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16.02.13 / Nackte Wahrheit zum Abgewöhnen / »Nudisten raus!« – San Francisco macht Front gegen Bürger, die völlig unbekleidet durch die Straßen wandeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-13 vom 16. Februar 2013

Nackte Wahrheit zum Abgewöhnen
»Nudisten raus!« – San Francisco macht Front gegen Bürger, die völlig unbekleidet durch die Straßen wandeln

Egal welches Wetter oder welche Jahreszeit – seit Jahren laufen Nudisten völlig nackt durch die Straßen von San Francisco. Jetzt regt sich in der als liberal geltenden Stadt der Widerstand dagegen. Seit Anfang Februar müssen die Nackedeis mit Gefängnisstrafen rechnen, wenn sie wiederholt öffentlich ein Ärgernis erregen.

Ein älterer Herr mit grauem Schnauzbart hat es sich im Straßencafé gemütlich gemacht. Bekleidet mit nichts anderem als Schuhen, Sonnenbrille und Baseball-Kappe. Um die Ecke, auf dem kleinen Marktplatz, lärmt wie fast an jeden Nachmittag eine feucht-fröhliche Männer-Gesellschaft, weder jung noch schön, doch nackt wie Gott sie schuf. Ein blasser Jüngling schleppt einen schwarzen Rucksack auf dem neben den restlichen Körperteilen entblößten Rücken. Zwei bodygebildete Schwarze verschwinden in einem Liquor-Store, wie die Tante-Emma-Läden in den USA heißen, völlig unbekleidet. Und das sind keineswegs alle der sogenannten „Naked Guys“, der „Nackten Jungen“, die an der Jane Warner Plaza, Ecke Market und Castro Street, die Hüllen fallengelassen haben. Willkommen in San Franciscos Castro-Distrikt.

San Francisco nennt sich gern die „freieste Stadt der Welt“, und der vibrierende Castro District, kurz „Castro“ genannt, gehört zu seinen bekanntesten Stadtteilen. „Den Castro muss man gesehen haben“, empfehlen die Reise-Büros. Und so mischen sich Touristen, die jährlich der Stadt Milliarden einbringen, unter das farbenfrohe Völkchen von „Gay City“, der größten und bekanntesten Homosexuellen-Gemeinde der Welt. Doch laufen im Castro nicht nur Paradiesvögel herum, sondern er hat auch viele normale Einwohner wie Familien mit Kindern. Zu seinen homosexuellen Bewohnern gehören prominente Künstler, Literaten, Politiker und andere Angehörige der gesellschaftlichen Elite der Stadt.

In den 70er Jahren wurde ein führender Aktivist, Harvey Milk, der erste offiziell homosexuelle Bürgermeister von San Francisco. Sein Leben und seine Ermordung 1973 durch einen rechtsextremen Republikaner zeigt der preisgekrönte Hollywood-Film „Milk“ mit Sean Penn. So geriet der Castro schon früh zum führenden internationalen Schauplatz für den Kampf um Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften bis hin zur Homo-Ehe. Das ist die ernsthafte Seite.

Was nun die Nackten betrifft wurde der Castro von 1910 bis 1920 von naturverbundenenen Schweden, Norwegern, Dänen und Finnen bewohnt und „Little Scandinavia“ genannt. Danach war er Heimat irischer Einwanderer. Alles ganz normal. Bis das US-Militär während des Zweiten Weltkrieges begann, wegen Homosexualität entlassene Soldaten im Castro abzuladen, was im Lauf der Jahre zur „Gay City“ führte mit ihrer eigenen

U-Bahn-Station, einer eigenen roten Straßenbahn, dem populären Kino „Castro Cinema“, schicken Restaurants und Geschäften sowie einem eigenen „History Museum“ (ähnlich wie das „Schwule Museum“ in Berlin), das der Geschichte der Homosexuellen und ihrem Kampf um Gleichberechtigung gewidmet ist.

Die „Naked Guys“ tauchten lange eher sporadisch in der Market- und der Castro Street auf und waren vor allem Nudisten. Das änderte sich, als vor zwei Jahren die „Jane-Warner-Plaza“ entstand. Plötzlich strömten Scharen von „Nackten Jungen“ (nur selten Frauen) dorthin, in Restaurants, Läden und die anliegenden Straßen. Zum wachsenden Ärger von Familien, Geschäftsinhabern und den Homosexuellen, die ihre ernsthaften Aktionen in ein falsches Licht von Perversion und Lächerlichkeit geraten sahen.

Da setzte der für den Castro-Bezirk zuständige Stadtabgeordnete Scott Wiener vor einem Jahr das „Handtuch-Gesetz“ durch, nach dem die bloßen Herren doch bitte ein Tüchlein zwischen Sitzflächen wie auf Bänken und in Restaurants und ihren unbedeck­ten Körperteilen zu legen haben. Eine Demonstration von „Naked Guys“ blieb ungehört. Doch die Anzahl der nackten Popos vermehrte sich danach aus Rache rapide. Allerdings mit demonstrativen Ulk-Verzierungen der sichtbaren unteren Scham-Regionen wie auch teilweise öbszön ge­schmückte Schuhe und Sonnenhüte. Und ausgerechnet Wiener, der sich selbst zur Homosexualität bekennt, holte wenig später zu zwei neuen Schlägen aus: Seit November ist der Lendenschurz Pflicht. Und seit Februar muss man mit bis zu 500 Dollar Strafe rechnen, wenn man nackt erwischt wird, im Wiederholungsfall droht Gefängnis.

„Nackte raus!“, heißt es nun in San Francisco. Mit Ausnahmen: Bei der jährlichen „Gay Pride-Parade“, der „Folsom Street Fair“ (dem größten Leder-Fest der Welt) und einem prominenten Winter-Marathon im eiskalten San Francisco dürfen die Hosen und Röcke weiter zu Hause gelassen werden. Das war den Naturliebhabern jedoch kein Trost. Nach nackten Protest-Aktionen vor dem Rathaus haben sie jetzt eine Klage eingereicht.

Dazu sagte die 43-jährige Organisatorin Gypsy Taub, die selbst Moderatorin einer eigenen Fernseh-Show mit Namen „My Naked Truth TV“ ist: „Dieses Gesetz ist der Beweis, dass die Politiker die Stadt zurückbringen wollen in das dunkle Zeitalter von Furcht und Scham vor dem eigenen Körper.“ Und der Web-Designer Mitch Hightower fügt hinzu: „Allmählich merzen sie alles aus, was als ,Nur in San Francisco‘ weltberühmt ist.“

Honi soit qui mal y pense! Doch wer würde schon schlecht über die Nackten denken, der je auf Sylt, Buhne 16, war? Liselotte Millauer


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