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23.02.13 / Kreml bekämpft illegale Migration / Russische Stadtbevölkerung fürchtet Kriminalität und Überfremdung − Gesetzesnovelle soll Probleme lösen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-13 vom 23. Februar 2013

Kreml bekämpft illegale Migration
Russische Stadtbevölkerung fürchtet Kriminalität und Überfremdung − Gesetzesnovelle soll Probleme lösen

Die Unzufriedenheit der russischen Bevölkerung mit der Anwesenheit von Migranten wächst. Vor allem in Moskau und St. Petersburg werden Klagen über zunehmende Kriminalität und die Übertragung ansteckender Krankheiten durch Illegale laut. Zum Jahreswechsel hat Präsident Wladimir Putin eine neue Registrierungspraxis in Kraft gesetzt, die bei Missbrauch nicht nur die Bestrafung von Migranten, sondern auch von deren Arbeitgebern und Vermietern vorsieht.

Sie hausen in feuchten Kellern, ernähren sich schlecht und halten sich meist illegal in Moskau oder anderen russischen Großstädten auf: Millionen Menschen sind in den vergangenen Jahren aus den strukturschwachen Republiken Zentralasiens, Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan nach Russland gekommen, um dort ihr Glück zu suchen. Offiziell geht Moskau von zehn bis zwölf Millionen ausländischen Migranten aus, von denen neun Millionen eine Arbeit haben. Wie groß die Zahl der Illegalen ist, lässt sich nicht nachweisen.

Seit Langem versucht die Regierung, die Probleme der illegalen Einwanderung in den Griff zu bekommen. Nicht immer gehen die eingesetzten Sicherheitskräfte der „Omon“ bei ihrer Arbeit zimperlich vor: Bei einer Razzia am 19. Februar in St. Petersburg setzten sie 300 Muslime fest, eine Maßnahme zur Terrorbekämpfung, wie es offiziell hieß. Inhaftiert blieben sechs Muslime. Die Verhafteten gehörten zu den Bewohnern eines Gettos in St. Petersburg, das sich seit Jahren um „Apraskij Dwor“, einem der ältesten Handelszentren Russlands, ganz in der Nähe des berühmten Kaufhauses „Gostinnyj Dwor“ gelegen, gebildet hat. Nach dem Zerfall der Sowjetunion entstand dort ein wilder Markt, Drogen- und Waffenhandel treiben seitdem hier Blüten. Ein Schandfleck mitten im Zentrum St. Petersburgs, für den sich die Politik wieder interessiert, nachdem sich bislang Investoren für eine Restaurierung des historischen Gebäudes nicht gefunden hatten oder abgesprungen sind.

Neben den staatlichen Sicherheitsdiensten machen auch selbsternannte Ordnungshüter wie das Bürgerkomitee „Swetlaja Rus“ Jagd auf illegale Migranten. Sie sehen sich als Hüter der Ordnung und arbeiten mit dem staatlichen Migrationsdienst (FSM) zusammen. Von der Bevölkerung, die Angst vor Überfremdung hat und sich an Feiertagen, wie etwa Silvester in Königsberg (die PAZ berichtete) wegen befürchteter Zusammenstöße mit Ausländern nicht mehr auf die Straße traut, werden Bürgerwehren unterstützt.

Die Politik sieht sich zum Handeln veranlasst. Kürzlich forderte Michail Prochorow, der bei der letzten Wahl um die Präsidentschaft kandidierte, auf einem Bürgerforum, außerhalb von Großstädten Lager für Migranten einzurichten, in denen sie leben sollten, bis sie alle Aufnahmeprozeduren durchlaufen haben. So könnten neben der behördlichen Registrierung auch notwendige medizinische Untersuchungen an ihnen vorgenommen werden. Damit spricht Prochorow vielen aus der Seele. Tatsächlich wurden durch Migranten Krankheiten eingeschleppt, die schon längst als ausgestorben galten. Neben Diphterie sind Krankheiten wie Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten, HIV, Hepatitis und Polio auf dem Vormarsch. In der Regel wurden die Menschen in ihren Heimatländern nicht geimpft. Eine Behandlung in Russland können sie sich schlichtweg nicht leisten. Es wurde auch von Fällen berichtet, in denen Muslimen von ihren Religionsführern verboten wurde, einen russischen Arzt aufzusuchen. Weil Migranten nicht nur auf dem Bau, sondern häufig auch im niedrig entlohnten Dienstleistungssektor und im Handel arbeiten, fordern Ärzte schon lange eine gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung für ausländische Einwanderer.

Mit einer Reform der Zuwanderungsregeln will der Kreml die Probleme entschärfen. Im November unterzeichnete Wladimir Putin ein Gesetz, das Migranten zu einer Sprachprüfung verpflichtet. Sie müssen ausreichende Russischkenntnisse nachweisen, die von einem russischen Notar dokumentiert sein müssen. Darüber hinaus ist der Nachweis einer Ausbildung gefordert, die einem russischen Mindestschulabschluss entspricht. Neu ist, dass das Gesetz bei Zuwiderhandlung nicht nur die Bestrafung von Migranten vorsieht, sondern auch von Arbeitgebern, die sie illegal beschäftigen, und Vermietern, die sie bei sich wohnen lassen. Russland will auch die Rechte der Migranten schützen, materielle Sicherheit sowie medizinische Versorgung sollen ihnen garantiert werden. Illegalen, die erwischt werden, soll künftig für eine Dauer von fünf bis zehn Jahren die Wiedereinreise nach Russland verwehrt bleiben. Ihren russischen Helfershelfern drohen fünf Jahre Haft.

Viele halten die Migrationspolitik für zu liberal. Bislang könnten Ausländer aus Zentralasien für 90 Tage ohne Visum nach Russland einreisen und dort arbeiten. Deshalb hat sich bei Zentralasiaten die Praxis eingebürgert, nach drei Monaten auszureisen, um danach für weitere 90 Tage zurückzukehren. Die Schlupflöcher der bisherigen Regelung wird auch das neue Gesetz nicht schließen. Am Kasaner Bahnhof in Moskau handeln Fälscher mit den benötigten Dokumenten. Laut dem Vorsitzenden der Vereinigung „Tadschikische Arbeitsmigranten“, Karomat Scharipow, beschaffen sich 90 Prozent der Migranten gefälschte Dokumente.

Das Dilemma bleibt: Russland benötigt einerseits die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, andererseits kommen Migranten überwiegend aus Tadschikistan, Usbekistan oder Kirgistan und verfügen selten über eine Ausbildung. Manuela Rosenthal-Kappi


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