese irgendwann ihrer Unterstützung bedürfen, nur machte sich die 1963 Geborene dabei keine Gedanken über die Art der Unterstützung. Sie dachte eher an so was wie Einkäufe erledigen und zum Arzt fahren, doch als ihre Mutter an Alzheimer erkrankte, wurde klar, dass es um mehr gehen würde.

Die Lektüre des Buches ist keine Freude. Manchmal legt man selbst das Buch erschöpft zur Seite, weil die dargestellten Szenen zermürbend sind und sich kein Ausweg abzeichnet. Denn nicht genug, dass Rosenbergs Mutter an Alzheimer erkrankt und innerhalb kürzester Zeit ihre Persönlichkeit verliert, auch der erblindende Vater spielt verrückt. Stand er zuvor immer im Zentrum der Aufmerksamkeit seiner Frau, steht diese plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit aller. Sein Frust endet in Depression und Aggression, so dass die Tochter stets das Gefühl hat, sie kann es niemandem recht machen. Allerdings kann man auch den Vater verstehen, wenn er beispielsweise irgendwann seiner Frau, die immer wiederholt, sie wolle nach Hause, obwohl sie doch daheim ist, Hut und Mantel anzieht und sie vor die Tür schickt.

Trotzdem könnte so mancher, der seine Eltern selbst gepflegt hat oder pflegt, der Meinung sein, dass es der Autorin noch relativ gut geht. Denn Rosenberg hat offenbar nie ihrer Mutter den Hintern abputzen müssen oder Ähnliches, für so etwas lässt sie sich Pflegerinnen kommen. Zwar koordiniert sie die Pflege, doch sie selbst geht noch zur Arbeit außer Haus. Viele andere, die ihre Eltern pflegen, haben diesen Luxus nicht, sie kümmern sich 24 Stunden durchgehend um ihre Eltern, haben nie Pause.

Trotzdem ist nachvollziehbar, dass Rosenberg mit Mann und Tochter aus dem Haus der Eltern auszieht, um nicht ständig mit dem Elend konfrontiert zu sein. Ihre eigene ständige Gereiztheit und Abgeschlagenheit schadet schließlich auch der Ehe.

Absolut kaltherzig erscheint es, wenn Rosenberg und ihre beiden Brüder nahezu erfreut reagieren, als sie erfahren, dass ihre Mutter eine Lungenentzündung hat. Sie entscheiden sich gegen Antibiotikum und somit für den baldigen Erstickungstod der Mutter. Diese hätte es bestimmt auch so gewollt, sagen sie. Nun gut, als die Mutter noch wusste, wer sie war, verschenkte sie ihre Sachen und bat, endlich sterben zu dürfen, demzufolge spricht einiges für die These der Kinder, allerdings ist ein langsamer Erstickungstod  ein sehr grausames Ende.

„Dann plötzlich, um sechs Uhr morgens“, so Rosenberg am Ende des Buches, „hört sie auf zu atmen. Einen Augenblick später stöhnt sie noch einmal laut auf, und für eine Sekunde steht die Welt für mich still. Ich halte die Luft an. Ein letzter, hörbarer Hauch entweicht ihrem Körper. Es ist vorbei. Sie hat es geschafft! Als ich wieder einatmen will, schluchze ich auf, und dann beginne ich, haltlos zu weinen. Ich kann nicht mehr aufhören. Ich weine um sie und um mich und um all die sinnlosen, grausamen Jahre, die nun endlich hinter uns liegen.“      Rebecca Bellano

Martina Rosenberg: „Mutter, wann stirbst du endlich? Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird“, Blanvalet, München 2013, geb., 253 Seiten, 19,99 Euro


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