27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.03.13 / Im Dorf der Fahrraddiebe / Grenzkriminalität an der Oder: Polnischer Ex-Polizist vermutet skandalösen Filz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-13 vom 02. März 2013

Im Dorf der Fahrraddiebe
Grenzkriminalität an der Oder: Polnischer Ex-Polizist vermutet skandalösen Filz

Grenzkriminalität bleibt ein von der Politik unterschätztes Problem. Sie greift zu spät ein. Die Hemmschwellen sind längst gefallen, wie aktuelle Beispiele zeigen.

„Im Tandem gegen die Grenzkriminalität“ fahren ab dieser Woche polnische und deutsche Polizisten im gemeinsamen Ausbildungskurs durch Brandenburg. Politik und Polizeiführung signalisieren: Es bewegt sich etwas in Sachen Grenzkriminalität, und zwar nicht nur das Diebesgut. Grenzüberschreitende Ministertreffen finden statt. Im brandenburgischen Guben, einem Zentrum der Gegenmaßnahmen, zieht die Polizei eine positive Bilanz. Die kriminelle Energie der Täter bleibt indes hoch, wie ein polnisches Dorf beweist.

„Das Klischee vom polnischen Dieb hält sich hartnäckig. Dabei geraten die vielfältigen Projekte zwischen Polen und Brandenburg fast völlig aus dem Blick“, klagt die Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung in einem vor wenigen Tagen erstellten Internet-Artikel unter der Überschrift: „Grenzkriminalität. Die gefühlte Bedrohung aus dem Osten“.

Der mit Umfragen zu dieser „gefühlten Bedrohung“ garnierte Beitrag verwahrt sich gegen den Eindruck, Kriminalität sei ein Problem mit klarer Aufteilung in polnische Täter und deutsche Opfer. Der Beitrag empfiehlt „Austausch“ zur Überwindung der Vorurteile: „den Anderen auf Augenhöhe wahrzunehmen“.

Der pensionierte polnische Polizist Zdzislaw Matras (62) berichtete nun in der „Märkischen Oderzeitung“ von seinen Austauscherlebnissen: Der Beamte ließ sich nach Ende seiner Dienstzeit in einem Haus rund 20 Kilometer nahe der Grenze in der gut 330 Einwohner zählenden Gemeinde Groß Lübbichow [Lubiechnia Wielka] nieder und wurde selbst bald Opfer krimineller Diebesbanden – und Zeuge recht merkwürdiger Begebenheiten.

Für den Diebstahl einer „teuren Säge“ schien sich trotz konkreten Verdachts gegen einen Holz verarbeitenden Nachbarn bei der örtlichen Polizei niemand zu interessieren. Als der Pensionär eine dreiköpfige Bande fotografierte, die auffällig neue Fahrräder ins Dorf holte, blieb die zuständige Polizeiwache Reppen [Rzepin] nach Matras’ Angaben ebenfalls untätig. Ein Fahrrad blieb demnach sogar dauerhaft im Dorf.

Der Polizist a.D. hat inzwischen erfahren, dass die Frau des Polizeichefs ein Sägewerk besitzt und mit seinem Nachbarn in Verbindung steht. Erst als eine junge polnische Beamtin angesichts drückender Beweislage den Fall der Fahrraddiebe weiterverfolgte, erhielt ein deutscher Eigentümer sein Rad zurück. Als Grund für diesen Teilerfolg gab Matras, der einstige Leiter der Kriminalpolizei in Schwiebus [Swiebodzin], die vielen Anfragen deutscher Behörden nach den gestohlenen Fahrrädern an.

Die Anklage gegen den mutmaßlichen Täter indes versandete. Die zuständige polnische Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren aus „formalen Gründen“ ein. Matras glaubt, auch hier habe die lokale Polizei nachgeholfen, indem sie bei der Befragung des deutschen Zeugen auf einen Dolmetscher verzichtete – ein „Verfahrensfehler“, durch welchen die Befragung wertlos wurde. „Dafür dürfte der Rzepiner Polizeichef gesorgt haben“, zitiert die „Märkische Oderzeitung“ den Pensionär.

Viel schwerer wiegt indes der Verdacht gegen lokale polnische Ämter. Was nützt der Kampf gegen die politisch ohnehin als „gefühlte Bedrohung“ kleingeredete Grenzkriminalität, wenn der Partner auf der polnischen Seite des polizeilichen Tandems womöglich teils für die falsche Seite arbeitet? Vertrauen ist so in Gefahr, undichte Stellen drohen.

Der aktuell wieder gestartete gemeinsame Lehrgang für diesmal je zehn brandenburgische und polnische Polizisten in der Polizeiinspektion Ost in Frankfurt/Oder stellt so nur einen sehr begrenzten Erfolg dar. Die nun kritisierten lokalen Beamten sind zwar nicht mit der übergeordneten Polizei gleichzusetzen, doch muss auch Letztere, bevor sie in Aktion tritt, nun erst einmal sprachliche Hürden nehmen und ihre Kenntnisse im Rechtssystem der jeweils anderen Seite vertiefen. Bisher wurden im Rahmen des Tandems 29 deutsche und 32 polnische Polizisten entsprechend weitergebildet – viel ist das nicht. Bis Jahresende gibt es noch drei Kurse. Eine vergleichbare Zusammenarbeit auf Seiten der Justiz existiert noch nicht. Erst vor wenigen Tagen machte sich der Leitende Oberstaatsanwalt von Frankfurt/Oder, Carlo Weber, für eine solche Zusammenarbeit stark.

Wo die Gefahr, gestellt zu werden, gering ist, sinkt indes die Hemmschwelle. Zur bevorstehenden Grenzöffnung gemäß Schengener Abkommen der EU Ende 2007 schrieb die Gewerkschaft des polnischen Grenzschutzes (NSZZ FSG) den deutschen Kollegen: „Wir teilen auch Eure Ängste vor einem unkontrollierten Zustrom von Terrorismus und Kriminalität, was zweifelsohne eine Gefahr für die Schaffung einer neuen europäischen Ordnung im Rahmen des Schengener Übereinkommens darstellt.“ Die Gefahr ist in Teilen längst tägliche Realität. Sverre Gutschmidt


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren