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02.03.13 / Satte Erdlandung / »Der Mondmann« geht in den Kinos auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-13 vom 02. März 2013

Satte Erdlandung
»Der Mondmann« geht in den Kinos auf

Drei Jahre vor der ersten Mondlandung veröffentlichte Tomi Ungerer sein Kinderbuch „Der Mondmann“. In einer Zeit, in der alle Welt sich astronomische Wunder vom Mond erhoffte, ließ Ungerer den Mann aus dem Mond ernüchternde Erkenntnisse auf Erden sammeln.

Sein einsamer Mondmann langweilt sich in seiner Silberkugel so sehr, dass er eines Nachts einen Kometen am Schweif packt und sich zur Erde tragen lässt. Dort entdeckt er lauter seltsame Dinge mit der unbefangenen Neugier eines Fremdlings. Hirsche mit Eulen im Geweih, einen mit Blüten bedeckten Bach und einen gewaltigen Präsidenten, der ihn als Bedrohung für die Menschheit einkerkern lässt.

Aber mit dem abnehmenden Mond verliert der Mondmann seine Gestalt, entfleucht ungesehen aus dem Gefängnis und trifft auf einen freundlich verschrobenen Erfinder, der ihm diagnostiziert, dass er weder Gewicht, Knochen, Organe oder Herzschlag, aber dafür ein großes Herz be­sitzt. „Das Herz ist da, wo Du mich als Freund spürst“, sagt der Erfinder.

Mit seiner Rakete findet der Mondmann zurück in seine Heimat am Nachthimmel. Dort brauchen ihn die Kinder, denn ohne den Blick auf ihn können sie nicht einschlafen. „Allein ist man schneller, aber zu zweit kommt man weiter“, weiß der Mondmann. Um Vertrauen, Nähe und Freundschaft kreisen alle Episoden der modernen und stimmungsvollen Verfilmung von Stephan Schesch. Am 14. März kommt der Film in die Kinos.

Regisseur Schesch bereicherte den Stoff aus dem dünnen Bilderbuch mit dem Witz und den Lebensweisheiten aus weiteren Ungerer-Werken. Seine Mischung aus lustiger Keckheit und Lakonie, aus purer Poesie und politischen Untertönen, aus kindlicher und erwachsener Perspektive spricht Kinder, Eltern und Großeltern an. „Wo die Babys herkommen, weiß ja jedes Kind, aber wo kommen eigentlich die Erwachsenen her?“, fragt ein Mädchen. „Wo ist die Nacht, wenn es Tag wird?“, heißt es an anderer Stelle.

Diese feinsinnige Ironie zieht sich auch durch die Details. Ein Eisverkäufer händigt in der Nacht Eistüten an Meeresungeheuer aus. Der ausgestopfte Eisbär im Präsidentenpalast gähnt unvermittelt. Das große Cabriolet, in dem ein Mädchen des Nachts mit seinem Vater zum Autokino fährt und sich über den Mann im Mond unterhält, lässt die amerikanische Landschaft aufleben, die Massenveranstaltungen des Präsidenten erinnern an sowjetische Verhältnisse. Mit der heiseren Stimme von Katharina Thalbach klingt der Mondmann wie Steven Spielbergs „E.T.“. Die ungewöhnliche Musikzusammenstellung reicht von „Moonriver“ über „Der Mond ist aufgegangen“ zu den psychedelischen Klängen von Iron Butterfly. Die Bildästhetik in warmen Farbtönen ist auf altmodische Weise entspannt.

Alle Figuren und Bewegungen entstanden in der Herstellungsweise früher Animationsfilme aus Handzeichnungen. 120 Zeichner aus 23 Ländern, 80 von ihnen arbeiteten in einem Studio in der Karl-Marx-Allee, fertigten sie auf ihren Grafiktablets. Mit vier Millionen Euro betrugen die Produktionskosten dieser Handarbeit nur einen Bruchteil der Kosten amerikanischer Computeranimationsfilme. So verschlang der Pixar-Blockbuster „Oben“ über 175 Millionen Dollar.

„Zu den relativ bescheidenen finanziellen Mitteln passte das künstlerische Konzept“, erzählt Schesch, der bereits „Die drei Räuber“ von Tomi Ungerer verfilmte, im Interview mit der PAZ. „Das Buch selbst lebt ja vom Weglassen. Wir wollten auch keinen durchgehenden Orchesterscore, der alles zukleistert“, sagt er. Sein Film arbeitet mit langen Zäsuren. „Diese Entschleunigung ist ein bewusster Schritt, um die Geschichte verdauen zu können. Filme werden heute immer lauter, immer schneller. Ich frage mich, ob Kinder diese Feuerwerke überhaupt noch verstehen. Wir wollten es in jeder Hinsicht anders machen.“

Das Konzept gelingt. Die eigenwilligen Szenen im traumwandlerischen Tempo dürften Jung und Alt verzaubern. Dorothee Tackmann


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