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16.03.13 / Weniger Touristen in Königsberg / Reisebüros nehmen wegen neuer Visaregelung russische Exklave aus ihren Katalogen heraus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-13 vom 16. März 2013

Weniger Touristen in Königsberg
Reisebüros nehmen wegen neuer Visaregelung russische Exklave aus ihren Katalogen heraus

In Vorbereitung auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 ist in Königsberg ein eigenes Tourismus-Ministerium eingerichtet worden, das die Region auf den erwarteten Besucher-Ansturm vorbereiten soll. Doch zurzeit zeigt sich aufgrund der verschärften Visaregelung eher ein gegenteiliger Trend: In den ersten Monaten dieses Jahres gingen die Besucherzahlen drastisch zurück.

Das Thema Tourismus steht im Interesse der Öffentlichkeit und von Regierungsvertretern, die mit Enthusiasmus alle möglichen Pläne zur Steigerung der Attraktivität der Region erörtern. Im vergangenen Jahr wurde sogar ein Tourismus-Ministerium für die Exklave geschaffen, das aus einer bereits bestehenden Reiseagentur hervorgegangen ist. Die Welle des neuen Enthusiasmus steht damit in Verbindung, dass Königsberg zu den Austragungsorten der Fußballweltmeisterschaft 2018 gehört. Genauso wie in Sotschi, wo 2014 die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, hofft auch Königsberg auf Impulse für die Entwicklung der Stadt. Dass diese Erwartungen genauso enttäuscht werden wie in Sotschi (siehe PAZ Nummer 10), ist sehr wahrscheinlich.

Die Übernachtungszahlen sind jetzt schon rückläufig und nun haben auch noch deutsche Reise­agenturen beschlossen, Reisen ins Königsberger Gebiet ab 2014 aus dem Programm zu nehmen. Mindestens elf Hamburger Reisebüros haben dies gemeinsam in einem Brief an ihre russischen Partner erklärt. Als Hauptgrund nannten sie das Inkrafttreten der neuen Visaregelung für Deutsche. Die Vergabe von Visa erfolgt nun durch russische Visazentren. Durch die Einschaltung dieser Zwischenstelle verteuern sich die Visagebühren, denn das Visazentrum erhält 24 Euro Provision. Darüber hinaus kann man ein Visum jetzt nur noch auf elektronischem Wege in englischer Sprache beantragen. Nur teilweise sind die Formulare ins Deutsche übersetzt. Dazu kommt, dass der Antragsteller künftig den Visazentren, die nicht einmal offizielle staatliche Institutionen sind, Auskünfte über sein Einkommen erteilen muss. Ein Rückgang der ausländischen Gäste lässt sich bereits in den ersten Monaten des Jahres 2013 feststellen.

Ein Großteil der Besucher des Königsberger Gebiets sind ältere Menschen. Viele von ihnen kamen bereits mehrmals. Vor allem zu Beginn der 90er Jahre gab es eine Welle des sogenannten „Heimweh-Tourismus“. Doch diese Art von Reisen ging schon aus Altersgründen zurück. Heute kommen aus der Bundesrepublik Deutschland immer mehr junge Menschen, Geschäftsleute, Kulturschaffende und Wissenschaftler, aber auch solche, deren Vorfahren aus Ostpreußen stammen und die ihren Wissensdurst stillen möchten, indem sie Orte aufsuchen, mit denen ihre Familiengeschichte verbunden ist. Es zeigt sich, dass es mit Nostalgie allein nicht getan ist und dass das Gebiet mit seiner Gegenwart, einem guten Service, neuen Sehenswürdigkeiten und mit wiedererrichteten historischen Objekten Touristen anlocken müsste.

Zurzeit besuchen jährlich zirka 500000 Touristen das Gebiet. Das sind weniger, als allein der litauische Teil der Kurischen Nehrung anzieht, und nur ein Bruchteil dessen, was die Stadt Danzig aufweisen kann. Hier wie dort bilden deutsche Touristen einen Großteil der Gäste. Es gibt also offensichtlich spezielle Gründe, warum sie gerade den russischen Teil Ostpreußens meiden.

Dies hat nicht nur mit der komplizierten Visabeschaffung zu tun, sondern es fehlen auch Flugverbindungen. Nach der Pleite der russischen „KDAvia“ sind Flüge erheblich teurer geworden. Ein einfacher Flug von Berlin nach Königsberg mit „Air Berlin“ kostet beispielsweise 184 Euro. Für weniger Geld kann man mit dieser Fluggesellschaft bereits nach Mos­kau fliegen, obwohl die Entfernung dorthin doppelt so groß ist. Darüber hinaus stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis in Königsberg nicht. Für die vergleichsweise hohen Preise ist die Auswahl an Hotels zu gering.

Eine wichtige Frage ist, was Reisende im Königsberger Gebiet sehen wollen. Die meisten ausländischen und deutschen Touristen kommen als Bildungsreisende. Genauso wie diejenigen, die nach Berlin reisen, zieht sie die ungewöhnliche Geschichte der Region, ihr schweres Schicksal, an. In den vergangenen Jahren wurden deshalb einige historische Denkmäler wiedererrichtet. Es entstanden neue Feiertage und Traditionen, die in der Geschichte wurzeln. Doch die Entwicklung des Königsberger Stadtbildes und unangenehme Zwischenfälle, die sich ständig im Zusammenhang mit historischen Baudenkmälern ereignen, stellen den Erhalt der spärlichen Reste des deutschen Kulturerbes infrage. Die Nachbarschaft von Forts, Kirchen und alten Villen mit sowjetischen Bauten der Chruschtschow-Ära, Betonmonumenten und gesichtslosen modernen Einkaufszentren im Zentrum der Stadt ruft bei vielen Touristen Befremden hervor.

Aus diesen Gründen bringt der Tourismus für den Haushalt des Gebiets weitaus weniger Einnahme als bei den Nachbarn Polen und Litauen.

Viele Besucher des Königsberger Gebiets bereisen die ehemaligen Kurbäder Cranz und Rauschen, die Kurische Nehrung und auch Palmnicken, wo es weltweit das größte Bernsteinvorkommen gibt. Jedoch ist die touristische Infrastruktur in den übrigen Orten des Gebiets äußerst unterentwickelt. Kein einziges der großen Projekte wie internationale Jachthäfen in Neukuhren oder Labiau oder ein Hotelkomplex auf der Kurischen Nehrung wurden realisiert. Neue Ideen gibt es zwar in Hülle und Fülle, aber die Mittel reichen meist nur für Diskussionen und kurze Präsentationen. Teilweise fehlt es in den Tourismuszentren an dem Nötigsten wie öffentlichen Toiletten oder Parkplätzen für Reisebusse.

Aus den genannten Gründe ist statt mit einem Gewinn an Touristen eher damit zu rechnen, dass in Zukunft immer weniger Menschen das Königsberger Gebiet bereisen wollen. Jurij Tschernyschew


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