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02.03.13 / Tatort Florenz / Ungeklärte Todesfälle der Medici-Familie werden wie ein Kriminalfall neu aufgerollt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-13 vom 02. März 2013

Tatort Florenz
Ungeklärte Todesfälle der Medici-Familie werden wie ein Kriminalfall neu aufgerollt

Die Medici herrschten in der italienischen Renaissance über Geld, Staat und Kirche. Eine Ausstellung in Mannheim zeigt, dass einigen die Macht gar nicht gut bekommen ist und sie Opfer von Verbrechen wurden.

Mit der Totenruhe ist es in der Kirche San Lorenzo von Florenz nicht weit her. Davon kann die berühmte Medici-Familie ein Lied singen, die sich das Gotteshaus nach Entwürfen von Filippo Brunelleschi und Michelangelo zur Grablege ausbauen ließ. Seit 1559 kam es zu vier großen Umbettungsmaßnahmen. Die erste, nur zu Forschungszwecken genutzte Exhumierung erstreckte sich von 1945 an über mehrere Jahre. Hochwasser überflutete 1966 etliche Medici-Gräber. Das gab 34 Jahre später den Anstoß zum Zusammenschluss von Wissenschaftlern zahlreicher Fachdisziplinen, die im Rahmen des „Medici-Projektes“ in den geöffneten Särgen nach dem Rechten sehen, Diagnosen über Krankheiten und Todesursachen stellen, Restaurierungsmaßnahmen be­schädigter Gräber in die Wege leiten und nach bislang vermissten Familienmitgliedern fahnden.

Auch Mitarbeiter der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen sind am Medici-Projekt beteiligt. Die Forschungsergebnisse werden jetzt im Rahmen einer spektakulären Ausstellung präsentiert, die einen Blick hinter die Kulissen der Macht wirft. Vom Stammvater Giovanni die Bicci (1360–1429) bis zu Anna Maria Luisa (1667–1743), mit der das Ge­schlecht ausstarb, werden 31 Familienmitglieder anhand von 200 Exponaten vorgestellt. In aller Regel mit einem zeitgenössischen Porträt, dem Abguss des Schädels und einigen aussagekräftigen Objekten. Com­puteranimationen be­richten in einigen Fällen über Krankheiten und Todesursache des Familienmitglieds.

Mit ihrem europaweit erfolgreich agierenden Bank- und Handelshaus stiegen die Medici zum führenden Geschlecht von Florenz auf. Unter Lorenzo dem Prächtigen (1449–1492) münzten die Medici ihren Reichtum in politische Macht um. Allerdings genießt die Mehrzahl der Medici als Politiker einen zweifelhaften Ruf. Ihren bis heute anhaltenden Ruhm aber haben sie sich als Förderer der Künste und Wissenschaften erworben. Zu den Schützlingen Lorenzos des Prächtigen zählten Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli und Michelangelo. Durch sein Mäzenatentum wurde er zu einem der Wegbereiter der Renaissance in Europa.

Doch der glanzvolle Lorenzo hatte eine leidvolle Krankengeschichte. Wie viele aus seiner Familie litt er am so genannten Medici-Syndrom: einer Kombination aus Arthritis, Wirbelsäulenversteifung und Schuppenflechte.

Trotz ihrer bürgerlichen Herkunft gelang es den Medici, in das französische, spanische und habsburgische Herrscherhaus einzuheiraten. Zu den prominentesten Vertretern des Geschlechtes aber gehören zwei Päpste, die kirchenpolitisch ungeschickt, familienpolitisch aber glücklich agierten. Leo X., 1513 bis 1521 im Amt, wollte den Neubau des Petersdoms durch den Handel mit Ablässen finanzieren. Das gab Martin Luther den Anstoß zur Formulierung seiner 95 Thesen, die die Reformation ins Rollen brachten. Das ausgestellte Porträt, eine zeitgenössische Kopie nach dem Gemälde Raffaels, zeigt Papst Leo X. mit den Kardinälen Luigi de’ Rossi und Guilio de’ Medici.

Guilio amtierte als Papst Clemens VII. von 1523 bis 1534. Auf seinem Porträt von unbekannter Hand ist er mit Vollbart dargestellt. Sein ebenfalls ausgestelltes Rasierbesteck hat er seit 1527 ruhen lassen zum Zeichen der Trauer über die Erstürmung und Plünderung Roms durch kaiserliche Söldner. Gleichwohl hatte er familienpolitische Verdienste: Er erreichte, dass Alessandro de’ Medici (1510–1537), der Gerüchten nach sein unehelicher Sohn war, zum Herzog von Florenz ernannt wurde. Alessandro wurde von seinem Cousin Lorenzino ermordet. Mit ihm erlosch die ältere Linie der Medici.

Sein Nachfolger stammte aus der jüngeren Linie: Cosimo I. (1519–1574). Er tat sich als Mäzen hervor und sorgte für die Rangerhöhung der Familie, deren Oberhäupter fortan als Großherzöge über die Toskana herrschten. Die im Rahmen des Medici-Projektes durchgeführte Autopsie von Cosimos Leichnam offenbart seine Krankheitsgeschichte: Er hatte die Pocken, litt an Malaria, Nieren- oder Gallensteinen und Bronchitis. Von Krankheit und Alter gezeichnet, übergab er seinem Sohn Francesco I. (1541–1587) die Regierungsgeschäfte. Frances­co starb mit seiner zweiten Gattin, Bianca Capello (1548–1587), eines qualvollen Todes. Wurden sie von Ferdinando I. (1549–1609), der den Kardinalspurpur ablegte und Francesco als Großherzog folgte, vergiftet? Projekt-Forscherin Donatella Lippi berichtet: Untersu­chungen ha­ben organisches Material von Frances­co I. und einer nicht identi­fizier­baren Frau bestätigt und darin Arsen festgestellt.“ Biancas Grab wurde bislang nicht gefunden.

Erfolgreich verlief hingegen die Fahndung nach dem Grab der Isabella de’ Medici Orsini (1542–1599), die uns durch ein von Alessandro Allori geschaffenes Porträt, einen im Grabschacht gefundenen Rock und den Abguss ihres Schädels vorgestellt wird. Wegen ihres plötzlichen Todes wurde spekuliert, sie sei vom Gatten ermordet worden. Doch die Grab-Untersuchungen erbrachten keine Hinweise auf einen Mord.

Die letzten aus dem Großherzogsgeschlecht der Medici waren die Geschwister Gian Gastone (1671–1737) und Anna Maria Luisa (1667–1743). Beider Ehen blieben kinderlos. Anna Maria Luisa hatte mit Kurfürst Johann Wilhelm II. von Pfalz-Neuburg (1658–1716) eine glückliche Ehe am Regierungssitz Düsseldorf geführt. Nach dem Tod des Gatten kehrte sie nach Florenz zurück.

Mit dem auf die Medici folgenden Herrscherhaus Lothringen schloss Anna Maria Luisa einen Vertrag, dass die beweglichen Vermögenswerte der Familie in Florenz bleiben müssen. Ihr Sarg wurde im Oktober letzten Jahres geöffnet. Wie seit der Exhumierung von 1857 bekannt, saß auf ihrem Schädel eine Krone. Als „sensationelle Entdeckung“ aber feiern die Wissenschaftler deren nun gelungene Identifizierung. Es handelt sich um die Kurfürstenkrone ihres Gatten, die sie mit in ihr Grab nahm. Dort befindet sie sich noch heute. Ausgestellt ist eine auf Hochglanz gebrachte Nachbildung. Veit-Mario Thiede


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