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23.02.13 / Mehr Frankreich für Europa / Obwohl die Deindustrialisierung rasch voranschreitet, will Paris die übrige EU mit seinen Idealen beglücken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-13 vom 23. Februar 2013

Mehr Frankreich für Europa
Obwohl die Deindustrialisierung rasch voranschreitet, will Paris die übrige EU mit seinen Idealen beglücken

In einer Rede vor dem EU-Parlament hat Frankreichs Präsident François Hollande seine Vorstellungen über die Zukunft der EU vorgelegt. In Kurzform lautet sein Rezept, dass alles was Frankreich zum Problemfall Europas gemacht hat, nun auf die gesamte EU übertragen werden soll.

Erneut war es der britische Premier David Cameron, der zuvor schon mit seiner Europa-Rede für Empörung gesorgt hatte, der es als einziger auf dem Weltwirtschaftstreffen in Davos gewagt hat, daran zu erinnern, dass es Europa nicht an zu wenig Zentralisierung, sondern an Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit mangelt. Den Gegenentwurf zu Camerons Vorstellungen hat inzwischen Frankreichs Präsident François Hollande in einer Rede vor dem EU-Parlament vorgelegt. Während Hollandes Forderung nach politischer Einflussnahme beim Euro-Wechselkurs für Schlagzeilen sorgte, blieb der Rest seiner Rede fast unbeachtet.

Zu Unrecht! Während Frankreich sich mit seiner Reformverweigerung immer mehr zum eigentlichen Problemfall in der Euro-Zone entwickelt, lautet die Empfehlung Hollandes, die EU noch mehr als bisher nach französischem Modell umzubauen. Während der Brite Cameron den Nationalstaaten wieder mehr Handlungsfähigkeit und Flexibilität zurückgeben will, lautet die Empfehlung des Franzosen: Eine EU à la Hollandaise – mehr Zentralisierung und mehr Vereinheitlichung. Nebenbei wird alles, was Frankreich zum aktuellen Problemfall macht, zum verbindlichen Standard für ganz Europa erklärt. Von der Einführung europaweit geltender Mindestlöhne über Mindestbesteuerungssätze bis hin zu Jobgarantien für Jugendliche. Da derlei Pläne wenig bringen, dafür aber kostspielig sind, liefert Hollande den Hinweis, wo das Geld herkommen solle, gleich mit. In Europa müsse es künftig „mehr Solidarität“ geben. Mit anderen Worten: Neben mehr Vorschriften auch noch mehr Umverteilung innerhalb der EU, die Lizenz zum Schuldenmachen auf fremde Kosten inklusive.

Verpackt ist die Forderung Hollandes in Formulierungen wie „neue finanzielle Instrumente“ oder auch ganz offen, indem erneut Euro-Bonds, also gemeinsame Anleihen, gefordert werden. Mit dem vorgelegten Konzept hat Hollande beste Chancen, Frankreich zum Anführer des sogenannten „Club-Med“ zu machen. Der Versuch, Versprechen zu machen, die zum guten Teil deutsche Steuergelder kosten werden, dürfte in der EU durchaus Anhänger finden. Stattdessen wäre aber ein Kurswechsel längst überfällig – vor allem in Frankreich selbst. Allem Aktionismus seit Hollandes Machtantritt zum Trotz geht die Deindustrialisierung Frankreichs ungebremst weiter. Jährlich gehen rund 80000 Industriearbeitsplätze verloren. Der Wertschöpfungsanteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wirtschaftsleistung Frankreichs ist auf nur noch neun Prozent gefallen. Das ist halb so viel wie in Deutschland und sogar weniger als in Großbritannien, dem immerhin der Ruf vorauseilt, weitgehend deindustrialisiert zu sein.

Betroffen sind inzwischen auch Bereiche, die vor wenigen Jahren noch als Frankreichs Vorzeigebranchen galten, etwa der Automobilbau. Eine der wich­tigsten Ursachen der verlo­ren­ge­gan­genen Konkurrenzfähigkeit: Die im Jahr 2000 in Kraft getretenen 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, an der trotz desaströser Folgen festgehalten wird. Was stattdessen als Lösung präsentiert wird, um den wirtschaftlichen Niedergang Frankreichs aufzuhalten, gleicht einem Griff in die Mottenkiste sozialistischer Wirtschaftspolitik. Aktuell ist ein Gesetz in Vorbereitung, das Firmen die Schließung von profitabel arbeitenden Werken untersagen soll. De facto ein Abwanderungsverbot, das langfristig auf Investoren noch mehr Abschreckungskraft entwickeln dürfte als die horrende Steuerbelastung für Unternehmen in Frankreich.

Ebenfalls wie ein Rückfall in alte Zeiten wirkt, was sich derzeit rund um den Autobauer Peugeot Citroen PSA abspielt, der Tag für Tag inzwischen rund sechs Millionen Euro Verlust macht. Sowohl im Elysée-Palast als auch im Wirtschaftsministerium gibt es Gedankenspiele, durch den Ausbau der Allianz zwischen PSA und der Opel-Muttergesellschaft General Motors erneut einen jener von Paris geliebten nationalen „Champions“ erstehen zu lassen. Ob der eines Tages, wie insgeheim gehofft, sogar dem deutschen Rivalen VW gefährlich werden kann, bleibt fraglich. Zweifellos werden aber massiv Steuergelder fließen. Bereits im Oktober 2012 hat die Finanzierungssparte des Autobauers, die Banque PSA, staatliche Garantien von sieben Milliarden Euro erhalten. Um die Allianz mit dem US-Konzern unter Dach und Fach zu bringen, scheint Paris allerdings noch zu ganz anderen Opfern bereit zu sein. Während unlängst bei der Meldung des PSA-Rekordverlustes von fünf Milliarden Euro der schwächelnde Automarkt in Europa als Begründung herhalten musste, herrschte zu einem anderen Thema Schweigen. Frankreichs Beschluss, sich der US-Sanktionspolitik gegen den Iran anzuschließen, hat dazu geführt, dass Peugeot einen wichtigen Markt verloren hat. Immerhin zehn Prozent seiner Produktion lieferte PSA in der Vergangenheit in Form von Bausätzen oder Ersatzteilen an Iran Khodro Industries. Insgesamt wurden daraus bis zu 450000 Autos jährlich zusammengesetzt und im Iran verkauft. Ob die Aufgabe dieses Marktes sich eines Tages tatsächlich durch ein Entgegenkommen von General Motors auszahlt, bleibt abzuwarten. Norman Hanert


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