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30.03.13 / Billige Abrechnung / Ehemalige Behördenmitarbeiterin zieht über Alltag beim Amt her

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-13 vom 30. März 2013

Billige Abrechnung
Ehemalige Behördenmitarbeiterin zieht über Alltag beim Amt her

Das von der Tageszeitung „Die Welt“ als „Enthüllungsbuch“ bezeichnete Buch „Es gibt viel zu tun, heften wir’s ab. Grüße vom Amt“ macht schon aufgrund seines Titels neugierig. Man hört schließlich viel über Beamte und den öffentlichen Dienst. Zudem gibt es auch viele Witze über die Bearbeitungsgeschwindigkeit und die übertriebene Detailliebe von Behörden. Doch merkwürdigerweise liest man selten von Mitarbeitern, wie sie ihre Arbeit empfinden. Wer sich von der Autorin Jule Mann – der Name ist allerdings ein Pseudonym – sachkundige Informationen über den Arbeitsalltag beim Amt erhofft, wird enttäuscht.

Jule Mann ist wohl Mitte 40, als sie sich aus Verzweiflung auch bei einer Behörde bewirbt, denn die Werbeagentur, für die sie tätig ist, steht kurz vor der Insolvenz. Doch schon bei ihrer Beschreibung des Bewerbungsgespräches merkt man die Distanz. Mit Betreten des düsteren Gebäudes ist sich die Autorin offenbar sicher, dass sie hier nicht hin gehört. Von oben herab betrachtet sie die Behördenmitarbeiter, lässt sich nicht wirklich auf sie ein und macht sich über sie lustig. Gut, Gründe dazu hat sie zwar zum Teil, denn einige beschriebene Arbeitsmethoden sind durchaus antiquiert und ineffizient, auch ertrinken die Angestellten nicht wirklich in Arbeit, da es sehr viel Zeit für Pläuschchen und den Austausch von Tratsch und Klatsch gibt. Was aber richtig stört, ist der Umstand, dass Mann sich vor ihren Kollegen ekelt. Abwertend beschreibt sie die Geburtstags- und Jubiläumsfeiern und tut so, als wären ihre Mitmenschen fast Tieren gleich, weil sie Kartoffelsalat aus Plastikeimern und Würstchen von Papptellern mit abwaschbaren Plastikgabeln essen. Außerdem würde es überall nach Staub und Schweiß stinken. Der Geruch im Amt sei unerträglich, klagt die Autorin, die noch vor Ablauf der Probezeit gekündigt hat und nun offenbar arbeitslos ist.

Und obwohl ihre Arbeit hauptsächlich daraus bestand, für ihren Chef Briefe zu tippen, die Post zu holen und zu verteilen, Kopien zu fertigen und die Tageszeitungen nach Artikeln zu durchsuchen, die für ihren Chef interessant sein könnten, beklagt sie sich über ihr Gehalt, von dem sie dachte, dass im Bewerbungsgespräch der Nettobetrag genannt worden sei, wobei es sich in Wirklichkeit um ihr Bruttogehalt handelte.

Natürlich ist es frustrierend, wenn man jeden Tag zur Arbeit geht und das Gefühl hat, absolut nichts Sinnvolles zu tun, aber gibt es nicht effektivere Wege, als zu kündigen und ein Buch zu schreiben, das von Frust nur so trieft und damit leider sogar die wahren Missstände überdeckt?

Manchmal bringt Jule Mann einen aber dann doch zum Schmunzeln. So berichtet sie, dass sie unbedacht eine Einladung zum Betriebsausflug rausgeschickt hat, in der die Anrede nur lautete „Sehr geehrte Kollegen“. Sofort meldeten sich einige Damen zu Wort, die sich nicht angesprochen fühlten und darauf bestanden, dass es „liebe Kolleginnen und -en“ heißt. Und als die Autorin das Bücherregal ihres Chefs ordnen wollte, fand sie lauter unnütze, veraltete Titel wie „Seminarangebote für den öffentlichen Dienst in gehobener Ausführung für das Jahr 1984“ oder „Amtliche Führungsseminare 1993“. Und wenn es beim Amt einmal zu Veränderungen käme, dann seien diese laut Mann keineswegs eine Verbesserung. So klagt sie über ein neues IT-System, das aber langsamer sei als das Vorgängermodell. Hilfe vom für IT zuständigen Kollegen konnte sie jedoch auch keine erlangen, da der nicht mehr ganz junge Computerfachmann leider nicht mehr mit seinem Wissen auf der Höhe der Zeit war.

In der Bilanz ist es jedoch arg übertrieben „Es gibt viel zu tun, heften wir’s ab“ als Enthüllungsbuch zu bezeichnen, dafür ist es viel zu subjektiv und zu wenig konkret. Rebecca Bellano

Jule Mann: „Es gibt viel zu tun, heften wir’s ab. Grüße vom Amt“, rororo, Reinbek 2013, broschiert, 240 Seiten, 8,99 Euro


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