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23.03.13 / Phrasen statt Lösungen / Berlins Senat speist Problemschulen mit einer Million Euro für »school turnaround« ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-13 vom 23. März 2013

Phrasen statt Lösungen
Berlins Senat speist Problemschulen mit einer Million Euro für »school turnaround« ab

Berlin legt ein neues Förderprogramm für Schulen auf, denen die Probleme über den Kopf wachsen. Externe Berater nach dem Vorbild New Yorks sollen den Einrichtungen helfen, doch die Wunden in Berlins ideologisch geprägter Schulpolitik lassen sich mit Geld kaum mehr verdecken.

Die neue offizielle Liste des Senats zeigt zehn Schulen, die ihrem Bildungsauftrag „schlichtweg nicht mehr gerecht werden können“. Ein Gymnasium gehört dazu, ebenso Grundschulen sowie von jüngsten Zusammenlegungen betroffene Sekundarschulen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will mit dem Programm Verbesserungen bei allen wichtigen Qualitätsmerkmalen einer Schule erreichen.

Die Robert-Bosch-Stiftung und das Land Berlin stellen für dieses „Coaching Network“ eine Million Euro bereit. Berlins landeseigene Programme zum weiteren Umbau der schulischen Bildung sind auch ohne das neue Vorhaben teuer und umfangreich: Bis 2017 will der Senat die „inkludierende“ Schule einführen, also das gemeinsame Lernen Behinderter und Nichtbehinderter. Das Sitzenbleiben steht kurz vor der Abschaffung. Beides Projekte, die in Fachkreisen teils mit Entsetzen quittiert wurden.

Ein vergangenes Projekt, das „jahrgangsübergreifende Lernen“ in den Grundschulen, ist gerade gescheitert. Die betreute Ganztagsschule und neue Auswahlverfahren für Gymnasien sowie das Abitur nach zwölf Jahren wurden indes bereits durchgepeitscht. Der Abschied vom dreigliedrigen Schulsystem ist noch nicht lange her.

Aus Haupt- und Realschulen entstanden die Sekundarschulen, was längst nicht überall glückte, wie der hohe Anteil derart zusammengelegter Schulen im neuesten Hilfsprogramm nahelegt. Trotz des Reformeifers gibt das Land weniger für Bildung aus als im Bundesschnitt. Anstelle langfristiger Schulplanung sind kurzfristige Zuwendungen nach Lage der Landeskasse getreten.

Die Berliner Landespolitik will lieber mit einzelnen Erfolgsmeldungen glänzen als mit allgemein guten Schulverhältnissen. Dies zeigt sich aktuell am Beispiel der Rütli-Schule: Die einst durch einen Brandbrief verzweifelter Lehrer und durch Gewalt bekannt gewordene Einrichtung bewarb sich 2008 erfolgreich um einen Platz in Berlins Modellprojekt Gemeinschaftsschule. Mit Millioneninvestitionen unter anderem in aufwendige Sozialbetreuung und eine große, nun fertiggestellte Multifunktionshalle für sechs Millionen Euro, erstrahlt die Schule nun als Leuchtturmprojekt. Weitere 30 Millionen Euro werden in den nächsten Jahren noch dorthin fließen. Andere Schulleiter kritisieren derweil, sie verfügten weder über Stiftungsgelder noch Geld vom Land, dafür aber über ähnliche Probleme. Wo Medien nicht hinschauen, erodiert Berlins Schulsystem somit weiter, haben Schüler ein halbes Dutzend Schulreformen in ihrer Laufbahn zu verdauen.

Gegen die edelsanierte Rütli-Schule nehmen sich die nun geplanten gut eine Million Euro für die neuen Berater bescheiden aus. Dank dieses Einsatzes soll jedoch die Zahl der Schulabbrecher sinken, zugleich das Schwänzen abnehmen und die Lernleistungen allgemein steigen. Das alles erwartet jedenfalls Scheeres Ressort und kündigt für jede Einrichtung eine „eingehende Analyse“ und „Unterstützungsmaßnahmen“ an.

Ziel der Maßnahme ist beispielsweise die Dohm-Schule in Moabit. Ihr Ruf lässt sich an den Anmeldungen ablesen: 100 möglichen Plätzen nach den Sommerferien stehen nur 56 Kinder gegenüber. Bei einem Ausländeranteil von 90 Prozent, so der Schuldirektor im Deutschlandradio, fragten Eltern nicht weiter nach: „Selbst türkische und arabische Eltern sagen mir, das sind mir zu viele (Schüler) nichtdeutscher Herkunftssprache.“

Schulumzug plus Zusammenschluss – und das bei überalterten Lehrerkollegien – kennzeichnen auch die meisten anderen, nun vom Senat bedachten Einrichtungen. Das auf zweieinhalb Jahre angelegte Programm „School

turnaround“ (Schulwende) wird an dieser Ausgangslage wenig „wenden“. Vielmehr versucht der Senat den Eindruck zu vermeiden, die zur Resterampe verkommenen Schulen aufgegeben zu haben. Scheeres formuliert das so: „Wir setzen natürlich nicht dort an, wo wir negative Dinge entdecken. Sondern, es geht darum zu gucken, wo sind die Potenziale, wo ist das Positive an dieser Schule.“ Die Senatorin will „Schätze ausgraben“, bei den einzelnen Einrichtungen eine Schulwende nach US-Vorbild bewirken.

Wer die Berliner Schulen auf US-Ghetto-Niveau herunterreformiert hat, lässt sie offen und schwärmt stattdessen von US-Präsident Barack Obama: „Die haben mit ganz anderen Summen und anderen Zahlen gearbeitet. Da wurden 400 Schulen zugemacht und 300 neu aufgemacht.“ Die Bosch-Stiftung kündigte bereits an, im Erfolgsfall das Vorhaben anderen Bundesländern als Pilotprojekt anbieten zu wollen. Sverre Gutschmidt


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