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16.03.13 / Eine Hand wäscht die andere / Korruptionsskandale überziehen die Tschechische Republik: Mehr als nur ein Wirtschaftswunderland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-13 vom 16. März 2013

Eine Hand wäscht die andere
Korruptionsskandale überziehen die Tschechische Republik: Mehr als nur ein Wirtschaftswunderland

Ein Staatsoberhaupt, gegen das Anklage wegen Hochverrats erhoben wird, dürfte selbst für die skandalgewohnte tschechische Öffentlichkeit irritierend sein. Was sich derzeit um den langjährigen Präsidenten Václav Klaus abspielt, setzt neue Maßstäbe.

Nur drei Tage bevor seine Amtszeit am 7. März abgelaufen war, fasste die zweite Kammer des Parlaments, der Senat, einen spektakulären Beschluss gegen den Präsidenten der Republik. Václav Klaus soll sich vor dem Verfassungsgericht wegen Hochverrats verantworten. Denn mit seiner „Neujahrsamnestie“ zum Ende des Jahres 2012 habe er seine Machtbefugnisse als Präsident missbraucht. Nicht von ungefähr ist der Eindruck entstanden, Klaus habe die letzten Wochen seiner Amtszeit dazu genutzt, noch schnell eine „maßgeschneiderte“ Amnestie auf den Weg zu bringen. Quasi über Nacht hat Klaus es möglich gemacht, dass berüchtigte Wirtschaftskriminelle, die sich in den 1990er Jahren durch Korruptions- und Finanzskandale maßlos bereichert haben, nun als unbescholtene Bürger gelten.

Klaus war zu der Zeit, als massenweise Staatseigentum Gaunern in die Hände fiel, zunächst selbst Finanzminister, später Premierminister. Per Amnestie straffrei aus gehen allerdings auch die Akteure aus einer weiteren Hochphase der Korruption, den Jahren, als Klaus’ Demokratische Bürgerpartei als Opposition der Minderheitsregierung des Sozialdemokraten Miloš Zeman die Macht sicherte. Der damals zwischen beiden ausgehandelte „Oppositionsvertrag“ gilt Kritikern im Rück-blick als nationaler Generalplan für eine umfassende Korruption, mit der sich beide Parteien das Land als Beute aufgeteilt haben. Anlass genug, dass Skeptiker fürchten, in der Prager Burg könnte bald eine weitere Amnestie verkündet werden: für Václav Klaus – verkündet durch den neuen Staatspräsidenten Miloš Zeman.

Momentan sieht es allerdings ganz so aus, als wenn Klaus sich wegen einer drohenden Verurteilung sowieso keine allzu großen Sorgen machen muss. In einer ersten Stellungsnahmen hat das Verfassungsgericht in Brünn mitgeteilt, eine „Beschwerde“ des Senats zur Neujahrsamnestie von Klaus weder „formal noch rechtlich“ zu überprüfen – die Abweisung der Klage dürfte damit nur noch eine Formsache sein.

Allerdings ist die Anklage wegen Hochverrats gegen Klaus nicht der einzige Anlass, dass das Thema Korruption in Prag aktuell wieder für Schlagzeilen sorgt. Auch gegen Regierungschef Petr Necas (Demokratische Bürgerpartei ODS) ist eine Strafanzeige wegen Bestechung eingegangen. Necas wird verdächtigt, drei Abgeordneten seiner Partei, die eigentlich gegen ein Steuergesetz stimmen wollten, lukrative Posten im Staatssektor versprochen zu haben, wenn sie einlenken. Sollte sich der Vorwurf bestätigen, dann wäre das der bisherige Höhepunkt der skandalreichen Amtszeit des Kabinetts Necas. Erst seit Juni 2010 an der Macht, mussten aus der Regierungskoalition bereits neun Minister wegen Befangenheit oder Korruptionsaffären zurücktreten.

Mit den Vorwürfen gegen die Spitzen des tschechischen Staates ist eine Tatsache ins Rampenlicht gerückt, die im übrigen Europa gern übersehen wird. Das EU-Mitglied Tschechien gilt als eines der korruptesten Länder Europas. Die Organisation Transparency International reiht in ihrem Korruptions-Index Tschechien auf Platz 57 ein, in einem Bereich, in dem auch Länder wie Weißrussland und die Ukraine rangieren. Während in der EU Bulgarien und Rumänien wegen weit verbreiteter Korruption am Pranger stehen, wird Tschechien für gewöhnlich als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte präsentiert.

Nicht nur wegen der aktuellen Vorgänge in Prag könnte dieses geschönte Bild nun einen Kratzer erhalten. Ausgerechnet der sehr eng mit der Politik verbandelte tschechische Staatskonzern CEZ, ein Energieversorger, sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, wegen Missbrauch seiner Marktmacht eine Mitschuld an der Regierungskrise in Bulgarien zu haben. Massenproteste wegen der aussichtslosen wirtschaftlichen Lage in Bulgarien haben dazu geführt, dass der bisherige Ministerpräsident Bojko Borissow seinen Rücktritt erklärt und Neuwahlen ausgerufen hat. Entzündet hatte sich der Unmut vieler Bulgaren an den drastisch gestiegenen Strompreisen. Seit der Privatisierung des Strommarktes im Jahr 2005 hat sich ein Oligopol gebildet, bei dem drei ausländische Unternehmen den Markt unter sich aufgeteilt haben. Mit von der Partie ist der tschechische Staatskonzern CEZ. Wie eine Krake hat sich CEZ in Ost- und Südosteuropa sowie selbst in Deutschland Beteiligungen zusammengekauft. Innerhalb von zehn Jahren ist der Prager Staatskonzern so zu einem der größten Stromanbieter Europas geworden. Parallel zur Expansion gab es aber auch immer wieder den Verdacht, dass vor allem auf dem Balkan bei den abgeschlossenen Verträgen die Bestechung von Politikern eine Rolle gespielt hat. Bereits gekündigt wurde CEZ das Engagement in Albanien.

Nachdem CEZ nun in Bulgarien wegen überhöhter Abrechnungen in der Kritik steht, haben bulgarische Behörden ein Verfahren eingeleitet, um CEZ wegen seiner Geschäftspraktiken wieder die Lizenz zu entziehen. Der drohende Rauswurf für CEZ aus Bulgarien war für Staatspräsident Klaus der Anlass, noch kurz vor Ende seiner Amtszeit eine harsche Warnung auszusprechen: Tschechiens Regierung solle resolut dafür sorgen, dass sich Bulgarien an Gesetze hält. Norman Hanert


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