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23.03.13 / Spionin am Hofe / Junge Polin wird Informantin der Zarin Elisabeth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-13 vom 23. März 2013

Spionin am Hofe
Junge Polin wird Informantin der Zarin Elisabeth

Es ist ein typisches Muster für Frauenromane: Ein junges Mädchen aus armen Verhältnissen gelangt dank Bildungshunger, Intelligenz und Fleiß trotz Außenseiterposition zu Glück, Liebe und Erfolg. Mit diesem Aschenputtelmotiv beginnt auch der Roman „Der Winterpalast“, der am Hofe der russischen Zarin Elisabeth spielt. Doch ganz so einfach ist das im zu Suhrkamp gehörenden Insel Verlag erschienene Werk der in Breslau geborenen und in Kanada lebenden Autorin Eva Stachniak dann doch nicht gestrickt. Ihre im Alter von sieben Jahren mit ihren Eltern von Polen nach St. Petersburg ausgewanderte Hauptfigur Barbara, die in Russland Warwara genannt wird, muss nach dem Tod ihrer Eltern am Hofe der Zarin als Näherin arbeiten. Doch die Buchbindertochter kann weder mit Nadel und Faden umgehen noch findet sie sich mit ihrem Schicksal ab. Stachniak lässt die 15-jährige Warwara nachts durch die Zimmer des Palastes, in dem auch ihre Unterkunft untergebracht ist, streifen und Bücher suchen und lesen. Während dieser Weiterbildung trifft sie eines Nachts auf den Kanzler der Zarin, der sofort erkennt, dass das Mädchen ideal ist, um es als Spionin auszubilden.

Aus der Perspektive Warwaras, die inzwischen Vorleserin des Großfürsten Peter ist, erfährt der Leser viel über das Machtgefüge am Zarenhof. Die wechselnden Liebhaber der Kaiserin sind genauso Thema wie die fehlende Reife des Thronfolgers und seine Ablehnung gegen seine in Stettin geborene spätere Gattin. Überhaupt ist es interessant, wie deutsch es am Zarenhof zuging, denn Peter ist ein geborener Holstein-Gottorf. Ständig ist er von Holsteiner Soldaten umgeben, was für Unmut beim russischen Militär sorgt. Auch seine Begeisterung für Friedrich den Großen, gegen den Russland Krieg führt, sorgt dafür, dass sich viele bei Hofe einen anderen Kronprinzen wünschen.

Eigentlich soll Warwara Sophie von Anhalt-Zerbst, die nach der Hochzeit mit Peter den Namen Katharina annimmt, ausspionieren, doch sie fühlt sich der fast gleichalten Frau verbunden und versucht, diese vor den Intrigen bei Hofe zu schützen. Als das der Zarin bekannt wird, verheiratet sie Warwara mit dem adligen Soldaten Igor. Doch die Buchbindertochter weist ihren Mann ab und sperrt sich so gegen das kurze Glück, was ihr hätte vergönnt sein können, wie sie erst zu spät erkennt. Am Ende bleibt ihr aus dieser Ehe nur ihre Tochter Darja.

„Aber der Sieg ist nicht alles. Man muss auch bedenken, was man mit diesem Sieg gewonnen hat.“ Nachdenklich stimmende Sätze wie dieser geben dem Roman eine gewisse Tiefe. Und auch wenn der Verlag selbst anpreist, dass man bei der Lektüre den schweren Brokat und die knisternde Seide vor seinem inneren Auge sieht, so handelt es sich bei „Der Winterpalast“ nicht nur um einen historischen Frauenroman.

„Ich weiß, was die Macht einem Menschen antut. Ich weiß, dass man mit Furcht dafür büßt. Ich will nicht, dass mein Kind in Ihrer Welt leben muss“, so Warwaras letzte Worte an Katharina. Bei dem Lernprozess, den sie durchlebt, bis sie zu dieser Erkenntnis gelangt, darf der Leser sie begleiten und taucht zwar in eine andere Welt ein, erfährt aber Dinge, die auf sein Leben übertragbar sind. Bel

Eva Stachniak: „Der Winterpalast“, Insel Verlag, Berlin 2012, broschiert, 530 Seiten, 14,99 Euro


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