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16.02.13 / Was für ein Jammertal! / 225 Jahre Schopenhauer: Wo ein Wille aus Danzig die Welt regiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-13 vom 16. Februar 2013

Was für ein Jammertal!
225 Jahre Schopenhauer: Wo ein Wille aus Danzig die Welt regiert

Die Abneigung war deutlich. „Scharlatan“, „Windbeutel“, „Pinsel“, „Affe“ – diese Ausdrücke kritzelte Arthur Schopenhauer an den Rand seiner Bücher von Fichte, Schelling oder Hegel. Kein Wunder, dass er die zeitgenössischen Denker verachtete, schließlich hat ihn seine eigene pessimistische Weltsicht zum Misanthropen geformt.

Dabei wurde der am 22. Februar 1788 in Danzig geborene Philosoph mit einem goldenen Löffel im Mund geboren, entstammte er doch einer wohlhabenden Kaufmannsdynastie. Als die Freistädte Danzig und Thorn 1793 infolge der Zweiten Polnischen Teilung an Preußen gingen, verloren sie ihre Autonomie. Für die Patrizierfamilie war das der Anlass, nach Hamburg überzusiedeln. Wie der Va­ter, so sollte auch der Junior Kaufmann werden. Er hasste aber das Kontoristen-Dasein, widmete sich lieber der Kunst. Als der Vater 1805 vermutlich durch Selbstmord starb, war der Sohn frei. Finanziell abgesichert durch das Familienvermögen stürzte er sich in Gotha und Weimar, wohin seine schöngeistige Mutter Johanna gezogen war, auf die Philosophie.

Wie die frühesten Denker der Antike, so zerbrach sich auch Schopenhauer den Kopf darüber, was nun zuerst war: Henne oder Ei. Im frühen 19. Jahrhundert schien die Antwort unter den Vorgaben des idealistischen Denkens durch Kant klar. Der menschliche Geist und nicht das gemeine Materielle, das Subjekt und nicht das Objekt waren das Maß aller Dinge. Und jetzt kommt Schopenhauer ins Spiel. Schon in seiner Dissertation über den „Satz vom zureichenden Grunde“ wies er auf die fehlenden Kausalzusammenhänge hin, die den Geist zu Entscheidungen drängen. Er war erst um die 30 Jahre alt, als er diesen Gedanken in seinem über 1000-seitigen Opus magnum „Die Welt als Wille der Vorstellung“ zu Ende führte. Es ist ein triebgesteuerter, unbewusster Wille, der alles steuert und – um im Bilde zu bleiben – ziemlich faule Eier in die Welt setzt. Elend, Gewalt, Krieg sind das Ergebnis dieses „erhabenen Geistes“ und machen die Welt zu einem „Jammertal“.

Mit diesen Ideen wollte Schopenhauer in Berlin als Dozent reüssieren. Doch dort strömte alles in die Vorlesungen des Konkurrenten Hegel, aber keiner zum Miesepeter Schopenhauer. Als 1831 in Berlin eine Choleraepidemie ausbrach – an der Hegel mutmaßlich starb –, floh Schopenhauer nach Frankfurt am Main, wo er bis zu seinem Tod 1860 kaum mehr tat, als sich mit buddhistischer Glaubenslehre zu beschäftigen und mit seinem Pudel Ataman täglich an der Mainpromenade zu spazieren.

Sein Hauptwerk, das bis dahin wie Blei in den Regalen lag, kam mit der Revolution von 1848/49 unerwartet in Mode. Plötzlich sah jeder das feudalistische Jammertal vor sich, jetzt las man Schopenhauer, der als Untergangsprophet bewundert wurde. Nietzsche verehrte ihn als seinen „Erzieher“. Von Schopenhauers Satz „Erst bin ich, dann die Welt“ bis zu Nietzsches „Gott ist tot“ war es dann nur ein kleiner Schritt. Von Richard Wagner über Tolstoi und Thomas Mann bis hin zu den existenzialistischen Denkern des 20. Jahrhundert wie Sartre reicht die Wirkung seiner Bücher, die jenseits der Kathederphilosophie vor Aphorismen nur so sprühen. Harald Tews


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