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16.02.13 / Es war einmal und ist nicht mehr / Amüsante Anekdoten über längst ausgestorbene Berufe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-13 vom 16. Februar 2013

Es war einmal und ist nicht mehr
Amüsante Anekdoten über längst ausgestorbene Berufe

Wer weiß schon, welche Abläufe die Arbeit eines Lithografen umfasste oder die eines Köhlers? Vollkommen unbekannt dürfte hingegen der längst verschwundene Beruf eines Fischbeinreißers oder der eines Ameislers sein. In ihrem kurzweiligen Buch „Von Kaffeeriechern, Abtrittanbietern und Fischbeinreißern. Berufe aus vergangenen Zeiten“ erläutern die Journalistin und Kulturwissenschaftlerin Michaela Vieser und die Illustratorin Irmela Schulz auf unterhaltsame Weise den Hintergrund und das Tätigkeitsfeld von 14 früheren, heute überwiegend in Vergessenheit geratenen Berufen. Einige davon haben sich bis zum Zweiten Weltkrieg gehalten.

Bei ihrer aufwendigen Recherche zu den untergegangenen Berufen verbrachten die beiden Autorinnen viel Zeit in Archiven sowie mit der Auswertung von Romanen und Gemälden. Das Ergebnis ist eine Sammlung von fundierten Einzelbeiträgen mit staunenswerten, oft vergnüglichen Aspekten, womit sich Einblicke in historische Lebenswelten ab der römischen Kaiserzeit eröffnen. Am Anfang jedes mehrere Seiten umfassenden Kapitels steht ein Steckbrief des betreffenden Berufes, beginnend mit einer kurz gefassten Erklärung, zum Beispiel für „Ameisler“: „Person, meist männlich, die Ameisenpuppen sammelte und sie als Vogelfutter oder Medizin verkaufte.“ Lobend erwähnt sei auch die farbenfroh und phantasievoll gestaltete Illustration mit einer doppelseitigen Abbildung für jedes Kapitel: Vor einem Hintergrund mit Auszügen aus zeitgenössischem, gedruck-tem Schrifttum hantieren die jeweiligen Berufsausübenden, seien es Lumpensammler, Wanderprediger, Bänkelsänger, Sesselträger oder eine Spreewälder Amme mit ihren besonderen Gerätschaften. Ein umfassendes Register erleichtert das gezielte Nachschlagen im Buch.

Das Vorwort verweist auf die große inhaltliche Bandbreite der ins Blickfeld geratenen Zusammenhänge: „Wie global auch früher schon gehandelt wurde, lässt sich … am Beispiel der Märbelpicker verdeutlichen; sie klopften in Thüringen Murmeln, die in den Seeschlachten eingesetzt wurden. So mancher Pirat wird geflucht haben über diese vertrackten Murmeln. Dass thüringische Märbel die Hauswände von Kolonialstädten schmückten, fand ich genauso wichtig wie die Gründe, warum die Thüringer überhaupt auf die Idee kamen, Murmeln zu produzieren“ (M. Vieser).

Kaffee, heute die weltweit zweitwichtigste Handelsware, war unter Friedrich dem Großen ein hoch besteuertes Genussmittel. Der Durchschnittsbürger konnte sich das überaus beliebte Getränk infolgedessen kaum noch leisten, es sei denn durch den Erwerb geschmuggelter Bohnen, die denn auch allenthalben unter der Hand angeboten wurden. Dem ausufernden Schmuggelhandel versuchte der König Einhalt zu gebieten, indem er den Kaffeehandel monopolisierte und gleichzeitig das Kaffeerösten nur noch an bestimmten Orten gestattete; denn nur gerösteter Kaffee entwickelt das charakteristische, intensive Aroma. Damit einher ging 1781 die Anstellung von Veteranen als „Kaffeeriecher“, also Schnüffler im wahren Sinne des Wortes. Sie hatten die Aufgabe, auf den Straßen Berlins illegal gerösteten Kaffee aufzuspüren. Mit Sicherheit lösen die beigefügten zeitgenössischen Zitate empörter Bürger, die das unglaubliche Vorgehen der Kaffeeriecher im eigenen Heim erdulden mussten, beim Leser ein Schmunzeln aus. Auch sollte man nicht vergessen, dass es Not war, die einen Menschen dazu brachte, eine ekelbehaftete Tätigkeit wie die des Fullone/Urinwäschers auszuüben oder mit einem Karren als Lumpensammler durch die Städte zu ziehen. Es sei der Vergleich solcher Geschichten mit den mitleids- und aufsehenerregenden Liedtexten eines Bänkelsängers erlaubt, dessen Berufsausübung auf den Jahrmärkten ebenfalls beschrieben wird: „Hört Leute, was ich berichte! Der kauft mein Lied, den (= dem) schlägt ein Herz! Singen will ich die Geschichte, es weint das Aug, groß ist der Schmerz, fünf deutsche Sklaven in Algier, von diesen singe ich allhier.“ D. Jestrzemski

Michaela Vieser, Irmela Schulz: „Von Kaffeeriechern, Abtrittanbietern und Fischbeinreißern. Berufe aus vergangenen Zeiten“, C. Bertelsmann Verlag, München, geb., 240 Seiten, 19,99 Euro


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