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16.03.13 / China im Griff der Zensur / Zehntausende Internetpolizisten und eine »50-Cent-Armee« bewachen das Internet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-13 vom 16. März 2013

China im Griff der Zensur
Zehntausende Internetpolizisten und eine »50-Cent-Armee« bewachen das Internet

Der chinesische Exil-Journalist Chang Ping hat in Berlin die scharfe Zensurpraxis in China erläutert. Der 44-Jährige hatte wegen regimekritischer Artikel in China dreimal seine Stelle verloren und erhielt Berufsverbot. Seit 2011 lebt er in Deutschland und arbeitet von hier aus als Chefredakteur des in Hongkong erscheinenden Wochenmagazins „iSunAffairs“, da er kein Arbeitsvisum für die ehemalige britische Kronkolonie erhält. Auf der Pressekonferenz der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) erklärte Chang auf Frage der PAZ, auch in Hongkong nehme die Pressefreiheit immer weiter ab. Mittels Finanzkapital versuche die KP Chinas sogar, auch auf die Presse in Taiwan Einfluss zu nehmen.

Die Propagandaabteilungen der KP geben unter anderem landesweite Regelungen heraus, worüber nicht berichtet werden darf. Wie Chang erzählt, hat ein Ökonom einmal einen Reporter beim Interview wütend angeherrscht: „Du weißt doch, dass du diese Frage nicht stellen darfst.“ Viele Journalisten üben sich in Selbstzensur. Andere versuchen, im fortwährenden Katz-und Maus-Spiel mit den redaktionellen und behördlichen Aufpassern ihre Spielräume auszuloten, auch unter hohem persönlichen Risiko. Im Internet geht es bei aktuellen Ereignissen oft darum, eine Information wenigstens ein bis zwei Stunden ins Netz stellen zu können, bevor ein Verbot ausgesprochen und sie gelöscht wird. Derzeit sind in China mindestens 100 Journalisten und Blogger inhaftiert.

Chang Ping war unter anderem Nachrichtenchef der Wochenzeitung „Nanfang Zhoumo“ in Südchina. Bei dieser tauschte Anfang Januar die Propagandabehörde ohne Wissen der Redaktion einen gewohnt kritischen Neujahrsgruß des Blattes gegen einen Beitrag aus, der die Arbeit der KP lobte. Hunderte Unterstützer der Zeitung protestierten tagelang vor dem Redaktionsgebäude, 30 Personen wurden verhaftet. Laut Chang erhält die Redaktion täglich E-Mails mit Hinweisen auf Machtmissbrauch oder vertuschte Unglücksfälle, doch verhindere die strenge Aufsicht eine Bericht-erstattung. Allein im letzten Jahr seien über 1000 Artikel des Blattes zensiert worden. Die führenden Posten in fast allen Medien sind mit Parteikadern besetzt. Die Zeitungen sind in staatlichem Besitz. Bei privaten Internetportalen sind die Themen festgelegt, über die gesprochen werden darf.

Chang meinte, in China mangele es nicht an mutigen Journalisten, sondern eher an mutigen Internetnutzern. Westlichen Journalisten rät er, sich nicht so viel mit Macht- und Flügelkämpfen der obersten KP-Riege zu beschäftigen; von dieser erwarte er keine grundlegende Kursänderung. Stattdessen solle man mehr das Augenmerk auf die Entwicklungen in der chinesischen Gesellschaft richten, die immer pluralistischer werde. Wirkliche Veränderungen entstünden nur aus „gesellschaftlichen Bewegungen“. Als wichtige Aspekte nannte er unter anderem Umweltschutz, Frauenrechte und die Ausbreitung von Aids.

Die Internetnutzung ist streng reglementiert und wird von Zehntausenden „Internetpolizisten“ überwacht. Zahlreiche Websites sind gesperrt. Tabuisiert seien besonders die „drei T“ (Tibet, Taiwan, Tiananmen), so Chang Ping. Bei verbotenen Seiten würde eine Fehlermeldung angezeigt oder gar kein Inhalt. In Shenzen würden auch zwei Comic-Figur-Polizisten auf dem Bildschirm erscheinen, die den Nutzer beim versuchten Aufruf verbotener Seiten warnten. In Internetcafés sei der Ausweis vorzulegen und es würde genau protokolliert, welche Website jemand besucht habe.

Neuerdings müssen Nutzer generell stets ihren Klarnamen im Internet nennen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ meldet, gibt es auch eine „50-Cent-Armee“. Demnach „honoriert die politische Führung Internetnutzer mit umgerechnet 50 Cent (fünf maó) je Eintrag, wenn sie regierungsfreundliche Kommentare in Foren oder unter Nachrichtenbeiträgen veröffentlichen“. Laut „FAZ“ beschäftige Peking auf diese Weise „etwa 280000 Freiberufler, deren Aufgabe darin besteht, die Regierung zu loben, Kritiker zu diskreditieren oder einfach nur Blogs und Foren zu beobachten“.

Mit dem internationalen Netz ist das chinesische Netz über sechs Hauptstränge verbunden. Sie werden von großen chinesischen Internetanbietern betrieben, die auf Geheiß der politischen Führung ausländische Seiten sperren. Michael Leh


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